Wird der Erwerber eines mit einem Grundpfandrecht belasteten Grundstücks aus der Grundschuld in Anspruch genommen, ist er nicht befugt, Einreden aus dem Sicherungsvertrag zu erheben, wenn der Rückgewähranspruch nicht auf ihn übertragen worden ist.
(BGH, Urteil vom 19.10.2017 – IX ZR 79/16)
Fall nach NJW-RR 2018, 593 (vereinfacht)
Ein Man verstarb und hinterließ ein Grundstück, das wegen verschiedener Darlehen mit Grundschulden belastet war. Er hatte das Grundstück ein Jahr vor seinem Tod seiner Frau übertragen. Die Ehefrau schlug die Erbschaft nach dem Mann aus. Das Nachlassgericht ordnete eine Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben an und bestellte eine Nachlasspflegerin. Ihr gegenüber kündigte die Bank als Darlehens- und Grundschuldgläubigerin die gesamte Geschäftsverbindung aus wichtigem Grund. Dann wurde das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers eröffnet. Die Bank betrieb sodann die Zwangsversteigerung des Grundstücks aus der Grundschuld. Der neue Ehemann der Frau erhielt auf sein Meistgebot von 342.000 Euro den Zuschlag. Im gerichtlichen Verteilungsplan wurde bei einer Gesamtverteilungsmasse iHv 339.567 Euro angeordnet, dass die Bank für geleistete Vorschüsse 2000 Euro und auf die Grundschulden insgesamt 330.431 Euro und der Frau. auf eine in Abteilung III unter der laufenden Nr. 3 eingetragene Eigentümergrundschuld ein Betrag iHv 7136 Euro zugeteilt würden. Die Frau widersprach im Verteilungstermin dem Teilungsplan insoweit, als der Bank mehr als 145.841,23 Euro zugeteilt worden sind. Sie behauptet, die durch die Grundschulden gesicherten Darlehen seien nur noch in dieser Höhe valutiert. Die Frau hat gegen die beklagte Bankdarauf geklagt, die eingeleitete Zwangsversteigerung für unzulässig zu erklären, soweit der Bank ein Betrag von mehr als 145.841,23 Euro zugeteilt werden solle.
Das Urteil
Der BGH kam zum Ergebnis, dass die auf § 1191 BGB gestützte Zwangsvollstreckung der Bank insoweit für unzulässig erklärt werden, als der Bank ein Betrag von mehr als 145.841,23 Euro zugeteilt worden ist.
Als Anspruchsgrundlage für die Klage kam hier allein § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB in Betracht. Doch hat die Bank die Zuteilung des Erlösanteils durch das Vollstreckungsgericht, auch soweit die Grundschulden nicht mehr valutierten, nicht auf Kosten der klagenden Frau erlangt.
Bei den streitgegenständlichen Grundschulden handelte es sich um Sicherungsgrundschulden, welche die Ansprüche der Grundschuldgläubigerin/Bank auf Rückzahlung von Darlehen absicherten. Bestellt wurden die Grundschulden von dem verstorbenen Ehemann der Klägerin zu einem Zeitpunkt, als er noch Eigentümer des Grundstücks war. Ein Grundstückseigentümer, der Sicherungsgrundschulden bestellt, hat aus dem Sicherungsvertrag gegen den Sicherungsnehmer einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten schuldrechtlichen Anspruch auf Abtretung, auf Verzicht oder auf Aufhebung des nicht valutierten Teils der Grundschulden. Der Anspruch auf Rückgewähr nicht valutierter Teile einer Sicherungsgrundschuld begründet ein Widerspruchsrecht iSv § 115 ZVG und kann mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden.
Als nicht akzessorisches Recht steht die Grundschuld ihrem jeweiligen Gläubiger ohne Rücksicht darauf zu, ob eine durch die Grundschuld gesicherte Forderung besteht oder nicht. Für die Erlösverteilung ist grundsätzlich der Bestand des dinglichen Rechts maßgeblich. Erhält der Grundschuldgläubiger auf das dingliche Recht mehr als den Betrag der gesicherten Forderungen, so ist dieser Mehrbetrag an den Rückgewährberechtigten herauszugeben. Diesem gebührt der Übererlös, der aus der über den Sicherungszweck hinausgehenden dinglichen Belastung des Grundstücks entsteht.
Da vorliegend das Eigentum am Grundstück ohne die Rückgewähransprüche auf die Frau übergegangen, so ist sie, wenn sie aus den Grundschulden in Anspruch genommen wird, nicht befugt, Einreden aus dem Sicherungsvertrag zu erheben (vgl. BGHZ NJW 2003 2673), Die Rechte aus dem Sicherungsvertrag stehen allein dem verstorbenen Mann als Sicherungsgeber oder, wenn dieser seine Ansprüche vererbt hat, den Erben zu.
Der Auszahlung des hinterlegten Betrags an die Frau muss sich die Bank. schon deswegen widersetzen, weil sie sich gegenüber dem Sicherungsgeber oder einem Rechtsnachfolger oder dem Zessionar schadensersatzpflichtig macht, wenn sie die Grundschulden, soweit sie nicht mehr valutieren, statt an den Inhaber der Rückgewähransprüche an die Frau zurückgewährt, den darauf gerichteten Erlösanteil an diese auszahlt oder die Auszahlung des hinterlegten Betrags an die Frau nicht verhindert.
Denn sie verletzte dadurch ihre sich aus dem Sicherungsvertrag ergebenden Treuepflichten gegenüber dem Inhaber der Rückgewähransprüche (vgl. BGH, NJW 1989, 1732, 1733). Den Betrag, den die Bank aufgrund der Zwangsvollstreckung erhält, hat sie entsprechend der Sicherungsabrede zu verwenden. Einen Übererlös hat sie an den Inhaber der Rückgewähransprüche auszukehren, keinesfalls aber an den Grundstückseigentümer, der nicht Inhaber der Rückgewähransprüche ist.
Die Frau kann der Bank Einwendungen iSv § 767 Abs. 1 ZPO aus den durch die Grundschuld gesicherten Darlehensverhältnissen nicht entgegenhalten.
Beim Erwerb des Grundstücks vom Sicherungsgeber geht der Rückgewähranspruch nicht ohne Weiteres, sondern nur durch eine Mitübertragung auf den Erwerber über. Denkbar ist auch, dass der Erwerber mit Zustimmung des Sicherungsnehmers in den Sicherungsvertrag eintritt. Die aufgrund der zwischen dem verstorbenen Ehemann der Frau als Sicherungsgeber und der Bank als Sicherungsnehmerin geschlossenen Sicherungsverträge entstandenen Ansprüche auf Rückgewähr der Grundschulden sind weder aufgrund des Grundstücksübertragungsvertrags noch aus anderen Gründen auf die Frau übergegangen. Da die Frau die Erbschaft nach ihrem Ehemann ausgeschlagen hat, ist sie nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB) bezüglich der Rückgewähransprüche in dessen Rechtsstellung eingerückt. Ihr verstorbener Ehemann hat ihr die Ansprüche gegen die Bekl. auch nicht im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen, sie insbesondere nicht an sie abgetreten.
Unerheblich ist der Einwand der Frau es bleibe ein Übererlös, selbst wenn die Forderungen der Bank dem Vollstreckungserlös vollständig befriedigt würden. Ein solcher Übererlös stünde nämlich nicht der Frau, sondern sondern den (unbekannten) Erben des verstorbenen Ehemanns zu.