Was kostet das Erbscheinsverfahren. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Konstanz, Radolfzell, Villingen-Schwenningen, Rottweil
Was kostet das Erbscheinsverfahren?
Der Erbschein
ist notwendig, um das Grundbuch vom Verstorbenen auf die Erben umzuschreiben oder um die Bankguthaben aufzulösen. Der Erbschein wird beim zuständigen Nachlassgericht beantragt. Es entstehen Gerichts- und möglicherweise auch Anwaltskosten, wenn die Materie streitig ist.
Gerichtskosten
Zunächst wollen wir uns anschauen, welche Kosten für das Nachlassgericht entstehen. Die Kosten decken das Verfahren vor dem Nachlassgericht und die Erteilung des Erbscheins ab. Die Gerichtskosten sind im Gerichts- und Notarkostengesetz geregelt, nämlich im dortigen Kostenverzeichnis unter Nr. 12210
12210 | Verfahren über den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins oder eines Zeugnisses oder auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, wenn nicht Nummer 12213 anzuwenden ist ………. (1) Für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung wird die Gebühr gesondert erhoben (Vorbemerkung 1 Abs. 2). (2) Ist die Gebühr bereits für ein Verfahren über den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins entstanden, wird sie mit 75 % auf eine Gebühr für ein Verfahren über den Antrag auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses angerechnet, wenn sich der Erbschein und das Europäische Nachlasszeugnis nicht widersprechen. Dies gilt entsprechend, wenn zuerst die Gebühr für ein Verfahren über den Antrag auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses entstanden ist. | 1,0 |
Es wird für die Erteilung des Erbscheins vom Gericht also eine 1,0 Gebühr – oder wie der Jurist sagt eine volle Gebühr – erhoben. Die Gebühr hat derjenige zu zahlen, der den Erbschein beantragt. Auch das ist im Gerichts- und Notarkostengesetz geregelt.
§ 22 GNotKG Kostenschuldner in Antragsverfahren, Vergleich
§ 22 Gerichts- und Notarkostengesetz
(1) In gerichtlichen Verfahren, die nur durch Antrag eingeleitet werden, schuldet die Kosten, wer das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Derjenige, der einen Erbschein beantragt, muss die Richtigkeit seiner Angaben an Eides Statt gegenüber dem Nachlassgericht versichern. Die eidesstattliche Versicherung muss von einem Notar oder vom Nachlassgericht beurkundet werden. Für diese Beurkundung fällt eine weitere Gebühr an.
Abschnitt 3 Eid, eidesstattliche Versicherung, Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen | ||
Vorbemerkung 2.3.3: (1) Die Gebühren entstehen nur, wenn das in diesem Abschnitt genannte Verfahren oder Geschäft nicht Teil eines anderen Verfahrens oder Geschäfts ist. (2) Wird mit der Niederschrift über die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zugleich ein Antrag an das Nachlassgericht beurkundet, wird mit der Gebühr 23300 insoweit auch das Beurkundungsverfahren abgegolten. | ||
23300 | Verfahren zur Abnahme von Eiden und eidesstattlichen Versicherungen ………. | 1,0 |
Wie bereits gesagt, trägt derjenige, der den Erbschein beim Nachlassgericht beantragt auch die Kosten des nachlassgerichtlichen Verfahrens bis zur Erteilung des Erbscheins, also zwei volle Gebühren. Auch gerichtliche Auslagen, z.B. für ein Sachverständigengutachten über die Testierfähigkeit, hat der Antragsteller zu bezahlen. Es ist aber auch – selten – möglich, dass das Nachlassgericht entscheidet, wer die Kosten zu tragen hat.
Beachten Sie:
Wenn die Kosten gem. § 22 GNotKG dem Antragsteller auferlegt werden sind damit nur die bei Gericht angefallenen Kosten und nicht die außergerichtlichen Anwaltskosten gemeint.
Neben dieser Grundregel des § 22 GNotKG gibt es die besondere Ermessensreglung für das Gericht in § 81 FamFG. Danach kann das Gericht die Kosten des Verfahrens anders verteilen als in § 22 GNotKG vorgesehen. Verwirrend ist hier, dass § 81 FamFG einen anderen Kostenbegriff meint als § 22 GNotKG: Kosten des Verfahrens im Sinne von § 81 FamFG sind Gerichtsgebühren, Gerichtslauslagen und außergerichtliche Kosten, wie die Anwaltskosten. Kosten im Sinne von § 22 GNotKG sind nur Gerichtsgebühren und Gerichtsauslagen.
§ 81 FamFG Grundsatz der Kostenpflicht
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen.
§ 80 FamFG Umfang der Kostenpflicht
Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. § 91 Abs. 1 S. 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
Das Gericht kann als nach billigem Ermessen (= Gerechtigkeit) die „Kosten des Verfahrens“ auch dem Antragsgegner auferlegen oder unter den Beteiligten verteilen. Das gilt natürlich gerade auch für die Gerichtskosten, aber auch für die (meist viel höheren und daher wichtigeren) Anwaltskosten. Der Kostenbegriff des § 81 FamFG umfasst die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen des Gerichts) und daneben auch die zur „Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten“ (vgl. § 80 FamFG). Das ist aber die Ausnahme. Das Gericht wird das in aller Regel von sich aus nicht tun. Wenn man also eine vom Grundsatz der Kostentragung durch den Antragsteller abweichende Kostenentscheidung will, muss man dies beim Gericht beantragen und auch ausreichend begründen.
Ein solcher Antrag könnte wie folgt aussehen:
Im Erbscheinsverfahren XY wird beantragt, die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen.
Begründung:
Der Antragsgegner hat zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers bewusst unwahre Angaben gemacht… Insoweit sind ihm die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Trifft das Gericht keine Kostenentscheidung so kann diese unterlassene Kostenentscheidung mit der Beschwerde angefochten werden. Weil das Gericht die Kostenentscheidung unterlassen hat, richtet sich die Pflicht zur Tragung der Kosten nach §§ 22 GNotKG. Bei dieser Kostenverteilung bleibt es, wenn das Unterlassen einer von der gesetzlichen Anordnung abweichenden Kostenentscheidung nicht innerhalb der Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG angegriffen wird (OLG Saarbrücken ZEV 2016, 450).
Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts auf Erteilung oder Ablehnung eines Erbscheinsantrags kann Beschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt werden. Auch hier entstehen natürlich Kosten. Das Gesetz regelt, dass die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels demjenigen auferlegt werden sollen, der es eingelegt hat.
§ 84 FamFG Rechtsmittelkosten
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.
Bei der Kostenentscheidung muss das Oberlandesgericht aber beachten, dass für den Antragsteller, auch wenn er im Beschwerdeverfahren Erfolg hatte, die Gerichtsgebühren der ersten Instanz in jedem Fall angefallen wären. Auch kann der Beschwerdegegner an den Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels beteiligt werden, wenn sich der Sachverhalt im Laufe des Rechtsmittelverfahrens wesentlich ändert. Andererseits muss der Beschwerdeführer die Kosten tragen, wenn dieser ein ersichtlich erfolgloses Rechtsmittel einlegt. Zussammenfassend kann man sagen, dass die Kosten nach der Vernünftigkeit oder Unvernunft der Verfahrensführung verteilt werden.
Anwaltskosten
Zu den Kosten gehören neben den Gerichtskosten auch die „zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten“. Das sind die Anwaltskosten, Reisekosten, Verdienstausfallkosten, Gutachterkosten (auch die eines Privatgutachtens) etc.
Gegenstandswert im Erbscheinsverfahren
Die Gebühren richten sich immer nach dem Gegenstandswert, also um den Wert des Nachlasses, um den es geht.
§ 40 GNotKG Erbschein, Europäisches Nachlasszeugnis, Zeugnis über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft und Testamentsvollstreckerzeugnis
(1) Der Geschäftswert für das Verfahren zur
1.Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zur Erlangung eines Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses,
2.Erteilung eines Erbscheins oder Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, soweit dieses die Rechtsstellung und die Rechte der Erben oder Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass betrifft,
3.Einziehung oder Kraftloserklärung eines Erbscheins,
4.Änderung oder zum Widerruf eines Europäischen Nachlasszeugnisses, soweit die Rechtsstellung und Rechte der Erben oder Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass betroffen sind, ist der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls. Vom Erblasser herrührende Verbindlichkeiten werden abgezogen.
Für die Anwaltsgebühren ist der Geschäftswert nicht maßgeblich, sondern das wirtschaftliche Interesse des anwaltlich vertretenen, also der Wert des vom Mandanten beanspruchten Erbteils.