Europäisches Erbrecht seit 17. August 201. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Europäisches Erbrecht
ist ein bedeutsames Thema. Nach einer Mitteilung des Deutschen Forum für Erbrecht
- leben 8 Millionen Europäer nicht im eigenen, sondern in einem anderen europäischen Land
- finden in Europa jährlich 450.000 grenzüberschreitende Erbfälle statt
- bilden immer mehr Bürger Europas Vermögen im Ausland
- liegen die Werte der Nachlässe mit Auslandsvermögen durchschnittlich über denen ohne Auslandsvermögen
Was gilt hier, nachdem die erste Europäische Erbrechtsverordnung, die für Todesfälle ab dem 17.8.2015 gilt, auf den Weg gebracht wurde? Zunächst ist festzuhalten, dass Dänemark, Irland und Großbritannien nicht dabei sind. Sie sind der Europäischen Erbrechtsverordnung nicht beigetreten. Für alle anderen Staaten gilt die Europäische Erbrechtsverordnung, also auch für Deutschland. Sonderrechte, wie z.B. für die Landwirtschaft (Grundstücksverkehrsgesetz, die Anerbenrechte, wie z.B. die Höfeordnung) gelten auch nach dem 17.8.2015 fort.
1. Anzuwendendes Recht
Abweichend von dem in einigen Ländern noch geltenden sogenannten Personalstatut (d.h. das Erbrecht richtet sich nach der Nationalität des Erblassers, so dass z.B. ein Italiener / Spanier in Deutschland nach italienischem / spanischem Erbrecht beerbt wird oder ein Deutscher in Italien / Spanien nach deutschem Erbrecht) richtet sich ab dem 17.8.2015 die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das ist der Staat, in dem sich sein Lebensmittelpunkt befindet.
Rechtswahl möglich: Der Erblasser kann im Testament auch sein Heimatrecht wählen, also das Erbrecht des Staates (und nur dieses!), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Ein Deutscher, der in Spanien lebt, kann also Deutsches Erbrecht wählen. Diese Rechtswahl ist auch wirksam, wenn sie vor dem 17.8.2015 in einem Testament wirksam getroffen wurde.
2. Alte Testamente gelten fort
Testamente, die vor dem 17.8.2015 wirksam errichtet wurden, gelten also fort. Sie verlieren auch nicht ihre Gültigkeit, wenn der Aufenthaltsort nach der Errichtung geändert wird. Beispiel: Ein in Deutschland errichtetes Testament aus dem Jahr 2000 gilt also fort, auch wenn der Erblasser 2018 nach Spanien verzogen ist und dort seinen Lebensmittelpunkt begründet.
3. Europäisches Nachlasszeugnis
Gehört zum Nachlass Auslandsvermögen, kann ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragt werden. Die Erteilung erfolgt durch das zuständige Nachlassgericht bzw. die entsprechende Behörde. Das Europäische Nachlasszeugnis wird in allen Mitgliedstaaten als Nachweis der Stellung der Erben und Vermächtnisnehmer sowie der Befugnisse der Testamentsvollstrecker oder Fremdverwalter von Rechts wegen anerkannt. In allen Mitgliedstaaten wird die inhaltliche Richtigkeit des Nachlasszeugnisses während seiner Gültigkeitsdauer vermutet.
4. Anerkennung
Entscheidungen eines Mitgliedstaats werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Die inländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.
5. Vollstreckbarkeit
Die in einem Mitgliedstaat ergangenen und dort vollstreckbaren Entscheidungen sowie die in einem Mitgliedstaat geschlossenen und dort vollstreckbaren gerichtlichen Vergleiche werden in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckt.
6. Öffentliche Urkunden
Die in einem Mitgliedstaat aufgenommenen öffentlichen Urkunden werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, sofern ihre Gültigkeit nicht im Ursprungsmitgliedstaat nach den dort geltenden Verfahren angefochten wurde und unter dem Vorbehalt, dass diese Anerkennung nicht der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Mitgliedstaates entgegensteht. Solche öffentlichen Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat auf Antrag für vollstreckbar erklärt.