Vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kinder. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Vor dem 1.7.Pflichtteil für vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kinder
Frage:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits am 28. Mai 2009 entschieden, dass es gegen das Diskriminierungsverbot und das Gebot zum Schutz der Familie verstieß, dass ein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind nach seinem Vater kein gesetzliches Erbrecht und kein Pflichtteilsrecht besaß. Beschwerdeführerin war eine 1948 geborene Frau, deren unverheirateter Vater, der 1998 starb, sonst keine Kinder hatte und die mit dem Vater persönlichen Kontakt bis zum Tode hatte. Daraufhin hat der deutsche Gesetzgeber in 2011 mit Rückwirkung zum 29. Mai 2009 das Gleichstellungsgesetz zur Neuregelung des Erbrechts der vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder erlassen. Warum gibt es für nichteheliche Kinder erst für Todesfälle ab dem 29.5.2009 ein Erb- und Pflichtteilsrecht?
Antwort:
Das hängt mit dem rechtstaatlichen Vertrauensschutz zusammen. In einem Rechtsstaat dürfen die Bürger darauf vertrauen, dass in abgeschlossene Sachverhalte nicht durch rückwirkende Gesetzesänderungen nachträglich eingegriffen wird, ohne dass sich die Bürger auf diese neuen Gesetze einstellen konnte. Seit der Verkündung des EGMR-Urteils am 28.5.2009 besteht kein Vertrauensschutz in diesem Sinne mehr. Für die Erbfälle vor dem 29.5.2009 soll es aus Gründen des Vertrauensschutzes bei der alten Regelung bleiben, dass die vor dem Stichtag 1.7.49 geborenen nichtehelichen Kinder kein Erb- und Pflichtteilsrecht haben. Es darf bezweifelt werden, ob diese Regelung wirklich den Maßstäben des EGMR gerecht wird, denn in dem vom EGMR entschiedenen Fall lag der Todestag in 1998, also vor dem 29.5.2009. Hier besteht nach wie vor Rechtsunsicherheit, da unklar ist, wie der EGMR bei Erbfällen vor dem 29.5.2009 entscheiden wird.