Grabpflegekosten: Mindern sie den Pflichtteilsanspruch?

Grabpflegekosten: Mindern sie den Pflichtteilsanspruch? Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Grabpflegekosten: Mindern sie den Pflichtteilsanspruch?

Ob Grabpflegekosten den Nachlass und damit den Pflichtteil schmälern oder ob sie – so die herrschende Meinung – bloß eine moralisch sittliche Verpflichtung darstellen, ist strittig. Das Landgericht Heidelberg hat mit der Mindermeinung entschieden, dass Miterben jedenfalls dann verpflichtet sind, die Kosten laufender Grabpflege zu tragen, wenn dem Nutzungsberechtigten nach der örtlichen Friedhofssatzung entsprechende Unterhaltungspflichten auferlegt sind. Es schließt sich ausdrücklich der Mindermeinung von Damrau (ZEV 2004, 456) und des AG Neuruppin (ZEV 2007, 597) an. In der Sache ging es darum, inwieweit einem auf Rückzahlung verklagten Miterben einer zerstrittenen Erbengemeinschaft im Hinblick auf aus dem Nachlass entnommene Gelder ein Entnahmerecht aus §§ 2038, 1968 BGB zustand. Von einer lediglich sittlichen Pflicht zur laufenden Pflege könne keine Rede sein, sondern es existierten öffentlich-rechtliche Pflichten.

Die Frage ob Grabpflegkosten sind, ist insbesondere auch für das Pflichtteilsrecht relevant; denn sind sie als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar mindern sie den Pflichtteil. In diesem Punkt hat allerdings das OLG Schleswig jüngst (ZEV 2010, 196) der Mindermeinung eine klare Absage erteilt.

Mindern die Kosten der Grabpflege den Pflichtteil?

Das ist sehr umstritten. Wenn zum Beispiel der Nachlass 90.000 ist und die Grabpflegekosten für die ortsübliche Liegezeit 10.000 betragen, dann muss der alleinerbende Lebensgefährte zum Beispiel dem einzigen Kind den Pflichtteil zahlen. Zieht man die Grabpflegkosen nicht ab, beträgt der Pflichtteil 90.000 x 1/2 = 45.000. Zieht man die Grabpflegekosten als Nachlassverbindlichkeit ab, beträgt der Pflichtteil (90.000 ./. 10.000 = 80.000) x 1/2 = 40.000.

Bisher vertritt der BGH die Auffassung, dass Grabpflegekosten keine Beerdigungskosten sind und deshalb bei der Berechnung des Pflichtteils nicht abgezogen werden dürfen. Die Grapflege stelle nur eine sittliche Pflicht und keine Rechtspflicht dar (NJW 1973, 2103).

Immer mehr Land- und Amtsgerichte entscheiden diese Frage aber anders.

Zum Beispiel das Landgericht Heidelberg in einem Urteil vom 31. 5. 2011 – 5 O 306/09, abgedruckt in ZEV 2011, 583.

Vor dem Landgericht im schönen Heidelberg stritten Geschwister als Mitglieder einer Erbengemeinschaft. Verstorben war die Mutter der Streithähne. Es gab einen verklagten Bruder, der von der Mutter noch zu deren Lebzeiten mit der Verwaltung ihres Vermögens betraut worden waren. Nach Muttis Tod veranlasste der Beklagte die Beerdigung auf dem Friedhof der Stadt Wiesloch. Mit der laufenden Grabpflege beauftragte er eine ortsansässige Gärtnerei. Die klagende Schwester verlangte von ihrem Bruder die Rückzahlung der Gelder in den Nachlss, die von dem Bruder im Rahmen seiner Vermögensverwaltung von Konten der Mutter entnommen worden waren. Zurückverlangt wurden auch die für die Beerdigung und die Grabpflege geleisteten Zahlungen. Die Klägerin meinte, die Auszahlungen seien pflichtwidrig erfolgt, weil der Beklagte nicht eigenmächtig die Beerdigung und die Grabpflege habe veranlassen dürfen.

Das Landgericht Heidelberg vertrat folgende Auffassung.

Zu den Nutzungsgebühren:

Als volljähriges Kind war war der beklagte Sohn nach §§ 31 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 BestG bestattungspflichtig. Kam er dieser Pflicht allein nach und wurde infolgedessen von der Stadt Wiesloch als Trägerin des Friedhofs zu den hierdurch verursachten Gebühren herangezogen und diese bezahlt, so hat er eben deshalb einen Ersatzanspruch gegen die Erbengemeinschaft.

Dabei war es auch nicht schädlich, dass der beklagten Sohn das Nutzungsrecht für das Wahlgrab allein auf seinen Namen erwarb. Er durfte die zur Bestattung notwendigen Schritte nicht etwa nur im Einvernehmen mit allen Geschwistern veranlassen. Das Bestattungsrecht zieht im öffentlichen Interesse möglichst viele Personen als potenzielle Bestattungspflichtige heran und fordert nicht, dass sich diese zuvor über die Einzelheiten der Bestattung und der Nutzungsberechtigung einigen müssen. Als Sonderpolizeirecht geht es dem Bestattungsrecht vielmehr um effektive Gefahrenabwehr, weil unbestattete Leichen eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellen. Gerade aus dem vom LG Heidelberg entschiedenen Fall, in dem die Parteien auch fünf Jahre nach dem Todesfall noch über die Bestattungsmodalitäten streiten, erweist sich die Sinnhaftigkeit dieser Regelung. Durfte und musste der beklagte Sohn aber die Bestattung veranlassen, so waren ihm auch die entstandenen Kosten von der Erbengemeinschaft zu ersetzen.

Inwieweit der beklagte Sohn zur Übertragung (§ 14 Abs. 8 der Friedhofssatzung der Stadt Wiesloch) des Nutzungsrechts verpflichtet ist und ob dieses überhaupt auf mehrere Personen lauten kann, ist eine andere Frage, die für die Erstattung der auf den Gebührenbescheid geleisteten Zahlungen unerheblich ist.

Geldspenden

Dass anlässlich der Trauerfeier erfolgte Geldspenden gerade auf die durch Gebührenbescheid erhobenen Kosten hätten angerechnet werden müssen, ist nicht ersichtlich. Selbst wenn dem so wäre, wären dann der Erbengemeinschaft die Kosten zur Last gefallen, zu deren Begleichung die Spenden stattdessen verwendet wurden.

Kosten der Grabpflege

Dem Nachlass steht gegen den beklagten Sohn keine Forderung i. H. von 120,64 € wegen der Grabpflege durch die Firma Flora Park Wiesloch zu. Zwar sind die Miterben durch den abgeschlossenen Grabpflegevertrag mangels Mitwirkung hieran nicht verpflichtet worden. Auch insoweit hatte der Beklagte aber einen Anspruch gegen den Nachlass aus § 1968 BGB.

Allerdings will die herrschende Meinung unter den Juristen Grabpflegekosten nur dann unter die Kosten der Beerdigung fassen, wenn es sich um Kosten der Erstanlegung des Grabes handelt, was hier unklar geblieben ist. Der Ansicht, dass die danach anfallende Pflege nicht von den Erben zu tragen ist, weil es sich lediglich um eine sittliche und nicht rechtliche Pflicht handle vermochte sich das Landgericht Heidelberg jedenfalls für den zu entscheidenden Fall nicht anzuschließen. Sie muss unter Geltung des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG schon deshalb Bedenken hervorrufen, weil danach der Erbe neben anderem für „die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer” pauschal 10 300 € als Nachlassverbindlichkeit vom Erwerb abziehen kann. Es erscheint angemessen, dass der so begünstigte Erbe dem Totensorgeberechtigten dann auch die weiteren Pflegeausgaben zumindest bis zu dieser Höhe ersetzt (vgl. AG Neuruppin, ZEV 2007, 597; Damrau, ZEV 2004, 456), jedenfalls soweit sie bis Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft entstanden sind. Zum anderen ist es aber im vorliegenden Fall so, dass die Grabpflege einer Rechtspflicht entspricht. Die Grabausstattungen sind nach § 24 Abs. 1 der Friedhofssatzung der Stadt Wiesloch durch den Nutzungsberechtigten in würdigem Zustand „zu halten”; alle Grabstätten müssen der Würde des Ortes angemessen nicht nur hergestellt, sondern auch „dauernd gepflegt werden. Verwelkte Blumen und Kränze sind von den Grabstätten zu entfernen und an den dafür vorgesehenen Plätzen abzulagern” (§ 26 Abs. 1 der Friedhofssatzung). Bei Zuwiderhandlungen droht Ersatzvornahme auf Kosten des Nutzungsberechtigten (§ 27 Abs. 1 Satz 4 Friedhofssatzung). Von einer lediglich sittlichen Pflicht zur laufenden Pflege kann also keine Rede sein. Es ist nun aber gerade Sinn und Zweck des § 1968 BGB, die landesrechtliche „publizistische Beerdingungspflicht” durch die Kostenhaftung des Erben mit der bürgerlich-rechtlichen Gesamtrechtsnachfolge nach Bundesrecht zu harmonisieren. Dabei kann es nur auf die jeweils geltenden öffentlich-rechtlichen Pflichten ankommen. Dass diese gegenüber dem bei Erlass des BGB üblichen Zustand verschärft sein mögen, spielt dagegen auch sonst keine Rolle: selbst die Errichtung des Grabmals, die heute ganz herrschend unter § 1968 BGB gefasst wird, wollten die Motive („kein hinreichendes Bedürfnis”) noch vom Kostenersatz ausgenommen wissen (Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB für das Dtsch. Reich, Bd. V., S. 286).

Wiederum kann es keine Rolle spielen, ob der Erstbekl. als Bestattungspflichtiger die Aufwendungen in Absprache mit seinen Geschwistern oder gegen deren Willen gemacht hat, denn jedenfalls war er als Nutzungsberechtigter dazu öffentlich-rechtlich verpflichtet. Der vorliegende Fall, in dem die Kosten weit unter der Pauschale des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG liegen, gibt auch keinen Anlass zu einer Entscheidung darüber, was bei der Veranlassung unangemessener Pflegekosten zu gelten hätte.

Tipp:  Wer seinen Erben Streit ersparen will, sollte wegen der Grabpflege entweder im Testament klare Regelungen treffen  oder schon zu Lebzeiten einen Grabpflegedienst beauftragen, dann handelt es sich in jedem Fall um abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten.

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