Berliner Testament: Was kann ich meiner zweiten Frau noch schenken? Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Baden-Württemberg
Berliner Testament: Was kann ich meiner zweiten Frau noch schenken, wenn meine erste Frau tot ist?
Das ist sehr umstritten, was man der zweiten Ehefrau ohne (notariell zu beurkundende) Einwilligung der Schlusserben noch zuwenden kann. Durch das Berliner Testament mit gegenseitiger Alleinerbeneinsetzung der Ehegatten und Schlusserbeneinsetzung der Kinder, haben die Kinder nach dem Tod der Mutter eine berechtigte Erberwartung. Auch die vorverstorbene Mutter ging ja davon aus, dass die Kinder einmal alles bekommen. Damit der überlebende Ehemann hier solche Erberwartungen nicht durch böswillige Schenkungen an seine zweite Ehefrau aushöhlt, gibt § 2287 BGB den Kindern nach dem Tod des Vaters einen Bereicherungsanspruch gegen die beschenkte zweite Ehefrau (auf Herausgabe der durch die Schenkung bewirkte Bereicherung). Allerdings darf er der zweiten Ehefrau soviel schenken und die Kinder müssen das auch akzeptieren, als durch diese Schenkung die berechtigte Erberwartung der Kinder nicht beeinträchtigt wird. Aber wieviel ist das? Als sicher darf angenommen werden, dass der Ehemann seiner zweiten Ehefrau soviel schenken darf, als die Ehefrau als Zugewinnausgleich (während der Zeit der zweiten Ehe) und Pflichtteil ohnehin beanspruchen kann. Denn der Zugewinnausgleich und der kleine Pflichtteil von 1/8 stehen der zweiten Ehefrau nach dem Gesetz sowieso zu. Dann kann in Höhe dieses Wertes der Ehemann ihr auch Schenkungen machen, die die Kinder als Erben zu akzeptieren haben.
Alles weitere ist sehr streitig. Der Bundesgerichtshof hat hierzu 1992 ein Grundsatzurteil erlassen (BGH, Urteil vom 27-11-1991 – IV ZR 164/90), das heute noch zu beachten ist.
Der Fall:
Der einzige Sohn des Vaters, der aus dessen erster Ehe mit der vorverstorbenen Mutter stammt, klagte gegen die zweite Ehefrau des verstorbenen Vaters. Es gab einen Erbvertrag (das gleiche gilt für ein Berliner Testament) zwischen den Eltern des Sohnes, wonach sich diese zu Alleinerben und den Sohn zum Schlusserben eingesetzt hatten. Nach dem Tod der Mutter wurde der Vater Alleinerbe und heiratete später seine zweite Ehefrau.
Der Vater machte seiner zweiten Ehefrau erhebliche Geldzuwendungen und räumte ihr den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an einem Haus ein. Der Sohn sah darin missbräuchliche Schenkungen nach § 2287 BGB und verlangte die Herausgabe.
§ 2287 BGB Den Vertragserben beeinträchtigende Schenkungen
(1) Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.
(2) Die Verjährungsfrist des Anspruchs beginnt mit dem Erbfall.
Der BGH stellte klar, dass § 2287 BGB auch für sogenannten „unbenannte“ = “ehebedingte” = “ehebezogene” Zuwendungen unter Ehegatten gilt. Sie sind im Erbrecht wie Schenkungen anzusehen (auch bei §§ 2288 und 2325 BGB).
Etwas anderes gilt, wenn Gegenleistungen vereinbart sind.
Hierzu stellte der BGH klar, dass die Haushaltstätigkeit eines Ehegatten keine Gegenleistung für unbenannte Zuwendungen des anderen Teiles ist. Dem steht bereits entgegen, daß es sich bei der Haushaltsführung durch den Ehegatten, der keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, um den dem anderen Gatten geschuldeten Beitrag zum Familienunterhalt handelt. Das gilt in gleicher Weise für die über den Unterhalt hinausgehenden vielfältigen Dienste und Hilfe, die Ehegatten einander innerhalb und außerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft leisten.
Allerdings kann auch eine ehebedingte Zuwendung, durch die langjährige Dienste nachträglich vergütet werden, die ein Ehegatte dem anderen vor und nach der Eheschließung geleistet hat, im Rahmen des objektiv Angemessenen als entgeltlich anzusehen sein. Das ist jedoch nicht die Regel.
Die sogenannte unbenannte Zuwendung unter Ehegatten erweis sich nach dem BGH danach im Regelfall als objektiv unentgeltlich und muss im Erbrecht regelmäßig wie eine Schenkung behandelt werden, auch dann, wenn die Ehegatten subjektiv nicht von einer Schenkung ausgegangen sind.
Das bedeutet, dass die §§ 2287, 2325 BGB nicht nur auf (echte) Schenkungen, sondern im Grundsatz auch auf unbenannte Zuwendungen anzuwenden sind.
Bei der Prüfung der Frage, ob eine unbenannte Zuwendung unter § 2287 BGB fällt, kommt es nach dem Bundesgerichtshof zunächst darauf an, ob es sich um einen unentgeltlichen Vorgang handelt. Dies läuft auf die Frage hinaus, ob die Leistung etwa unterhaltsrechtlich geschuldet war oder ob ihr eine durch sie ganz oder teilweise vergütete, konkrete Gegenleistung gegenübersteht oder nicht. Sind danach die unbenannten Zuwendungen wie Schenkungen zu behandeln, sind die weiteren Voraussetzungen des § 2287 BGB zu prüfen. Dazu gehört auch die Frage, ob und in welchem Umfang die Schlusserben durch die möglichen Zuwendungen des Erblassers trotz der Ansprüche zweiten Ehefrau auf Zugewinnausgleich und auf ihren Pflichtteil überhaupt benachteiligt sind und gegebenenfalls in welchem Umfang. Erst wenn das zu bejahen ist, kann es darauf ankommen, ob der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen dadurch missbraucht hat, dass er Vermögen ohne anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse weggeschenkt hat.
Der BGH
bejahte die Herausgabepflicht hinsichtlich des Geldes und gab Hinweise für eine neu durchzuführende Verhandlung: Für die neue Verhandlung wird es hier zunächst darauf ankommen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es sich bei dem Nießbrauch objektiv um eine unentgeltliche Zuwendung des Erblassers an die Bekl. handelt. Zu dieser Prüfung gibt auch der Umstand Anlass, dass der Nießbrauch nach dem Inhalt des Vertrages über seine Bestellung ausdrücklich dazu bestimmt war, die Bekl. “für die Zukunft abzusichern“. Sofern die Einräumung des Nießbrauchs nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen beider Ehegatten unterhaltsrechtlich (ganz oder teilweise) geboten gewesen sein sollte, wird es sich dabei nicht um eine Schenkung oder um eine unentgeltliche Leistung handeln. Das macht eine umfassende Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten erforderlich, und zwar auch in der Richtung, ob und in welchem Umfang für die Zukunft der Bekl. und insbesondere für ihr Alter bereits vorgesorgt war. Nur wenn sich ergeben sollte, dass die Bekl. keine (weitere) Vorsorge oder solche jedenfalls nicht in Form des ihr überlassenen Nießbrauchs zu beanspruchen hatte, und wenn dem Nießbrauch auch keine Gegenleistung gegenüber stand, bleibt Raum, dessen Zuwendung (ganz) als Schenkung einzuordnen oder zu behandeln.
Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass keine Schenkung im Sinne des § 2287 BGB vorliegt, wenn die Zuwendung
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unterhaltsrechtlich geschuldet wird,
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ihr eine konkrete Gegenleistung gegenübersteht,
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sie einer angemessenen Alterssicherung dient oder
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sie eine angemessene Vergütung für langjährige Dienste ist, soweit diese nicht als Beitrag zum Familienunterhalt vom nicht erwerbstätigen Ehegatten geschuldet werden