Was wollte der Erblasser wirklich? Die Andeutungstheorie im Erbrecht
Wenn ein Testament mehrere Deutungen zulässt, wird es spannend: Welche Auslegung gilt? Der Schlüssel liegt oft in der sogenannten Andeutungstheorie. Eine gefundene Auslegung ist nur wirksam, wenn sie im Testament zumindest schriftlich angedeutet ist. Es gilt ja das Schriftformerfordernis für die Gültigkeit eines Testaments. Was gewollt ist muss, damit es im Testament wirksam verfügt ist in Schriftform, also im Testamentstext, zumindest angedeutet sein.
✍️ I. Was sagt das Gesetz?
Nach § 2084 BGB gilt: „Lässt eine letztwillige Verfügung verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu, ist diejenige vorzuziehen, bei der die Verfügung Erfolg haben kann.“
Doch das heißt nicht, dass man dem Testament jeden erdenklichen Sinn unterstellen darf. Die Auslegung muss sich am Text orientieren – und genau hier kommt die Andeutungstheorie ins Spiel.
🤝 II. Was ist die Andeutungstheorie?
Die Andeutungstheorie verlangt, dass sich der ermittelte Wille irgendwie im Testament wiederfinden lässt – auch wenn nur unvollkommen, versteckt oder angedeutet.
„Es reicht ein Anhaltspunkt in der Urkunde, der den wahren Willen stützt.“
Die Theorie dient also als Kontrollinstrument, um reine Spekulation vom tatsächlich Gewollten zu trennen.
✉️ III. Ohne Form kein Wille
Ein Testament muss formwirksam sein. Nur dann darf es überhaupt ausgelegt werden. Die Andeutungstheorie ersetzt keine Formvorschrift – ein formunwirksames Testament bleibt nichtig, ganz gleich, wie klar der Wille erscheinen mag.
„Formfehler lassen sich durch Auslegung nicht heilen.“
🔎 IV. Was, wenn der Erblasser sich falsch ausdrückt?
Die Andeutungstheorie steht nicht im Widerspruch zur Regel „falsa demonstratio non nocet“. Wenn also der Erblasser falsch bezeichnet, aber eindeutig meint, was er meint, schadet das nicht – solange dies aus seiner Sicht klar war.
💡 V. Wo finden sich Andeutungen?
Der Wille kann sich in vielen Details zeigen:
- in bestimmten Worten oder Sprachgewohnheiten,
- im Textzusammenhang des Testaments,
- in früheren Erklärungen von Todes wegen des Erblassers, die zur Auslegung herangezogen werden dürfen
- in seinem Bildungsstand, den Vermögensverhältnissen oder denen der Bedachten,
- in der Verteilung konkreter Gegenstände,
- aber nicht in Umständen, die nach Testamentserrichtung entstanden sind – es sei denn, sie waren erkennbar vorausgesehen.
📊 VI. Was muss das Gericht prüfen?
Das Gericht muss zunächst den Erblasserwillen ermitteln und dann kontrollieren, ob dieser ausreichend in der Testamentsurkunde angedeutet ist.
„Eine Beweisaufnahme ist sinnlos, wenn der Wille keine Stütze im Text hat.“
🔧 VII. Fazit
Die Andeutungstheorie ist ein unverzichtbares Werkzeug in der Testamentsauslegung. Sie schafft die Brücke zwischen dem subjektiven Erblasserwillen und dem, was schriftlich niedergelegt ist. Dabei gilt: Kein Wille ohne Form – und keine Auslegung ohne Anhaltspunkt.