Patchwork-Familien machen das Erben schwer. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Patchwork-Familien machen das Erben schwer
1. Was ist eine Patchworkfamilie?
Als Patchwork-Familie bezeichnet man eine Familie, die sich aus Kindern aus verschiedenen Ehen oder Nichtehen zusammensetzt.
Das ist z.B. der verwitwete Ehemann, der Kinder aus der Ehe mit seiner verstorbenen Frau in die Ehe mit der neuen Ehefrau einbringt. Aus dieser neuen Ehe gehen selbst wieder gemeinschaftliche Kinder hervor.
Auch für die neue Ehefrau ist es die zweite Ehe. Sie hat aus erster, geschiedener Ehe, ebenfalls Kinder.
2. Testamentsvarianten für Patchworker
Wachsen alle Kinder in der neuen Familie auf, empfiehlt sich die sogenannte Einheitslösung, nach der erst der überlebende Ehegatte Alleinerbe wird und dann die Kinder aus allen drei Beziehungen zu gleichen Teilen Schlusserben werden (Berliner Testament). Hierdurch entstehen auch keine erbschaftsteuerlichen Nachteile, da alle Kinder – also auch die Stiefkinder – im Erbschaftsteuerrecht gleich behandelt werden (Stiefkinder sind in der Steuerklasse I wie leibliche Kinder und haben den Freibetrag von 400.000 Euro wie leibliche Kinder). Bei dieser Lösung ist darauf zu achten, dass der überlebende Ehegatte hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung gebunden ist. Zumindest sollte er die Schlusserbeneinsetzung „seiner“ Stiefkinder nicht mehr abändern können.
Ansonsten empfiehlt sich eine Vor- und Nacherbenlösung. Der überlebende Ehegatte wird als (befreiter) Vorerbe eingesetzt und die eigenen Kinder als Nacherben.
Das Patchwork-Testament kann auch als sogenanntes > Geschiedenen-Testament verfasst werden. Dann zielt es darauf ab über die Vor- und Nacherbschaft zu verhindern, dass der geschiedene Ex-Gatte durch den Tod des gemeinschaftlichen Kindes Erbe werden kann.
Auch > Bedürftigentestamente werden im Zusammenhang mit Patchwork-Testamenten immer wieder gewünscht.
3. Welches Testament empfehlen Sie für Patchworker mit Kindern nur aus erster Ehe?
Frage: Wir sind beide in zweiter Ehe verheiratet. Jeder von uns hat Kinder aus erster Ehe. Gemeinsame Kinder haben wir nicht. Wir möchten, dass der überlebenden von uns beiden im Alter abgesichert ist. Wir wollen aber nicht, dass die Kinder Pflichtteilsansprüche gegen den Überlebenden von uns geltend machen. Auch sollen die Kinder eines jeden von uns im Ergebnis das Vermögen des Elternteils erhalten. Was raten Sie uns?
Antwort: Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder Sie errichten ein Testament mit Vor- und Nacherbschaft oder Sie entscheiden sich beide für ein Testament mit Nießbrauchlösung.
Bei der Vor- und Nacherbenlösung setzt jeder Ehegatte den überlebenden Ehegatten zum Vorerben und die eigenen Kinder zu Nacherben ein. Der überlebende Ehegatte darf dann die Vorerbschaft lebenslang nutzen, aber nicht über sie verfügen. Die eigenen Kinder des Erblassers sind sicher, dass sie mit dem Ableben des überlebenden Stiefelternteils das Vermögen ungeschmälert erhalten.
Für den Fall, dass Sie der überlebende Ehegatte sind, setzen sie die eigenen Kinder zu Schlusserben ein . Ihr Ehegatte macht genau dasselbe.
Bei der Nießbrauchslösung werden die eigenen Kinder gleich Erben des erstversterbenden Ehegatten und der überlebende Ehegatte erhält im Wege des Vermächtnisses den lebenslangen, unentgeltlichen Nießbrauch an der Erbschaft. Er kann dann ebenfalls den Nutzen aus der Erbschaft ziehen (z.B. die Zinsen von Ersparnissen verbrauchen oder Häuser selbst bewohnen oder vermieten und die Mietzinsen vereinnahmen), aber nicht über die Erbschaft verfügen. Das können nur die Kinder, denen damit ihr Erbe sicher ist.
4. Auslegung einer Pflichtteilsstrafklausel bei Patchworktestamenten
Eine Pflichtteilsstrafklausel in einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten kann, wenn Kinder jeweils nur von einem der testierenden Ehegatten abstammen, dahin auszulegen sein, dass Kinder, die nach dem Erstversterbenden den Pflichtteil verlangen, nach dem überlebenden Stiefelternteil nicht mehr Erbe, sondern nur noch mit einem Geldvermächtnis in Höhe des fiktiven Pflichtteils nach dem Stiefelternteil bedacht sind. So entschied das Oberlandesgericht Celle in einer Entscheidung vom 12. November 2009 (Az.: 6 W 142/09).
Sachverhalt: Die Ehefrau brachte zwei Kinder, der Ehemann ein Kind in die neue Ehe mit. Die Eheleute setzten sich in einem Ehegattentestament wechselseitig zu befreiten Vorerben und alle drei Kinder zu Nacherben zu gleichen Teilen ein. Die Kinder wurden als „unsere Kinder” bezeichnet. In das Testament wurde eine Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen. Danach sollten die Kinder, die nach dem Tod ihres Elternteils den Pflichtteil verlangen, nach dem Tod des Letztversterbenden wiederum „nur den Pflichtteil” erhalten.