Pflegschaft für unbekannte gesetzliche Erben – § 1882 BGB in der Nachlasspraxis

🎯 Praxisproblem:

Im Nachlassverfahren ist der Erblasser bekannt, aber die gesetzlichen Erben sind unbekannt oder noch nicht ermittelt. Trotzdem sollen sie in einem Verfahren angehört werden – etwa bei der Bestellung eines Testamentsvollstreckers (§ 2200 Abs. 2 BGB). Hier ist zu unterscheiden zwischen den gesetzlichen Erben und den wirklichen Erben. Die gesetzlichen Erben sind die Personen, die ohne Testament aufgrund der gesetzlichen Erbfolge erben würden. Die wirklichen Erben sind die wirksam im Testament benannten Erben. Die testamentarischen Erben können also andere Personen als die gesetzlichen Erben sein. Die gesetzlichen Erben sind an an Nachlassverfahren beteiligungsberechtigt, da sie erben würden, wenn z.B. die testamentarischen Anordnungen unwirksam wären.

Wie kann das gehen, wenn die Beteiligten gar nicht feststehen?


🧾 Lösung: Bestellung eines Pflegers nach § 1882 BGB

📘 Gesetzlicher Wortlaut (§ 1882 Abs. 1 BGB):

„Ist unbekannt oder ungewiss, wer bei einer Angelegenheit der Beteiligte ist, so kann dem Beteiligten für diese Angelegenheit, soweit eine Fürsorge erforderlich ist, ein Pfleger bestellt werden.“

Diese Regelung ermöglicht dem Gericht, einen Pflegschaftsvertreter für unbekannte Beteiligte einzusetzen – also z. B. für die unbekannten gesetzlichen Erben, die noch nicht festgestellt oder ermittelt werden konnten.


🧭 Abgrenzung zur Nachlasspflegschaft

Wichtig: § 1882 BGB ist kein Ersatz für eine Nachlasspflegschaft. Letztere dient der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses insgesamt, wenn die wirklichen Erben unbekannt sind (§ 1960 BGB).

➡️ § 1882 greift speziell dann, wenn ein bestimmtes Verfahren läuft (z. B. Testamentsvollstreckung, Erbscheinsverfahren), in dem die Beteiligung der gesetzlichen Erben erforderlich ist, diese aber noch nicht feststehen oder zweifelhaft sind.


⚖️ Zuständigkeit für die Bestellung des Pflegers

Gemäß § 340 Nr. 1 FamFG handelt es sich um eine betreuungsgerichtliche Zuweisungssache.

  • Sachlich zuständig: Das Betreuungsgericht (nicht das Nachlassgericht!)
  • Örtlich zuständig: Nach §§ 341, 272 Nr. 3 FamFG das Amtsgericht am Ort des Fürsorgebedarfs – regelmäßig also am Ort des Nachlassvermögens
  • Funktionell zuständig: Der Rechtspfleger, gemäß § 3 Nr. 2 lit. b RPflG

👥 Beispiel:

Ein Testament mit mehreren Erbeinsetzungen und der Anordnung einer Testamentsvollstreckung liegt vor.
Ein Dritter möchte als Testamentsvollstrecker eingesetzt werden, doch die gesetzlichen Erben müssen gem. § 2200 Abs. 2 BGB angehört werden. Die gesetzlichen Erben sind aber unbekannt und können nicht ermittelt werden.
→ Lösung: Das Betreuungsgericht bestellt einen Pfleger nach § 1882 BGB für die „unbekannten gesetzlichen Erben“, der an ihrer Stelle gehört werden kann.


🧠 Fazit:

Die Pflegschaft nach § 1882 BGB ist ein praktisch wichtiges Instrument, wenn unbekannte oder noch ungewisse gesetzliche Erben in einem Nachlassverfahren zu beteiligen sind – etwa im Rahmen der Testamentsvollstreckung.
Nicht das Nachlassgericht, sondern das Betreuungsgericht ist zuständig – sachlich und örtlich präzise geregelt.

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