Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz – Radolfzell – Villingen – Rottweil.
Gleichzeitiges Versterben von Ehegatten im Testament und die steuerrechtlichen Auswirkungen
Ist in einem Ehegatten-Testament vom „gleichzeitigen Tod“ oder „gleichzeitigen Versterben“ die Rede ist damit sicherlich der Fall erfasst, dass die Eheleute wirklich (ausnahmsweise) gleichzeitig sterben (also in derselben Sekunde) oder, dass nicht festgestellt werden kann, wer von beiden nach einem Unfall zuerst gestorben ist. Dann wird nämlich die Gleichzeitigkeit des Versterbens vom Gesetz vermutet. Bei solchem – sehr seltenen – gleichzeitigen Versterben, können sich die Ehegatten nicht gegenseitig beerben; denn man muss mindestes eine Sekunde länger gelebt haben, wenn man Erbe des anderen werden will oder soll. Wenn dann die Kinder als Erben für den Fall des gleichzeitigen Versterbens eingesetzt sind, geht jedes Vermögen der beiden Erblasser direkt auf die Kinder mit ihren Freibeträgen von jeweils 400.000 Euro nach jedem Elternteil über. Der steuernachteilige Umweg über den längerlebenden Ehegatten mit der Anhäufung beider Vermögen in einer Hand wird vermieden.
Auslegung der Katastrophenklausel bei Kurz-Nacheinander-Sterben
Ist in einem Ehegattentestament die Erbfolge bei gleichzeitigem Versterben geregelt, kann eine solche Klausel zum gleichzeitigen Versterben aber auch dahin auszulegen sein, dass sie auch gelten soll, wenn die Ehegatten kurz nacheinander sterben. Dann sind die eingesetzten Erben Nacherben des Erstversterbenden und unmittelbare Erben des Überlebenden. So hat das OLG Stuttgart (Beschluss vom 29.12.1993 – 8 W 583/92) in einem Fall entschieden. Daraus folgt aber, dass in solchen Fällen des Kurz-Hintereinander-Versterbens beim Tod des Erstversterbenden immer zuerst Vorerbfolge des überleben Ehegatten vorliegt und dann nach seinem Tod die Kinder Nacherben werden. Zusätzlich erhalten sie noch das Vermögen des überlebendene Ehegatten als direkte Erben.
Erbschaftsteuer
Das Erbschaftsteuerrecht orientiert sich am Zivilrecht. Damit gilt also auch für das Erbschaftsteurrecht, dass der auch nur um eine Sekunde länger lebende Ehegatte Vorerbe des erstversterbenden Ehegatten wird. Als Vorerbe hat der überlebende Ehegatte die Vorerbschaft zu versteuern. Verstirbt dann auch der überlebende Ehegatte tritt der Nacherbfall hinsichtlich dieser Vorerbschaft ein und die gemeinsam Kinder haben als Nacherben diese Erbschaft (die zivilrechtlich vom erstverstorbenen Ehegatten stammt) zu versteuern. Zu beachten ist, dass hier das Erbschaftsteuerrecht „unlogisch“ wird. Der Erwerb der Nacherben ist nach dem Steuerrecht plötzlich als vom Vorerben (also vom überlebenden Ehegatten) stammend zu versteuern. Da die Nacherben (zivilrechtlich des erstverstorbenen Ehegatten) regelmäßig zugleich Vollerben des Vorerben-Ehegatten sind, wird für beide Erbschaften (Nacherbschaft nach dem Erstverstorbenen + Erbschaft nach dem überlebenden Ehegatten) der Freibetrag der Nacherben/Vollerben (bei Kindern) nur einmal gewährt. Nur die Steuerklasse wird grundsätzlich getrennt behandelt, ist aber bei Eltern gleich (Erbschaftsteuerklasse I). Im Ergebnis haben wir steuerlich genau die gleichen Folgen wie bei einem Berliner Testament mit Voll- und Schlusserbschaft (Einheitstheorie). Es geht also ein Freibetrag von 400.000 Euro nach dem erstversterbenden Elternteil verloren.
Die Auffassung, dass durch die Gleichzeitige-Versterbens-Klausel der Steuerfreibetrag zwei mal gewährt würde, ist also falsch.
Es bleibt nur die allgemeine Steuervergünstigung nach § 27 ErbStG für die Fälle, in denen Vermögen Personen der Steuerklasse I innerhalb von zehn Jahren mehrfach anfällt. Diese Vergünstigung wird aber auch bei einem Berliner Testament gewährt.