Gegenstandswert bei der steckengebliebenen Stufenklage, erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht.

I. Stufenklage im Pflichtteilsrecht

Die Stufenklage im Pflichtteilsrecht ist eigentlich eine tolle Sache. Der Kläger klagt sozusagen ein mehrstufiges Programm in Stufenfolge ein, nämlich

  • auf der ersten Stufe auf Auskunft über den Nachlass durch ein privates oder notarielles Nachlassverzeichnis,
  • auf der zweiten Stufe auf die die Bewertung des Nachlasses durch einen Sachverständigen
  • auf der dritten Stufe auf Zahlung des Pflichtteils, der sich aus der Auskunft und der Bewertung ergibt.

Grundsätzlich ist es eine tolle Sache, dass das möglich ist. Man packt sozusagen drei Prozesse in einen, die nacheinander abgehandelt werden und gleichzeitig hemmt man die Verjährung der Pflichtteilsschuld. Naja das ist die Theorie, die die Rechnung ohne die Notare gemacht hat, die wenig Lust haben notarielle Nachlassverzeichnisse zu erstellen, so dass sich viele ihrer Zunft ein oder zwei Jahre mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses Zeit lassen. Du hast also das Teilurteil auf der ersten Stufe, aber der Notar macht nichts. Du musst Zwangsgeldfestsetzung verlangen, sonst verjährt Dir der Zahlungsanspruch zwischen den Stufen (Also liebe Notare sehr mal, was ihr da anrichtet!).

Ein weiteres Problem praktischer Art ist, dass der Pflichtteilsschuldner und sein Anwalt nach der ersten Stufe in Bewegung kommen und den Pflichtteil berechnen und bezahlen, bevor das auf der dritten Stufe (der sog. Zahlungsstufe) ausgeurteilt wurde. Es kann sich aus der Auskunft und den Bewertungen auch ergeben dass kein Pflichtteilsanspruch bestehe oder ein geringerer als vom Kläger gedacht. Das nennt man dann „steckengebliebene“ Stufenklage. Hier ist es schwierig zu beurteilen, was denn nun der Gegenstandswert der Klage ist und wie die Kosten festzusetzen sind.

II. Wesen

Bei einer Stufenklage werden mehrere Klageanträge gleichzeitig gestellt. Regelmäßig auf der ersten Stufe der Antrag auf Auskunft oder Rechnungslegung und auf der zweiten Stufe der Antrag auf Zahlung (Es braucht also mindestens zweier Stufen, nämlich der Auskunfts- und der Leistungsstufe). Gegebenenfalls kommen noch weitere Anträge z.B. auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, der Bewertung durch Sachverständigengutachten hinzu. Die Einzelnen Stufen werden nebeneinander geltend gemacht (objektive Klagehäufung).. Daraus folgt, dass die Zahlungsstufe, obwohl noch nicht beziffert, bereits rechtshängig ist.

III. Gegenstandswert

Der Gegenstandswert der Stufenklage wird nicht durch Addition der einzelnen Stufenwerte ermittelt. Der Gegenstandswert der Stufenklage richtet sich nach dem Wert der höchsten Stufe.

IV. Vorläufige Wertfestsetzung

Das Gericht muss wegen der Vorauszahlung der 3,0-Gerichtsgebühr den Gegenstandswert für die gesamte Stufenklage festsetzen. Es gibt ja ohnehin nur einen Gegenstandswert für die Stufenklage insgesamt und nicht für die einzelnen Stufen. Dazu muss der Kläger den Wert des Leistungsantrags schätzen. Maßgebend ist also die Erwartungshaltung des Klägers, die sich z.B aus dem vorgerichtlichen Schriftverkehr der Parteien ergeben kann. Hat der Kläger überhaupt keinen Anhaltspunkt muss er dennoch schätzen und zur Not auf den Auffangwert von derzeit 5.000 Euro zurückgreifen. Die Streitwertangabe kann jederzeit bis zum Abschluss des Verfahrens berichtigt werden, § 61 S. 2 GKG. Nach Abschluss des Verfahrens können streitwertrelevante Erklärungen allerdings nicht mehr nachgeschoben werden..

V. Endgültige Wertfestsetzung

Liegt der Klageantrag auf der Zahlungsstufe höher als der vorläufige Gegenstandswert, wird damit auch der höhere Gegenstandswert beziffert (durch Klageerweiterung).

Achtung: Bei einer später erfolgenden und gegenüber der vorläufigen Wertfestsetzung geringeren Bezifferung bleibt es bei der ursprünglichen Erwartung und es liegt eine teilweise Klagerücknahme mit der entsprechenden Kostenfolge vor.

VI. Steckengebliebene Stufenklage

Der vorläufige Gegenstandswert gilt auch dann, wenn es gar nicht mehr zur Zahlungsstufe kommt, weil sich die Sache bspw. vorher erledigt hat oder die Klage vor Bezifferung zurückgenommen wird.

VI. Sonderfälle

Hatte der Kläger überhaupt keine Anknüpfungspunkte für den Streitwert, kann auf spätere Erkenntnisse abgestellt werden (siehe OLG München NJW 2023, 3245).

VII. Endgültige Wertfestsetzung

Eine endgültige Wertfestsetzung ist erst zulässig, wenn über das Verfahren endgültig entschieden ist oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat, § 63 Abs. 2 S. 1 GKG.

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