Pflichtteil, weil der Ehemann das Darlehen für das Haus abbezahlt hat?
Die Mandantin, eine Witwe, kommt zu mir und schildert folgende Problem. Sie hatte mit ihrem verstorbenen Ehemann zusammen ein Haus gebaut. Das Darlehen dafür wurde von beiden Ehelauten aufgenommen. Der Ehemann war Alleinverdiener, so dass das Darlehen auch von ihm abbezahlt wurde. Die Witwe wurde Alleinerbin und erbte die Haushälfte des Mannes. Dass sie dafür einen Pflichtteil an die enterbten Kinder zahlen muss ist ihr klar. Aber gilt das auch für ihre eigene Haushälfte. Die Kinder verlangen den Pflichtteil aus der Hälfte der vom Vater abbezahlten Kredite.
Mit einem solche Fall befasste sich bereits 2018 der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 14.3.2018 – IV ZR 170/16)
Der Fall
ist nahezu identisch mit dem der Mandantin. Vor dem Bundesgerichtshof verklagten die beiden Söhne aus der geschiedenen ersten Ehe die zweite Ehefrau des verstorbenen Vaters.
Der Vater hatte ein Grundstück. Auf diesen Grundstück wurde ein Einfamilienhaus errichtet. Zur Finanzierung des Hauses hatten der Vater und dessen zweite Ehefrau ein Bankdarlehen iHv 250.000 DM aufgenommen. Der Vater übertrug einen Miteigentumsanteil von 1/2 als „ehebedingte Zuwendung“ auf seine zweite Ehefrau, die Beklagte.
Durch gemeinschaftliches Testament von 2008 setzten sich der Vater und seine zweite Ehefrau gegenseitig als Alleinerben ein. Dann verstarb der Vater der klagenden Söhne. Im Zeitpunkt des Todes beliefen sich die Schulden noch auf 108.122,30 €. Die Tilgungsleistungen in Gesamthöhe von 19.699,70 € und Zinszahlungen von 112.666,12 € waren von einem Konto des verstorbenen Vaters erfolgt.
Die klagenden Söhne, die sowohl die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück als auch die Hälfte der geleisteten Darlehensraten als Schenkungen ansehen, haben gegen ihre Stiefmutter als Erbin deshalb Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend gemacht.
Das Urteil
Es war die Frage zu klären, ob die Haushälfte oder die hälftigen Darlehenszahlungen oder beides zusammen eine Schenkung and die Witwe darstellten.
Die Tilgungszahlungen stecken im Haus
Nach dem Bundesgerichtshof ist es nicht richtig, den hälftigen Betrag der erbrachten Tilgungsleistungen als zusätzliche Schenkung für die Pflichtteilsberechnung anzusetzen.
Für die vom Vater seiner zweiten Ehefrau geschenkte Miteigentumshälfte wurden 46.105,35 € angesetzt. Dieser Wert ergibt sich daraus, dass das Haus beim Tod des Vaters 200.333 € wert war und hiervon die noch bestehende Grundschuld in Höhe von 108.122,30 € abgezogen wurde. Der Gesamtwert des Hauses belief sich daher auf 92.210,70 €. Die Hälfte hiervon sind 46.104,35 Euro und der Pflichtteil eines jeden Sohnes hiervon beträgt 1/8 also 5.763,17 €. Für die Pflichtteilsberechnung ist der Wert bei der Schenkung und der Wert beim Erbfall zu ermitteln und der niedrigere Wert anzusetzen. Das war im Fall des BGH ausnahmsweise der Wert im Zeitpunkt des Erbfalls. Der BGH führte aus:
Der bei dieser Berechnung angesetzte Wert der beim Erbfall noch valutierenden Grundschuld ist … durch die bis dahin erbrachten Tilgungsleistungen gemindert und der Grundstückswert daher in gleichem Umfang erhöht worden. Während die Grundschuld bei der Übereignung des Miteigentumsanteils noch in der im Grundbuch eingetragenen Höhe von 127.822,97 € valutierte, verringerte sich diese Belastung durch die Tilgungsleistungen von 19.699,70 € auf die genannten rund 108.122,30 € und der Wert des belasteten Grundstücks stieg entsprechend. Auf diesem Wege sind die Tilgungsleistungen daher bereits in den fiktiven Nachlasswert eingeflossen, der … für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zugrunde zu legen ist. Sie können dem Nachlass nicht ein zweites Mal als Schenkung hinzugerechnet werden,
Aber was ist mit den Zinszahlungen?
Der BGH sah in den Zinszahlungen des Vaters der Kläger eine Bereicherung der Witwe. Sie und ihr Ehemann hafteten für das gemeinsam aufgenommene Darlehen und damit auch für die Zinsen als Gesamtschuldner. Mit den Zinszahlungen des Vaters wurde daher auch eine Schuld von dessen zweiter Ehefrau erfüllt.
Es sei nicht so, dass sich auch der Wert der Zinszahlungen zur Finanzierung des Eigenheims im übertragenen Miteigentumsanteil verkörpere . Die Belastung der Stiefmutter der klagenden Söhne durch die gesamtschuldnerische Zinsverbindlichkeit bestand unabhängig davon, was mit dem Darlehen finanziert worden war. Die Übertragung des Miteigentumsanteils verringerte diese Vermögensbelastung daher nicht; ebenso wenig flossen die Finanzierungskosten in den Wert des Grundstücks ein. Erst die Zinszahlungen vom Konto des Vaters führten zu einer Reduzierung der Verbindlichkeiten der Stiefmutter und damit zu einem weiteren Vermögenszuwachs neben dem Wert des ihr bereits übereigneten Miteigentumsanteils.
Unterhaltsrechtlich geschuldet?
Der BGH verwies die Sache an das Oberlandesgericht zurück und gab diesem auf, zu prüfen, ob die Zinszahlungen nicht wegen der Ehe unterhaltsrechtlich geschuldet waren. Damit wären sie nicht unentgeltlich und es gäbe für sie keinen Pflichtteil. Zinszahlungen dienen in solchen Fällen nämlich der Sicherung der Ehewohnung. Sie zählen zu den Haushaltskosten, zumal Miete und Mietnebenkosten unterhaltsrechtlich geschuldet sind.