Sozialamt und Erbfall: Welche Forderungen kann das Kreissozialamt geltend machen, wenn ein behindertes Kind Eingliederungshilfe nach dem SGB IX bezieht?
🔍 Ihre Anfrage:
Sie haben angefragt, welche Forderungen das Kreissozialamt im Todesfall geltend machen kann, wenn ein behindertes Kind Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX bezieht.
🔢 Was ist Eingliederungshilfe?
Das Kind erhält Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Diese Leistungen werden vom Kreissozialamt gewährt und sollen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Hier sind einige konkrete Beispiele für Leistungen der Eingliederungshilfe, die für Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen gewährt werden
- Werkstätten für behinderte Menschen: Unterstützung bei der beruflichen Rehabilitation und Beschäftigung.
- Schulbegleitung: Assistenzleistungen, um den Schulbesuch zu ermöglichen und zu erleichtern.
- Freizeitassistenz: Begleitung und Unterstützung bei Freizeitaktivitäten, um soziale Teilhabe zu fördern.
- Sportrollstuhl: Bereitstellung spezieller Hilfsmittel, wie z.B. Sportrollstühle für das Training in einem Verein.
- Betreutes Wohnen: Unterstützung beim selbstständigen Leben in einer betreuten Wohnform.
Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verbessern und die individuellen Fähigkeiten zu fördern
⚖️ Vermögensgrenze bei der Eingliederungshilfe
Nach § 140 SGB IX ist vorhandenes Vermögen einzusetzen, soweit es die gesetzliche Vermögensgrenze überschreitet. Die Vermögensgrenze wird in § 139 SGB IX geregelt:
- Sie beträgt 150 % der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV.
- Für das Jahr 2025 ergibt sich daraus eine Vermögensgrenze von 67.410 Euro.
📅 Was passiert im Todesfall?
Kommt es zum Erbfall, prüft das Kreissozialamt, ob durch den Nachlass Vermögen auf das Kind übergeht. Soweit dadurch die Vermögensgrenze von 67.410 Euro überschritten wird, ist das übersteigende Vermögen zur Finanzierung der Eingliederungshilfe einzusetzen. Das bedeutet:
Der Sozialhilfeträger kann in diesem Fall auf das geerbte Vermögen zugreifen und Leistungen ganz oder teilweise einstellen.
🚀 Gibt es noch andere Hilfeformen mit anderen Vermögensgrenzen?
Ja. Neben der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX gibt es insbesondere:
1. Hilfe zum Lebensunterhalt (SGB XII)
- Vermögensfreibetrag: 10.000 Euro nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII
Ein behindertes Kind kann in der Regel Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten kann. Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist hingegen für Personen ab 18 Jahren vorgesehen, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind oder die Regelaltersgrenze erreicht haben. Die Hilfe zum Lebensunterhalt umfasst dabei ähnliche Leistungen wie die Grundsicherung, z.B. Regelbedarf, Unterkunft und Heizung, Mehrbedarfe und einmalige Bedarfe.
2. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII)
- Ebenfalls 10.000 Euro Vermögensfreibetrag
3. Hilfe zur Pflege (SGB XII)
- Hier gelten dieselben Grenzen wie bei der Grundsicherung.
4. Leistungen der Pflegeversicherung (SGB XI)
- Diese sind nicht einkommens- oder vermögensabhängig.
📄 Fazit für Eltern und Erblasser:
Wenn Sie Ihrem behinderten Kind etwas vererben wollen und dieses Leistungen der Eingliederungshilfe bezieht, sollten Sie rechtzeitig über die Gestaltung eines Behindertentestaments nachdenken. Denn ohne rechtliche Vorsorge droht:
- Zugriff des Sozialamts auf das Erbe,
- Kürzung oder Einstellung von Hilfeleistungen,
- Verlust des Schonvermögens.
Lassen Sie sich frühzeitig beraten – wir entwickeln für Sie eine rechtssichere und sozialverträgliche Lösung.
Rechtsanwalt Gerhard Ruby
Fachanwalt für Erbrecht
www.ruby-erbrecht.de