Pflichtteilsergänzung und Eigeninteresse des Erben – Was bedeutet § 2328 BGB?
✨ Einleitung: Wenn Pflichtteile kollidieren
In der Nachlassverteilung kommt es häufig zu Spannungen zwischen Erben und enterbten Pflichtteilsberechtigten. Besonders komplex wird es, wenn der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt ist – etwa als Ehegatte oder als Kind des Erblassers. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Muss dieser Erbe den Pflichtteilsergänzungsanspruch anderer berücksichtigen?
§ 2328 BGB beantwortet genau diese Frage – und gibt dem Erben ein Leistungsverweigerungsrecht zum Schutz seines eigenen Pflichtteils.
📌 Wortlaut des § 2328 BGB:
„Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, so kann er die Ergänzung des Pflichtteils soweit verweigern, dass ihm sein eigener Pflichtteil mit Einschluss dessen verbleibt, was ihm zur Ergänzung des Pflichtteils gebühren würde.“
💡 Was heißt das konkret?
Ein Erbe, der selbst pflichtteilsberechtigt ist (z. B. ein Sohn), darf gegenüber anderen Pflichtteilsberechtigten (z. B. einem enterbten Bruder) die Herausgabe von Pflichtteilsergänzungen verweigern, soweit er dadurch seinen eigenen Pflichtteil samt Ergänzung sichern kann.
Er wird dadurch bevorzugt behandelt und erhält seinen Pflichtteil aus dem Nachlass – während die anderen ggf. auf den Beschenkten verwiesen werden müssen.
🔄 Beispiel zur Veranschaulichung:
- Nachlass: 10.000 €
- Geschenk zu Lebzeiten an Dritten: 30.000 €
- Erbe A (Sohn), enterbter Sohn B
Pflichtteil B: 2.500 € + 7.500 € Ergänzung = 10.000 € Pflichtteil A: ebenfalls 10.000 €
🔹 Ergebnis: A muss B den ordentlichen Pflichtteil (2.500 €) auszahlen, nicht aber die Ergänzung. Letztere muss B beim beschenkten Dritten geltend machen.
📊 Voraussetzungen für die Einrede des § 2328 BGB:
- Es wird Pflichtteilsergänzung geltend gemacht (nicht nur der ordentliche Pflichtteil).
- Der Erbe ist selbst pflichtteilsberechtigt.
- Die Einrede richtet sich gegen Pflichtteilsansprüche Dritter.
- Die Voraussetzungen gelten unabhängig davon, ob der Erbe Alleinerbe oder Miterbe ist.
🔒 Wirkung: Schutz des beatus possidens
Der Erbe wird zum „beatus possidens“ – zum bevorrechtigten Besitzer des Nachlasses. Er darf den Pflichtteil samt Ergänzung für sich sichern, bevor er zur Zahlung an andere verpflichtet ist. Erst wenn danach noch Nachlass verbleibt, kann er zur Ergänzung verpflichtet werden.
📘 Achtung: Keine Anwendung auf den ordentlichen Pflichtteil!
Der § 2328 BGB gilt nur für die Ergänzung, nicht für den ordentlichen Pflichtteil. Über den ordentlichen Pflichtteil des Enterbten kann sich der Erbe nicht hinwegsetzen.
📅 Stichtag: Wertermittlung zum Erbfallzeitpunkt
Für die Berechnung der Ergänzung gilt der Zeitpunkt des Erbfalls. Spätere Wertverluste des Nachlasses entbinden den Erben nicht von der Pflicht zur Ergänzung, wenn er zum Erbzeitpunkt noch hätte leisten können.
🔍 Fazit:
§ 2328 BGB ist ein Schutzmechanismus für den selbst pflichtteilsberechtigten Erben, der aus dem Nachlass zuerst sich selbst sichern darf. Enterbte Pflichtteilsberechtigte müssen dann ggf. den Beschenkten in Anspruch nehmen. Die Norm hat erhebliche praktische Bedeutung, vor allem in komplexen Erbfällen mit mehreren Pflichtteilsberechtigten und lebzeitigen Schenkungen.
🪰 Tipp vom Erbrechtsexperten:
In Ihrer Nachlassgestaltung sollten Sie genau prüfen, welche Personen pflichtteilsberechtigt sind und wie sich lebzeitige Schenkungen auswirken. Gerade bei gemischten Familienkonstellationen und größeren Vermögensverschiebungen kann die Einrede des § 2328 BGB eine entscheidende Rolle für die Haftung spielen. Sprechen Sie uns gerne an – wir beraten Sie fundiert und vorausschauend.