Testament: „Erst nach unserem Tode sind die Angehörigen berechtigt zu erben”

Testament

Erst nach unserem Tode sind dann die Angehörigen berechtigt zu erben. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby

Auslegung der Testamentsklausel „erst nach unserem Tode sind dann die Angehörigen berechtigt zu erben”

Frage:

Meine Mutter ist 2010 verstorben. Ich bin ihre Tochter aus erster Ehe. Ihr Mann aus zweiter Ehe ist 2009 vorverstorben. Mit ihrem zweiten Mann hatte meine Mutter keine Kinder. Sie hat mit ihrem zweiten Ehemann folgendes Testament in ungewöhnlicher Schreibweise errichtet:

„Unser Letzter wunsch ist es falls ein Ehepartner stirbt als allein Erbe bleibt, erst nach unserem Tode sind dann die Angerhörige berechtigt zu Erben, das ist unser gegenseitiger Wille.“

Ich habe  Antrag auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments gestellt. Das Nachlassgericht hat dann gemeint, es sei gesetzliche Erbfolge nach meiner Mutter eingetreten. Dann habe ich meinen Antrag einen Erbschein als Alleinerbin zu erhalten, auf die gesetzliche Erbfolge gestützt. Hiergegen hat sich u.a. der Neffe des zweiten Mannes meiner Mutter gewandt. Sein Neffe ist der Meinung, dass die Ehegatten im Testament nicht nur eine gegenseitige Erbeinsetzung, sondern zudem eine Vor- und Nacherbfolge bzw. eine bindende Schlusserbeneinsetzung für den Fall des Ablebens des länger lebenden Ehegatten zugunsten der Angehörigen beider Seiten getroffen haben. Wer hat Recht?

Antwort:

Der Neffe ihres Stiefvaters hat recht. Zu Unrecht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die beiden Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament keine Schlusserbeneinsetzung getroffen haben. Es ist zunächst offen, ob die Eheleute sich als Vollerben oder nur als Vorerben einsetzen wollten. Hier hilft die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB:

§ 2269 Gegenseitige Einsetzung
  (1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, durch das sie sich gegenseitig als Erben einsetzen, bestimmt, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Dritte für den gesamten Nachlass als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist.

Ihre Mutter war nach dem Tod des Ehemannes also alleinige Vollerbin. Erst nach ihrem Tod sollten die „Angehörigen“ erben. Dabei sind nicht Sie alleinige Schlusserbin geworden. Vielmehr sind beim Versterben des überlebenden Ehegatten im Zweifel die Verwandten beider Ehegatten berufen, die zur Zeit des zweiten Erbfalls die gesetzlichen Erben gewesen wären. Schlusserben sollten die Angehörigen beider Ehegatten sein. Dabei wäre sowohl eine Verteilung nach Kopfteilen unter den beiderseitigen Verwandten als auch eine zunächst hälftige Aufteilung des Gesamtvermögens unter anschließender weiterer Verteilung an die Verwandten der jeweiligen Ehegatten entsprechend ihrer gesetzlichen Erbteile – was der Regelfall sein dürfte – möglich.

Für Experten: OLG München vom 9. 5. 2012, 31 Wx 269/11

 

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