Müssen wir unser Haus verkaufen, weil wir den Eigenanteil an den Heimkosten nicht mehr finanziell schultern können? Verhindert das selbstgenutzte Familienheim die Gewährung von Sozialhilfe?
Grundsatz
✅ Ja, grundsätzlich wird selbstgenutztes Wohneigentum auf die Sozialhilfe angerechnet!
Dies ergibt sich aus § 90 SGB XII. Eine Ausnahme besteht jedoch für ein „angemessenes Hausgrundstück“ nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII.
Was gilt als „angemessenes“ Wohneigentum?
🏠 Einfamilienhaus:
- Maximale Wohnfläche: 90 m²
- Maximale Grundstücksgröße: 500 m² (auch im ländlichen Raum, vgl. OVG Münster, Beschluss vom 12.09.2011 – 12 A 199/11 S)
🏢 Eigentumswohnung:
- Maximale Wohnfläche: 80 m²
👉 Angemessenes Wohneigentum gilt als „Schonvermögen“ und wird nicht auf die Sozialhilfe angerechnet.
Großer Wohnraum ist Vermögen!
📌 Wenn die zulässige Wohnfläche überschritten wird, ist das Wohneigentum unangemessen und wird wie Vermögen behandelt. Dies bedeutet, dass es für die Sozialhilfe eingesetzt werden muss.
📜 Rechtsprechung dazu:
- LSG NRW, Urteil vom 05.05.2014 – L 20 SO 58/13 Eine Überschreitung der angemessenen Wohnfläche um bis zu ein Drittel kann in Ausnahmefällen zulässig sein.
- OVG NRW, Urteil vom 15.12.2015 – 12 A 1033/14: Eine ähnliche Auffassung.
- OLG Hamm, Beschluss vom 10.10.2014 – 9 W 34/14: Strengere Sichtweise, nach der bereits 100 m² als unangemessen gelten. Nur 70 m² seien angemessen.
Was passiert, wenn ein Ehegatte ins Pflegeheim zieht?
🤔 Frage: Kann das Haus für den verbleibenden Ehepartner zu groß sein?
✅ Antwort: Ja! Nach VG Münster, Urteil vom 20.07.2005 – 5 K 4687/03 gilt der Verlust des Zuhauses für den verbleibenden Ehepartner nicht als sozialhilferechtliche Härte. Diese Vorschriften sollen nur den vollstationär untergebrachten Ehegatten schützen.
👉 Bestätigung durch: VG Münster, Urteil vom 17.11.2009 – 6 K 1782/08: Der Verlust des Hauses ist eine typische Folge eines Heimaufenthalts und daher keine besondere Härte.
Verkauf des großen Hauses – Kauf einer kleineren Eigentumswohnung?
🤔 Frage: Darf der Verkaufserlös für eine kleinere, angemessene Wohnung genutzt werden, ohne dass er angerechnet wird?
❌ Antwort: Nein! Der Verkaufserlös zählt als Vermögen und muss für die Sozialhilfe verwendet werden.
📜 Rechtsprechung dazu:
- BGH, Beschluss vom 31.10.2007 – XII ZB 55/0: Eine solche Umwandlung ist keine zulässige Gestaltungsmöglichkeit.
- SG Detmold, Urteil vom 26.06.2008 – S 6 SO 62/07: Der Erlös aus dem Verkauf bleibt anzurechnendes Vermögen.
- Hessisches LSG, Urteil vom 26.01.2009 – L 9 SO 48/07: Abweichende Ansicht – doch die Mehrheit der Gerichte sieht es anders.
Haften die Erben bei „angemessenem“ Hausgrundstück?
📌 Beispielfall:
- Ehemann zieht nach Schlaganfall ins Pflegeheim.
- Ehefrau und Kinder bleiben im Familienhaus (Schonvermögen).
- Nach dem Tod des Ehemannes will das Sozialamt über die Erbenhaftung (§ 102 SGB XII) auf seinen Anteil am Haus zugreifen.
✅ Antwort: Das Sozialamt darf zugreifen!
📜 LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.12.2010 – L 2 SO 5548/08:
- Schonvermögen besteht nur zu Lebzeiten des Pflegebedürftigen.
- Nach dessen Tod haften die Erben mit dem Anteil des Verstorbenen für die angefallenen Sozialhilfekosten.
- Ausnahme: Die verbliebene Ehefrau ist selbst Sozialhilfeempfängerin, dann bleibt das Haus für sie geschützt.
Rückforderung einer Schenkung wegen Verarmung
📌 Beispielfall:
- Tochter erhielt vor 8 Jahren eine Schenkung von 50.000 € von ihrem Vater.
- Vater verarmt durch Heimaufenthalt.
- Tochter zahlt Heimkosten, bis die 10-Jahres-Frist abgelaufen ist und glaubt, dass danach niemand mehr Geld zurückfordern kann.
❌ Antwort: Falsch!
📜 §§ 528, 529 Abs. 1 BGB:
- Die Rückforderung verjährt nicht nach exakt 10 Jahren.
- Wenn die Verarmung vor Ablauf der Frist eintritt, bleibt die Restforderung bestehen!
- Die Tochter muss weiter zahlen, bis der gesamte geschenkte Betrag aufgebraucht ist.
📌 Fazit:
- Selbstgenutztes Wohneigentum kann Schonvermögen sein, wenn es „angemessen“ ist.
- Unangemessenes Wohneigentum wird als Vermögen angerechnet.
- Beim Tod des Sozialhilfeempfängers können Erben haften.
- Schenkungen bleiben rückforderbar, wenn der Schenker innerhalb von 10 Jahren verarmt.
📜 Immer aktuelle Urteile beachten!