Zwangsvollstreckung, wenn der Schuldner stirbt. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Zwangsvollstreckung, wenn der Schuldner stirbt
Wie vollstrecke ich, nachdem mir mein Schuldner einfach weggestorben ist?
Das kommt darauf an, ob die Vollstreckung bereits zu Lebzeiten des Schuldners eingeleitet wurde oder nicht.
1. Wenn die Vollstreckung bereits zu Lebzeiten des Erblasserschuldners eingeleitet wurde.
Grundsätzlich ist das kein Problem, wenn Sie die Vollstreckung bereits eingeleitet hatten. Sie werden vom Gläubiger zum Nachlassgläubiger. Hatten Sie Vollstreckungsmaßnahme gegen den Erblasser bereits eingeleitet, so können Sie diese weiter betreiben, ohne dass eine Umschreibung des Vollstreckungstitels gegen den oder die Erben erforderlich ist.
§ 779 ZPO Fortsetzung der Zwangsvollstreckung nach dem Tod des Schuldners (1) Eine Zwangsvollstreckung, die zur Zeit des Todes des Schuldners gegen ihn bereits begonnen hatte, wird in seinen Nachlass fortgesetzt. (2) Ist bei einer Vollstreckungshandlung die Zuziehung des Schuldners nötig, so hat, wenn die Erbschaft noch nicht angenommen oder wenn der Erbe unbekannt oder es ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers dem Erben einen einstweiligen besonderen Vertreter zu bestellen. Die Bestellung hat zu unterbleiben, wenn ein Nachlasspfleger bestellt ist oder wenn die Verwaltung des Nachlasses einem Testamentsvollstrecker zusteht.
Die Zwangsvollstreckung kann in einem solchen Falle nach dem Tode des Schuldners auch in andere Nachlassgegenstände, die Sie als Gläubiger zu Lebzeiten des Erblassers nicht haben pfänden lassen, ohne Klauselumschreibung betrieben werden (§ 779 ZPO). Für die Zulässigkeit der Fortsetzung einer bereits zu Lebzeiten des Erblassers eingeleiteten Zwangsvollstreckung kommt es auch nicht darauf an, ob die Erbschaft von den Erben bereits angenommen ist oder nicht. Voraussetzung dafür ist, dass die Vollstreckung nur in Gegenstände des Nachlasses betrieben wird, nicht auch in das eigene Vermögen der Erben.
2. Wenn gegen den Erblasserschuldner zu dessen Lebzeiten die Zwangsvollstreckung noch nicht eingeleitet war
Hatten Sie als Gläubiger gegen den Erblasser selbst keine Vollstreckungsmaßnahme eingeleitet, so ist vor Annahme der Erbschaft durch seine Erben die gerichtliche Geltendmachung einer Gläubigerforderung gegen die Erben während der für die Erbschaftsannahme bestehenden Schwebezeit unzulässig (§ 1958 BGB).
§ 1958 BGB Gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Erben Vor der Annahme der Erbschaft kann ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden.
Es kann über diese Zeit weder ein gegen den Erblasser erwirkter Vollstreckungstitel auf die – in diesem Zeitpunkt noch unbekannten – Erben umgeschrieben, noch gegen diese unmittelbar ein Vollstreckungstitel erwirkt werden. Die Schwebezeit wird beendigt durch ausdrückliche Annahme der Erbschaft seitens der Erben oder durch ungenutzten Ablauf der Ausschlagungsfrist (§ 1944 BGB).
Bis zur Erbschaftsannahme hat aber das Gericht auf Antrag des Gläubigers einen Nachlasspfleger zu bestellen (§ 1961 BGB). Ihm gegenüber kann der Gläubiger seine Forderung als Nachlassverbindlichkeit geltend machen. Er kann dem Nachlasspfleger gegenüber entweder einen Vollstreckungstitel oder zu einem bereits gegen den Erblasser bestehenden Titel die Umschreibung der Vollstreckungsklausel erwirken. Alsdann ist die Zwangsvollstreckung in den Nachlass zulässig (§ 1960 Abs. 3 BGB).
Hat die Zwangsvollstreckung aus einem gegen den Erblasser erwirkten Titel im Zeitpunkt seines Todes noch nicht begonnen, ist aber die Erbschaft bereits durch die Erben angenommen, so hat der Gläubiger die Vollstreckungsklausel gegen die Erben umschreiben zu lassen.
Die Umschreibung hat, wenn mehrere Erben des vorhanden sind, gegen alle Erben des Schuldners in Erbengemeinschaft erfolgen. Dem Rechtspfleger, der nach § 20 Nr. 12 RpflG für die Umschreibung der Vollstreckungsklausel zuständig ist, muss zur Umschreibung die Erbfolge nachgewiesen werden. Das geschieht durch Vorlage eines Erbscheins bzw. von vom Nachlassgericht beglaubigten Abschriften des öffentlichen Testaments oder Erbvertrags und der Niederschrift über die Eröffnung. Den Antrag auf Umschreibung der Klausel – gegen alle Erben – muss der Gläubiger beim Vollstreckungsericht stellen. Nach erfolgter Umschreibung muss die gegen die Erben lautende Vollstreckungsklausel den Erben des Erblasserschuldners zugestellt werden. Zuzustellen sind Ihnen auch Abschriften der Urkunden, aufgrund deren die Klausel umgeschrieben worden ist (§§ 727, 750 ZPO). § 727 ZPO Vollstreckbare Ausfertigung für und gegen Rechtsnachfolger (1) Eine vollstreckbare Ausfertigung kann für den Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Gläubigers sowie gegen denjenigen Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Schuldners und denjenigen Besitzer der in Streit befangenen Sache, gegen die das Urteil nach § 325 wirksam ist, erteilt werden, sofern die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. (2) Ist die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig, so ist dies in der Vollstreckungsklausel zu erwähnen. § 750 ZPO Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (1) Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Eine Zustellung durch den Gläubiger genügt; in diesem Fall braucht die Ausfertigung des Urteils Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht zu enthalten. (2) Handelt es sich um die Vollstreckung eines Urteils, dessen vollstreckbare Ausfertigung nach § 726 Abs. 1 erteilt worden ist, oder soll ein Urteil, das nach den §§ 727 bis 729, 738, 742, 744, dem § 745 Abs. 2 und dem § 749 für oder gegen eine der dort bezeichneten Personen wirksam ist, für oder gegen eine dieser Personen vollstreckt werden, so muss außer dem zu vollstreckenden Urteil auch die ihm beigefügte Vollstreckungsklausel und, sofern die Vollstreckungsklausel auf Grund öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden erteilt ist, auch eine Abschrift dieser Urkunden vor Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt sein oder gleichzeitig mit ihrem Beginn zugestellt werden. (3) Eine Zwangsvollstreckung nach § 720a darf nur beginnen, wenn das Urteil und die Vollstreckungsklausel mindestens zwei Wochen vorher zugestellt sind.
Können Sie als Gläubiger die Erbfolge nach Ihrem Schuldner nicht durch einen Erbschein dargelegen, so haben Sie als Gläubiger die Erbschaftsannahme nachzuweisen (vergleiche § 1958 BGB). Sie sind als Gläubiger berechtigt, die zum Eintritt der Erbfolge erforderlichen Unterlagen anstelle der Erben selbst zu erwirken (§ 792 ZPO, § 357 FamFG). § 792 ZPO Erteilung von Urkunden an Gläubiger Bedarf der Gläubiger zum Zwecke der Zwangsvollstreckung eines Erbscheins oder einer anderen Urkunde, die dem Schuldner auf Antrag von einer Behörde, einem Beamten oder einem Notar zu erteilen ist, so kann er die Erteilung an Stelle des Schuldners verlangen. § 357 FamFG Einsicht in eine eröffnete Verfügung von Todes wegen; Ausfertigung eines Erbscheins oder anderen Zeugnisses (1) Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, ist berechtigt, eine eröffnete Verfügung von Todes wegen einzusehen. (2) Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, kann verlangen, dass ihm von dem Gericht eine Ausfertigung des Erbscheins erteilt wird. Das Gleiche gilt für die nach § 354 erteilten gerichtlichen Zeugnisse sowie für die Beschlüsse, die sich auf die Ernennung oder die Entlassung eines Testamentsvollstreckers beziehen.
3. Gläubiger hat noch gar keinen Vollstreckungstitel
Haben Sie als Gläubiger gegen den Erblasser noch gar keinen Vollstreckungstitel erlangt, so müssen Sie einen solchen gegen die Erben erwirken, um in den Nachlass – und in das eigene Vermögen der Erben – vollstrecken zu können (§ 747 ZPO), nachdem die Erbschaft angenommen ist.
Der Vollstreckungstitel gegen alle Erben muss, um in den Nachlass – und in das eigene Vermögen der Erben – vollstrecken zu können, bis zu dessen Auseinandersetzung erwirkt sein (§ 747 ZPO, § 2059 Abs. 2 BGB).
Besitzt der Gläubiger gegen alle Erben einen Vollstreckungstitel, so kann er gegen den Nachlass und gegen die Erben vorgehen.
Besitzt der Gläubiger nur gegen einen oder gegen einzelne Erben einen Vollstreckungstitel, so kann er nur gegen diese Schuldner vorgehen.
Bei einer Zwangsvollstreckung aus einer Nachlassverbindlichkeit in das eigene Vermögen der Erben muss der Gläubiger damit rechnen, dass Letztere die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass geltend machen (§§ 1975 ff. BGB). Dieses Recht haben die Erben aber nur dann, wenn die Haftungsbeschränkung der gegen sie erwirkten Vollstreckungstitel vorbehalten ist (§ 780 ZPO, BGH NJW 1954, 635). Der Vorbehalt entfällt, wenn der bereits gegen den Erblasser erwirkte Titel auf die Erben umgeschrieben worden ist. Macht ein Erbe bei der Zwangsvollstreckung in sein eigenes Vermögen den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung geltend, so muss er einen Antrag stellen, die Zwangsvollstreckung in sein eigenes Vermögen aufzuheben beziehungsweise für unzulässig zu erklären (§§ 784, 785 ZPO).