Vor- und Nacherbfolge haben nicht nur im Zivilrecht oft unerwünschte Nebenwirkung. Sie bereiten in der Abwicklung, z.B. gegenüber dem Grundbuchamt, oft Probleme. Das ist hier aber nicht das Thema, sondern die erbschaftsteuerliche Behandlung.
Zivilrecht
Zivilrechtlich bedeutet Vorerbe, dass eine Person zwar Erbe eines bestimmten Erblassers wird, meistens aber mit dem Tode des Vorerben, die Vorerbschaft noch einmal vom Erblasser vererbt wird, nämlich an den Nacherben. Es ist wie in der Leichtathletik beim Staffellauf. Der Erblasser gibt den Stab an den Vorerben. Dieser ist Erbe auf Zeit. Mit dem Eintritt des sogenannten Nacherbfalls (meistens der Tod des Vorerben) wird der Stab dann an den Nacherben weitergegeben, der ihn dann über die Ziellinie trägt. Zu beachten ist, dass der Stab zivilrechtlich sowohl beim Vorerbfall als auch beim Nacherbfall als vom Erblasser kommend betrachtet wird. Der Vorerbe ist Erbe auf Zeit mit der Berechtigung die Vorerbschaft zu nutzen. Der Nacherbe wird mit Eintritt des Nacherbfalls endgültiger Erbe.
Erbschaftsteuer
Dieser zivilrechtliche Sicht der Dinge, folgt die Erbschaftsteuer nicht. Während das Erbrecht den Nacherben als Nachfolger des Erblassers ansieht, sieht die Erbschaftsteuer den Nacherben als Nachfolger des Vorerben an. Anders ausgedrückt: Die Erbschaftsteuer behandelt den Vorerben wie einen Vollerben und den Nacherben so als erbe er vom Vorerben und nicht vom Erblasser.
Beispiel
Vorerbfall
Der Erblasser setzt sein Kind 1 zum Vorerben und Kind 2 zum Nacherben ein. Kind 1 ist deutlich älter als Kind 2, weshalb die Regelung aus der Sicht des Erblassers Sinn macht. Der Wert der Erbschaft beträgt 2 Mio. Euro. Kind 1 wird so behandelt als erbe es die vollen 2 Mio. Euro (kein Abzug wegen den Verfügungsbeschränkungen der Vorerbschaft) und versteuert nach Abzug des Freibetrages von 400.000 Euro die verbleibenden 1,6 Mio. Euro mit 19 %. Kind 1 hat somit Erbschaftsteuer in Höhe von 304.000 Euro zu zahlen. Kind 1 darf die Erbschaftsteuer aus der Vorerbschaft entnehmen. Der Wert der Vorerbschaft beträgt damit nach Bezahlung der Erbschaftsteuer noch 1.696.000 Euro.
Nacherbfall
Stellen wir uns vor der Nacherbfall tritt mit dem Tode des Kindes 1 ein. Kind 1 ist aber nicht nur Erbe der Vorerbschaft von 1,696 Mio. Euro, sondern hat auch eigenes Vermögen von 2 Mio. Euro. Kind 1 ist kinderlos und hat sein Geschwister, Kind 2 in einem eigenen Testament als Alleinerben eingesetzt. Jetzt gehen mit dem Tod von Kind 1 die 1,696 Mio. Euro vom Vater auf das Kind 2 als alleinigen Nacherben über und zusätzlich die 2 Mio. Euro von Kind 1 auf sein Geschwister Kind 2 als alleinigen Vollerben.
Kind 2 hat jetzt die Möglichkeit einen Antrag nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG zu stellen:
§ 6 ErbStG Vor- und Nacherbschaft
(1) Der Vorerbe gilt als Erbe.
(2) Bei Eintritt der Nacherbfolge haben diejenigen, auf die das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Auf Antrag ist der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen. Geht in diesem Fall auch eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben über, sind beide Vermögensanfälle hinsichtlich der Steuerklasse getrennt zu behandeln. Für das eigene Vermögen des Vorerben kann ein Freibetrag jedoch nur gewährt werden, soweit der Freibetrag für das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen nicht verbraucht ist. Die Steuer ist für jeden Erwerb jeweils nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde.
(3) Tritt die Nacherbfolge nicht durch den Tod des Vorerben ein, gilt die Vorerbfolge als auflösend bedingter, die Nacherbfolge als aufschiebend bedingter Anfall. In diesem Fall ist dem Nacherben die vom Vorerben entrichtete Steuer abzüglich desjenigen Steuerbetrags anzurechnen, welcher der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben entspricht.
(4) Nachvermächtnisse und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse oder Auflagen stehen den Nacherbschaften gleich.
Kind 2 stellt keinen Antrag
Stellt Kind 2 den Antrag nach § 6 II 2 ErbStG nicht, gilt Satz II 1 wonach Kind 2 die Nacherbschaft so zu versteuern hat, als ob sie von Kind 1 stammte. Es werden als die Nacherbschaft und das Eigenvermögen von Kind 1 zusammengerechnet und sind in der Gesamtsumme von Kind 2 so zu versteuern, als käme alles von Kind 1.
Nacherbschaft 1.696.000 Euro
Erbschaft von K 1 2.000.000 Euro
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Gesamterwerb 23696.000 Euro
Da dieser Gesamterwerb so behandelt wird als käme er vom Geschwisterkind 1 hat K2 nur den Geschwisterfreibetrag von 20.000 Euro. Es sind dann 3,676 Mio. Euro mit 30 % zu versteuern. Die zu zahlende Steuer beträgt 1.102.800 Euro.
Kind 2 stellt den Antrag nach § 6 II 2 ErbStG
Stellt Kind 2 den Antrag, ist ist für die Versteuerung der Nacherbschaft das Verhältnis von Kind zum Vater als Erblasser zugrunde zu legen.
Von der Nacherbschaft i.H.v. 1.696.000 Euro wird nach dem Antrag der Freibetrag nach dem Vater von 400.000 Euro abgezogen, so dass 1,296 Mio. steuerpflichtig sind.
Das Eigenvermögen von Kind 1 i.H.v. 2 Mio. ist voll zu versteuern, da der Geschwisterfreibetrag von 20.000 nur insoweit abgezogen werden kann, als der Freibetrag nach dem Vater nicht verbraucht ist. Hier ist er aber voll verbraucht. Es sind hier also 2 Mio. steuerpflichtig.
Der steuerpflichtige Gesamterwerb beträgt somit 3,296 Mio. Euro.
Bei diesem Gesamterwerb beträgt der Steuersatz in der Steuerklasse I für den Erwerb vom Vater 19 % und in der Steuerklasse II für den Erwerb von der Schwester 30 %.
Die Nacherbschaft von 1,296 Mio. wird also mit 19 % versteuert, so dass hierfür eine Erbschaftsteuer von 246.240 Euro anfällt.
Die von Kind 1 kommende Erbschaft von 2 Mio. wird demnach mit 30 % besteuert, so dass hier eine Erbschaftsteuer von 600.000 Euro anfällt.
Die insgesamt zu zahlende Steuer beläuft sich hier auf 846.240 Euro. Der Antrag hat also zu einer Steuerersparnis von 256.560 Euro geführt.
Zu beachten ist hier noch, dass bei der Antragstellung in unserem Fall noch eine weitere Steuervergünstigung nach § 27 ErbStG in Betracht kommen kann, wenn der Nacherbfall innerhalb von zehn Jahren nach dem Vorerbfall eingetreten ist.
Aus Gründen der Vereinfachung haben wir die Bestattungskostenpauschale hier nicht in die Berechnung eingestellt. Diese ist zwischen der Nacherbschaft und der Eigenerbschaft im Wertverhältnis aufzuteilen.