Höfeordnung: Landwirtschaftliches Sondererbrecht für Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg, Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen

Die Höfeordnung als landwirtschaftliches Sondererbrecht

1. Einführung

Die Höfeordnung ist ein Sondererbrecht für Bauernhöfe in den Bundesländern der ehemaligen britischen Besatzungszone Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg gilt. Nach der Höfeordnung geht der Hof allein auf den Hoferben über, der den sogenannten weichenden Erben eine Abfindung zahlen muss. Das übrige („hofesfreie“) Vermögen geht an die Erbengemeinschaft, zu der auch der Hoferbe gehört. Geschichtlich geht die Höfeordnung auf die Erbschaftsregelungen der Sachsen zurück, wonach der im Familienbesitz befindliche Bauernhof ungeteilt an den ältesten männlichen Erben gehen musste (Anerbenrecht). Das Anerbenrecht unterscheidet sich grundlegend von der in Süddeutschland früher praktizierten Realteilung.

Die der Höfeordnung unterliegenden Gehöfte weisen historisch eine Mindestgröße auf, die es einer Familie erlauben sollte, vom Hof ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Für weichende Erben legt die Höfeordnung Entschädigungssätze fest.  Ein Abweichen von der Höfeordnung ist heute problemlos möglich, erfordert aber, dass der entsprechende Grundbucheintrag vor dem Eintritt des Erbfalls vom Besitzer zur Löschung gebracht wird.

Historisch gesehen führte die Höfeordnung dazu, dass einerseits die Landwirtschaft in Norddeutschland über Jahrhunderte hinweg produktiver ablief als in Süddeutschland, andererseits viele zweit- oder drittgeborene Söhne aus Bauernfamilien aber als Knechte arbeiten oder ihr Glück in der Fremde suchen mussten. Umgekehrt zwang die z. T. extreme Parzellierung der landwirtschaftlichen Nutzfläche viele Bewohner Süddeutschlands, neben der Landwirtschaft nach Zuerwerbsmöglichkeiten zu suchen, so dass dort im 18. und 19. Jahrhundert eine große Zahl an arbeitsfähigen Menschen für die sich entwickelnde Industrialisierung vorhanden war.

Das ursprünglich zersplitterte Höferecht wurde 1933 durch das Reichserbhofgesetz vereinheitlicht. Mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 45 aus dem Jahr 1947 wurden das Reichserbhofgesetz aufgehoben und die ursprüngliche Rechtslage wiederhergestellt. Im selben Jahr erließ die Britische Militärregierung mit der Verordnung Nr. 84 die Höfeordnung als in der britischen Zone einheitliches Besatzungsrecht. Mit der Neufassung von 1976 ist die Höfeordnung vollständig in den Korpus nachkonstitutionellen Bundesrechts übergegangen. Sie gilt heute in Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.

In Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz existieren eigene landesgesetzliche Anerbenregelungen. Keine höferechtlichen Sonderregelungen existieren im Saarland, in Berlin und in den neuen Ländern sowie in Bayern, wo aber eine Anerbensitte in Form der lebzeitigen Hofübergabe weit verbreitet ist.

Ziel der HöfeO ist es, die Zerschlagung der landwirtschaftliche Besitzung im Erbgang zu verhindern. So solle einerseits der Übernehmer wirtschaftlich geschützt und andererseits “dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung ungeteilter, leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe im Erbgang“ Rechnung getragen werden.

Die heute geltenden Vorschriften sind in dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Höfeordnung vom 29. März 1976 (BGBl. I, S. 881) niedergelegt.

2. Voraussetzungen für die Anwendung der Höfeordnung

Gem. § 1 Abs. 1 HöfeO ist ein Hof ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb, der über eine zur Bewirtschaftung geeignete Hofstelle verfügt, dessen Wirtschaftswert mindestens EUR 10.000,00 beträgt und für den der Hofvermerk im Grundbuch eingetragen ist.

2.1 Hofstelle

Unter einer Hofstelle ist grundsätzlich eine Fläche zu verstehen, die mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden bebaut ist, von denen aus die zur Besitzung gehörenden Grundstücke bewirtschaftet werden können. Entscheidend ist dabei nicht, ob die zugehörigen Grundstücke von dort aus regelmäßig selbst bewirtschaftet werden oder verpachtet sind. Entscheidend ist, ob die Hofstelle als solche sich zu diesem Zweck eignet. „Geeignet“ ist eine Hofstelle dann, wenn sie eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der zum Hof gehörenden Ländereien ermöglicht. Die Beurteilung erfolgt stets im Verhältnis zu der tatsächlichen Nutzung der Flächen; diese kann naturgemäß unterschiedlich sein. Viehzucht wird die entsprechenden Stallungen benötigen, ein moderner Ackerbetrieb kann auch mit einem Wohnhaus als Hofstelle auskommen. Entscheidend für die Geeignetheit ist nicht der bauliche Zustand der Hofstelle oder die Verpflichtung, das „Bestmögliche“ aus dem Hof herauszuholen. Es reicht aus, wenn sie bisher zur Bewirtschaftung ausgereicht hat oder wenn eine Beseitigung der Unzulänglichkeit möglich ist und zu erwarten steht. So ist es sogar möglich, eine Hofstelle anzuerkennen, wenn zu dem Hof kein Wohnhaus gehört, sondern die Bewirtschaftung aus der Stadt heraus und dem dortigen Wohnsitz der Eigner bewirtschaftet wird. Ist somit die Geeignetheit einer Hofstelle festzustellen, so muss von den alten Vorstellungen das dort Stallungen und Unterstellmöglichkeiten für Maschinen und Fuhrpark vorhanden ist, Abstand genommen werden. Angepasst an die heutige Zeit und die technischen Möglichkeiten sind an eine Hofstelle geringe Anforderungen zu stellen, sodass je nach Art des Betriebes eine Landmaschinenhalle mit Büro als Betriebsstelle genügen kann, während die Wohnung des Betriebsinhabers anderswo liegt.  Die Hofeigenschaft wird durch eine Baulandentwicklung und des dadurch entstehenden Verlustes von Anbauflächen nicht negativ beeinflusst, da § 1 Abs. 1 HöfeO die Hofeigenschaft nicht von der Aussicht oder Erwartung abhängig macht, dass der Hof auch in absehbarer Zukunft landwirtschaftlich benutzt wird.

2.2 Wirtschaftswert

Die zweite Voraussetzung als Hof im Sinne der HöfeO zu bestehen, muss der Wirtschaftswert mindestens EUR 10.000,00 (geborene Höfe) beträgt (§ 1 HöfeO). Liegt der Wirtschaftswert zwischen EUR 5.000,00 und EUR 10.000,00 kann der Eigentümer eine sogenannte „Hoferklärung“ abgeben und den Hof damit den Bestimmungen der HöfeO unterwerfen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 HöfeO).

2.3 Hofvermerk im Grundbuch verhindert Wegfall der Hofeigenschaft nicht

Als dritte Voraussetzung muss ein Hofvermerk im Grundbuch (Abt. II) eingetragen sein. Der Hofvermerk ist nicht durch den öffentlichen Glauben des Grundbuches geschützt . Durch die Eintragung im Grundbuch wird lediglich die Vermutung begründet, dass es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne der HöfeO handelt. Die Hofeigenschaft kann aus tatsächlichen Gründen entfallen. Darunter fallen zum Beispiel der Wegfall der Hofstelle, die Nutzung der Wirtschafts- und Wohngebäude für andere als landwirtschaftliche Zwecke oder die Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung insgesamt. Das richtet sich nach dem Willen des Hofeigentümers. Hat er die Hofbewirtschaftung dauerhaft und endgültig aufgegeben und hat er diesen seinen Willen auch umgesetzt, entfällt die Hofeigenschaft kraft Gesetzes, ohne das es einer Löschung des Hofvermerkes im Grundbuch bedarf . Zwar kann der Betriebsinhaber durch Wiederaufnahme des landwirtschaftlichen Betriebes die Hofeigenschaft auch wieder herstellen, ist er jedoch nach endgültiger Betriebsaufgabe verstorben, lässt sich der Wegfall der Hofeigenschaft nachträglich nach seinem Tod nicht wieder rückgängig machen .

Die Geltung des Anerbenrechtes ist fakultativ und nicht zwingend. Es obliegt dem Hofeigentümer darüber zu entscheiden, ob der den Hof dem Anerbenrecht unterstellen will oder dem Landgut-Erbrecht des BGB. Er kann somit, wenn er einen Hof hat, der die Voraussetzungen der HöfeO erfüllt und somit in das Höferecht quasi hinein geboren ist, durch rechtsgeschäftliche Erklärung den Hofvermerk im Grundbuch löschen lassen. Der Löschungsantrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beglaubigung und ist gegenüber dem Landwirtschaftsgerichtzu erklären (§ 4 Abs. 2 HöfeVfO). Der Antrag auf Löschung durch den Hofinhaber ist jederzeit möglich. Diese Wahlmöglichkeit verliert der Hofinhaber auch nicht, wenn er bereits einen Hoferben bestimmt hat. Will der zukünftige Hoferbe absolute Sicherheit hinsichtlich seiner zukünftigen Stellung erlangen, wird er nur durch einen Erb- oder Hofübergabevertrag geschützt.

3. Eigentumsformen als Hofvoraussetzung

Nach der HöfeO kann ein Hof, soll er privilegiert nach der HöfeO vererbt werden, nur im Alleineigentum einer natürlichen Person, im gemeinschaftlichen Eigentum von Ehegatten (Ehegattenhof) stehen oder zum Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gehören. Damit sind juristische Personen als Rechtsträger eines Anerbenhofes ebenso unmöglich wie Erbengemeinschaften .

3.1 Natürliche Person

Der Hof muss im Alleineigentum einer natürlichen Person stehen. Treuhandverhältnisse sind unter dem Aspekt der Rechtssicherheit abzulehnen . Entscheidend ist, wer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Diese Voraussetzungen schließen nicht aus, dass der Hof als Betriebseinheit teilweise auch Dritten gehört (angepachtete Grundstücke).

3.2 Ehegattenhof

Voraussetzung für einen Ehegattenhof ist Gesamthandseigentum beider Ehegatten (§ 8 HöfeO). In diesem Fall fällt der Anteil des Erblassers beim Ableben dem überlebenden Ehegatten als Hoferben zu. Das gemeinschaftliche Eigentum kann entweder in Form des Gesamthandseigentums einer Gütergemeinschaft, BGB-Gesellschaft oder Erbengemeinschaft oder in Form von Miteigentum nach Bruchteilen vorliegen. Der Ehegattenerbhof unterliegt nicht der Anerbenfolge, sondern allein der vorstehenden Erbfolge nach der HöfeO. § 8 HöfeO ist nicht durch Verträge abdingbar. Der überlebende Ehegatte wird Alleineigentümer des Gesamthofes auch dann, wenn gemeinschaftliche Kinder als Angehörige der ersten Hoferbenordnung vorhanden sind. Dabei ist es unerheblich, von welchem Ehegatten der Hof ursprünglich stammt. Durch letztwillige Verfügung können sich die Ehegatten nur als Vollerben einsetzen. Die Ehegatten können einen Dritten gem. § 8 Abs. 2 HöfeO nur gemeinschaftlich als Hoferben bestimmen und eine solche Bestimmung auch nur gemeinschaftlich wieder aufheben. Liegt keine gemeinsame Bestimmung vor, kann der überlebende Ehegatte einen Hoferben alleine bestimmen. Wann der Hof zum Ehegattenhof geworden ist, ist für die Rechtsfolge aus § 8 HöfeO unerheblich. Abfindungsansprüche der weichenden Erben sind von dem überlebenden Ehegatten als alleinigen Hofinhaber zu erfüllen.

4. Hofweitergabe

Die Weitergabe eines Hofes erfolgt entweder durch gesetzliche Erbfolge gem. § 4 HöfeO, durch Bestimmung des Hoferben mittels Verfügung von Todes wegen im Rahmen testamentarischer Bestimmung oder im Wege vorweggenommener Erbfolge durch Übergabevertrag (§ 7 Abs. 1 Satz 1 HöfeO). Damit stellt die HöfeO ausdrücklich die Testierfreiheit des Hofeigentümers fest. Die testamentarische Bestimmung des Hoferben hat Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge nach der HöfeO. Die HöfeO sieht im Gegensatz zu den Grundsätzen des BGB eine höferechtliche Nachlassspaltung in § 4 HöfeO vor, so dass der Hof nicht als Teil des gesamten Nachlass auf die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergeht. Damit zerfällt der Nachlass in zwei eigenständige Teile bzw. eigenständige Nachlässe, nämlich in den vom sonstigen Nachlass abgespaltenen Hof, der im Wege einer Sondererbnachfolge auf den sogenannten Hoferben, einen natürliche Person, übergeht, während das hofesfreie Vermögen sich nach den Regeln des allgemeinen Erbrechtes des BGB vererbt wird. Dies hat zur Folge, dass der Hoferbe ebenfalls gesetzlicher Miterbe des hoffreien Vermögens ist. Ist dies nicht gewollt, so muss der Hofinhaber von seiner Testierfreiheit Gebrauch machen, oder aber den Hof vor seinem Tod durch Übergabevertrag weitergeben.

4.1 Gesetzliche Erbfolge

Die HöfeO regelt die Rangfolge der gesetzlichen Erben abweichend vom BGB. Zu der 1. Hoferbenordnung gehören die Kinder des Hofinhabers und deren Abkömmlinge. Die 2. Hoferbenordnung bildet der Ehegatte. Die 3. Hoferbenordnung bilden die Eltern des Erblassers, allerdings nur, wenn der Hof von ihnen oder aus ihren Familien stammt oder mit ihren Mitteln erworben ist. Die 4. Hoferbenordnung bilden die Geschwister des Erblassers.
Damit ist festgelegt, dass Hoferbe in erster Linie ein Abkömmling des Hofinhabers ist.

Fehlt die ausdrückliche Bestimmung des Hoferben durch den Hofinhaber so richtet sich gem. § 6 Abs. 1 HöfeO die Auswahl des Hoferben, wenn z.B. mehrere Erben der 1. Hoferbenordnung vorhanden sind, nach folgenden Kriterien: Hoferbe wird dann

  • der Nachkomme, dem der Erblasser die Bewirtschaftung des Hofes auf Dauer übertragen hat.
  • derjenige Nachkomme, den der Erblasser durch Ausbildung oder durch Art und Umfang der Beschäftigung auf dem Hofe mittelbar zur Übernahme bestimmt hat.
  • Nach Ältesten- bzw. Jüngstenrecht

4.2 Wirtschaftsfähigkeit

Weitere Voraussetzung ist die Wirtschaftsfähigkeit des zukünftigen Hofübernehmers (§ 6 Abs. 6 HöfeO). Wirtschaftsfähig ist nach § 6 Abs. 7 der HöfeO, wer nach seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten, nach seinen Kenntnissen und seiner Persönlichkeit in der Lage ist, den Hof selbstständig ordnungsgemäß zu bewirtschaften. Ein mangelndes Alter schränkt dabei die Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben nicht ein. Der Gesetzgeber hat Wirtschaftsfähigkeit als Voraussetzung für den Hoferben gewählt, um zu verhindern, dass der höferechtliche Zweck von Anfang an verfehlt wird, in dem der Hof einem Miterben anfällt, der die Bewirtschaftung des Betriebes von vornherein nicht führen kann. Wirtschaftsfähigkeit bedeutet die Möglichkeit, die Fortführung der Bewirtschaftung des Hofes zu sichern. Zum Zeitpunkt der Übergabe des Hofes muss diese Grundlage vorhanden sein.

5 Schutz der weichenden Erben

5.1 § 12 HöfeO

Der Erwerb durch vorweggenommene Erbfolge oder durch testamentarische Verfügung verpflichtet den Übernehmer durch das Gesetz (HöfeO) lediglich zu einem Abfindungsanspruch gegenüber den weichenden Erben gem. § 12 Abs. 1 HöfeO, es sei denn, der Übergeber oder Erblasser hat anderweitige Regelung im Übergabevertrag oder der Verfügung von Todes wegen getroffen.

Anspruchsberechtigt sind alle Miterben, die nicht Hoferben geworden sind. Damit sind diejenigen gesetzlichen Erben des Hofeigentümers gemeint, denen bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge nach allgemeinem Recht der Gesamtnachlass einschließlich des Hofes angefallen wäre. Im Allgemeinen somit als erstes die weiteren Nachkommen des Hofeigentümers, sowie sein Ehegatte. Wer sein gesetzliches Erbrecht aus diesem Kreis zum Zeitpunkt des Hoferbfalles verloren hat, z.B. durch Erbverzichtsvertrag, hat keinen Abfindungsanspruch. Eine Erweiterung der vorgenannten Abfindungsberechtigten findet durch § 12 Abs. 10 HöfeO statt.

Die Höhe der Abfindungsansprüche berechnet sich nach dem Hofeswert. Der Hofeswert wiederum bemisst sich nach dem 1 1/2 fachen des zuletzt festgesetzten Einheitswertes (§ 12 Abs. 2 HöfeO in Verbindung mit § 48 BewG). Dieser Wert ist um die Verbindlichkeiten des Hofes zu bereinigen, jedoch nur bis zur Höhe von 2/3 des Hofeswertes, sodass für die weichenden Erben mindestens 1/3 des Hofeswertes zur Verteilung zur Verfügung stehen.

Die Rechtsprechung hat die erhebliche, wertmäßige Diskrepanz zwischen Einheitswert und sonst im Erbrecht gefordertem Verkehrswert erkannt und versucht durch Berechnungsmodalitäten sowie in Abständen zu erfolgender Neufestsetzung des Einheitswertes, die daraus resultierende erhebliche Schlechterstellung der weichenden Erben zu mildern. So hat der BGH in seiner Entscheidung vom 17.11.2000 festgestellt,

„der Umstand, dass die nach § 21 Abs. 1 BewG in regelmäßigen Zeitabständen von 6 Jahren vorzunehmende Hauptfeststellung des Einheitswertes seit dem Inkrafttreten der Neufassung der HöfeO im Jahre 1976 unterblieben ist, hat zur Folge, dass die an die Einheitswertfestsetzung geknüpfte Abfindungsregelung des § 12 HöfeO lückenhaft ist, soweit sich die seinerzeit zugrunde gelegte Werterelation zwischen Einheits- und Ertragswert des Hofes in Folge der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse erheblich verschoben hat. Diese Lücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 3 HöfeO zu schließen.“

Es wird weiter ausgeführt, dass anstelle der alten steuerlichen Einheitswerte bei der Bewertung des Hofes auf die Grundlage der seit 1996 eingeführten Vorschriften über den Bereich der Erbschafts- und Grundsteuer gem. der §§ 138 ff. BewG zurückgegriffen werden sollte. Durch die geänderte Rechtsprechung des BGH wurde eine bereits vorhandene Diskussion in der Literatur fortgesetzt, obwohl der vom BGH in der oben genannten Entscheidung vorgeschlagene Weg zur Berechnung eines neuen angemessenen Hofeswertes erhebliche Diskussionen auslöste. So ist die Praxis gut beraten, mit den Beteiligten eines Abfindungsverfahrens möglichst eine einvernehmliche Lösung zu finden, da die Durchführung des Verfahrens erhebliche Schwierigkeiten und Kosten bedeutet. Zusätzlich zum Hofeswert können unabhängig von der Wertfeststellung Zu- und Abschläge gem. § 12 Abs. 2 Satz 3 HöfeO vorgenommen werden. Hier kommen z.B. ein erheblicher Wert der Hofgebäude oder der Hof zugehörigen Grundstücke, die nach ihrer Lage oder Beschaffenheit z.B. Bauerwartungsland sind, zum Tragen .

Um den vorstehenden Schwierigkeiten zu entgehen, tut der Hofeigentümer gut daran, Abfindungsansprüche entweder im Hofübergabevertrag oder in der testamentarischen Verfügung zu regeln. Dabei ist der Übergeber / Erblasser im Wesentlichen frei. Er muss nur den gesetzlichen Abfindungsanspruch als Mindestwert (1/3 des Hofeswertes als Bemessungsgrundlage für die Abfindung) sowie bezüglich der Höhe § 16 Abs.1 S.1 HöfeO (wirtschaftlich tragbare Bedingungen) beachten.

Als Abfindungsberechtigte wurden die gesetzlichen Miterben, die dem Hoferben aufgrund der Sondererbfolge weichen müssten, bereits benannt. Die Quote des einzelnen weichenden Erben richtet sich nach dem allgemeinen Erbrecht des BGB und ist damit von dem Güterstand abhängig, in welchem der Erblasser gelebt hat. Auf den Abfindungsanspruch hat sich jeder Miterbe dasjenige anrechnen zu lassen, was er vor dem Erbfall als Abfindung aus dem Hof erhalten hat. Grundsätzlich gelten für die Ausgleichung die Regelungen der §§ 2050 ff. BGB .

5.2 Sonderansprüche der weichenden Erben

Neben den Abfindungsansprüchen nach § 12 HöfeO gewährt die HöfeO den weichenden Erben Sonderansprüche. 

5.2.1 Minderjährigenansprüche

Minderjährige Erben können gegen den Anerben Ansprüche auf Einsitz, Unterhalt, Ausbildung und Aussteuer haben (z.B. § 12 Abs. 6 Satz 2 HöfeO). Diese Leistungen sind auf die bis zur Volljährigkeit gestundete allgemeine Abfindung anzurechnen.

5.2.2 Nachabfindungsansprüche

Es wurde bereits festgellt, dass das Sondererbrecht der Landwirtschaft unter anderem mit der HöfeO den Zweck verfolgt, die ihm unterliegenden Betriebseinheiten beim Übergang auf die nächste Generation zu erhalten. Dieses Erbprivileg kann aber nur so lange seine Berechtigung finden, solange der Hof als solcher weitergeführt wird. Fällt der höferechtliche Zweck nachträglich weg, z.B. wegen Veräußerung oder nicht landwirtschaftlicher Nutzung des Hofes oder von Hofesteilen, so garantiert das Gesetz einen Ausgleich für die weichenden Erben. Durch § 13 HöfeO wird der Hoferbe verpflichtet, die Vorteile auszugleichen, die er zuvor durch die Privilegierung aus dem Anerbenrecht nun nach Wegfall des höferechtlichen Zweckes ungerechtfertigt erhalten hat. Der Rechtfertigungsgrund für die Bevorzugung entfällt gem. § 13 HöfeO sozusagen rückwirkend, wenn der Hoferbe „innerhalb von 20 Jahren den landwirtschaftlichen Betrieb oder wesentliche Teile veräußert, ohne den Erlös in den Betrieb zu investieren.“ In diesem Fall entstehen weitergehende Abfindungsansprüche für die aus § 12 HöfeO Berechtigten. Gem. § 13 HöfeO werden die sog. Nachabfindungsansprüche dann ausgelöst, wenn

  • der Hoferbe den Hof insgesamt veräußert
  • einzelne Hofgrundstücke veräußert
  • den Hof in seiner Sachgesamtheit in eine BGB-Gesellschaft einbringt (nur bei Einbringung des Hofes zur gesamten Hand)
  • wesentliches Hofeszubehör (totes oder lebendiges Inventar) veräußert (keine Nachabfindungsansprüche bei Veräußerung entsprechend einer ordnungsgemäßen Wirtschaft)
  • eine hochwertigere als eine landwirtschaftliche Nutzung erzielt (z.B. Ausbeutung von Bodenschätzen, Bestellung von Erbbaurechten, Nutzung als Golfplatz)
  • Ersatzbetriebe, Ersatzgrundstücke und anderes veräußert oder verwertet werden

Wird ohne Einstellung des landwirtschaftlichen Betriebes oder ohne eines Abverkaufes nur der Hofvermerk im Grundbuch gelöscht, löst dieser Akt keinen Abfindungsanspruch aus. Die Berechnung des Abfindungsanspruches nach § 13 HöfeO hat als Berechnungsgrundlage den durch die Veräußerung erzielten Erlös. Dabei sind die durch die Veräußerung verursachten Kosten und Steuern in Abzug zubringen .

Um jedoch die Arbeitskraft des Hoferben und seiner Familie zu würdigen, die diese in den Hof investiert haben, sieht die HöfeO in § 13 Abs. 5 Satz 5 eine Staffelung bei Veräußerung nach erheblichem Zeitablauf ab Übernahme dergestalt vor, dass vom Erlös 1/4 dem Hofnachfolger anzurechnen sind, wenn die Veräußerung oder Verwertung später als 10 Jahre erfolgt, die Hälfte des Erlöses, wenn sie später als 15 Jahre eintritt. Den weichenden Erben steht der Abfindungsanspruch entsprechend ihrer gesetzlichen Erbquoten zu. Bereits erhaltene Abfindungen auch solche gem. § 12 HöfeO sind auf den Abfindungsanspruch anzurechnen. Dies gilt auch für Altenteilsleistungen.

Reinvestiert der Hoferbe den Erlös innerhalb von 2 Jahren nach Verkauf durch Ankauf von Ersatzbetrieben oder Ersatzflächen, entsteht kein Abfindungsanspruch für die weichenden Erben. Diese Privilegierung des Hoferben in § 13 Abs. 2 Satz 1 HöfeO kann der Hofübergeber im Wege der vorweggenommenen Erbfolge in einem Übergabevertrag unter Mitwirkung der weichenden Erben anderweitig regeln.

Besteht ein Abfindungsanspruch, hat der weichende Erbe ein Auskunftsrecht gegenüber dem Hoferben (§ 13 Abs. 10 HöfeO). Der Auskunftsanspruch kann im Wege der Stufenklage gem. § 254 ZPO geltend gemacht werden. Zuständig ist das Landwirtschaftsgericht (§ 1 Nr. 5 LwVG). Der Anspruch verjährt nach 3 Jahren. Der Verjährungsbeginn ist an die Kenntnis des Berechtigten von den Voraussetzungen des Anspruchs geknüpft.

Der Nachabfindungsanspruch der weichenden Erben nach § 13 HöfeO kann durch testamentarische Verfügung nicht ausgeschlossen werden. Der Erblasser ist allerdings in seiner Testierfreiheit insoweit nicht gehindert, als er die Abkömmlinge Ehegatten und Eltern auf den Pflichtteil setzen kann. Da dadurch der so Enterbte kein Erbe im Sinne von § 13 HöfeO ist, muss er sich mit der Hälfte dessen zufrieden geben, was ihm als Miterbe zustünde .
Sollen Abfindungsansprüche nach § 13 HöfeO wirksam ausgeschlossen werden, kann dies nur in einem Erb- oder Pflichtteilsverzicht mit den weichenden Erben in notarieller Form geregelt werden.

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