Was ist ein „Zusatzpflichtteil“? Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Was ist ein „Zusatzpflichtteil“?
Erhält ein Erbe einen Erbteil, der kleiner ist als der Pflichtteil, kann er den Rest als Zusatz- oder Restpflichtteil verlangen (§ 2305 BGB).
Beispiel:
Das einzige Kind K des Witwers W wird auf einen Erbteil von 1/4 gesetzt. Sein Pflichtteil ist aber 1/2. Deshalb kann K zusätzlich zu seinem Erbteil von 1/4 den Zusatzpflichtteil von 1/4 verlangen.
Problematisch ist die Berechnung des Zusatzpflichtteils, wenn das Erbe beschränkt oder beschwert ist.
Beispiel:
K wird auf 1/4 Erbteil gesetzt und mit einem Vermächtnis von 10.000 Euro beschwert. Ist der Nachlass im obigen Beispiel 100.000 Euro wert, erhält K einen Erbteil im Wert von 25.000 Euro minus 10.000 Euro Vermächtniswert. Er hat letztlich nur 15.000 Euro bekommen. Sein Pflichtteil beträgt 1/2, also 50.000 Euro. Es stellt sich nun die Frage, ob K einen Zusatzpflichtteil von 35.000 Euro oder nur von 25.000 Euro erhält. Der Gesetzgeber hat sich für die letztere Variante entschieden. Er hat in § 2305 S. 2 BGB bestimmt: „Bei der Berechnung des Wertes bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 bezeichneten Art außer Betracht.“ Der Wert des Erbteils wird also mit 25.000 Euro angesetzt, obwohl er mit einem Vermächtnis von 10.000 Euro beschwert ist. Nimmt K den Erbteil an, erhält er insgesamt 25.000 – 10.000 + 25.000 = 40.000 Euro.
Er hat aber nach § 2306 BGB die Möglichkeit, den Erbteil auszuschlagen und stattdessen den vollständigen Pflichtteil zu verlangen. Schlägt er den beschwerten Erbteil aus, erhält K 50.000 Euro als Pflichtteil. Man sieht: das Recht ist (immer noch) mit den Wachsamen.