Das Verschaffungsvermächtnis ist eine selbst unter Juristen oftmals unbekannten Vermächtnisart. Was es damit auf sich hat, soll anhand eines Falles, der vor dem Landgericht Rottweil entschieden wurde erklärt werden.
Der Fall des Landgerichts Rottweil
Zwei Brüder stritten vor dem Landgericht. Der Bruder K verlangte von seinem Bruder B die Erfüllung eines Verschaffungsvermächtnisses auf den Tod ihrer Mutter.
Die Eltern der beiden Brüder hatten in Gütergemeinschaft gelebt. Der Vater V starb zuerst und wurde gesetzlich von der Mutter zu 1/4 und von den beiden Brüdern K und B zu je 3/8 beerbt, wie dies bei der Gütergemeinschaft der Fall ist. Nach dem Testament der Mutter waren die beiden Brüder zu je ½ als Erben eingesetzt.
Das notarielle Testament der Mutter enthält folgende Regelungen:
§ 2
Bei der Auseinandersetzung unter den Erben darf mein Sohn K das Wohnhaus in sein alleiniges Eigentum übernehmen mit folgenden näheren Bestimmungen:
1. Dieses Grundstück ist alsbald nach meinem Ableben durch den Gutachterausschuss amtlich zu schätzen. Bei dieser Schätzung hat der Grund und Boden außer Ansatz zu bleiben, so dass nur die aufstehenden Gebäulichkeiten zu bewerten sind. Dieser amtliche Gebäude-Schätzwert stellt dann den Übernahmepreis dar. Nach Vorlage des Schätzungsergebnisses hat mein Sohn K unverzüglich zu erklären, ob er zu diesen Bedingungen das Übernahmerecht ausüben will. Bei Übernahme hat K die Schätzungskosten zu tragen.
2. Die Grundstücksübernahme erfolgt in Anrechnung auf die Erbbeteiligung. Die sich danach ergebende Gleichstellungsforderung seines Bruders B hat der Grundstücksübernehmer ein Jahr nach meinem Ableben zum Schlusse des Kalendermonats zu begleichen, und zwar bis dahin zinsfrei bleibend. …
4. Meine Erben sind verpflichtet, meinem Sohn K dementsprechend gem. §§ 2170 ff BGB das Eigentum zu verschaffen.
5. Der Grund und Boden ist deshalb bei der Schätzung nicht mit zu veranschlagen, weil der Sohn B bereits 1972 den von unserem Anwesen abgehenden Bauplatz über 590 qm zum Voraus ohne Entschädigung erhalten hat.
Notarielles Testament der Mutter
Für das Wohnhaus wurde ein Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses eingeholt. . Nach dem Gutachten wurden die Gebäulichkeiten (ohne Grund und Boden) mit 61.301,00 € bewertet.
Der K hat erklärt, dass er vom Übernahmerecht Gebrauch macht.
Der B hat vor Jahren den Grund und Boden des Nachbargrundstücks zum Wohnhaus, auf das das von ihm gebaute und bewohnte Gebäude steht, von den Eltern erhalten.
Der B hat nach dem Tod der Mutter gegenüber dem Nachlassgericht die Anfechtung des Testaments der Mutter erklärt. Er begrünet die Anfechtung des Testaments seiner Mutter damit, sie habe in ihrem Testament über das Wohnhaus verfügt, über das sie selbst nicht allein habe verfügen können. Das Wohnhaus habe den Eltern in Gütergemeinschaft gehört. Die Hälfte das Vaters sei ja auch zu je 3/8 übergegangen. Diese Anteile an der Gütergemeinschaft hätten der Mutter nicht gehört. Sie habe darüber nicht verfügen können. Sie habe habe sich im Irrtum hierüber befunden.
Der K vertrat vor dem Landgericht die Auffassung, dass ihm nach dem Testaments der Mutter ein Anspruch auf Übertragung des Alleineigentums am Wohnhausgrundstück gegen eine Ausgleichungszahlung von 30.650,50 € zusteht. Die erklärte Anfechtung des Testaments durch seinen Bruder sei unwirksam.
Der K beantragt daher beim Landgericht:
Der Beklagte wird verurteilt, das Grundstück Wohnhausstraße 33 in W-Stadt Flurstück Nr. XY , Grundbuch Nr. XYZ 604 qm, an den Kläger aufzulassen und die Eintragung des Klägers als Alleineigentümer im Grundbuch Zug um Zug gegen Zahlung von 30.650,50 € zu bewilligen.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Der B ist zudem der Meinung, dass der Gebäudeschätzwert mit 61.301,00 € der Übernahmepreis sei und dieser Betrag vom Kläger bei Übernahme bezahlt werden müsse.
Die Entscheidung
Der Klage von K wurde vom Landgericht in vollem Umfang stattgegeben .
Die Testamentsanfechtung des B gings ins Leere.
Es lag nämlich kein Irrtum der Erblasserin über den rechtlichen Gehalt der von ihr errichteten Verfügung von Todes wegen vor. Ihre Verfügung wurde vom Gericht nämlich gerade als sinnreich erachtet, weil das streitgegenständliche Grundstück gerade nicht im alleinigen Eigentum der Mutter stand, sondern zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehört hat. Gehört ein Grundstück rechtlich nicht zum Nachlass, ist es aber wirtschaftlich darin enthalten, weil es zu einem ungeteilten Gesamthandvermögen gehört, an dem der Erblasser beteiligt ist, liegt ein Verschaffungsvermächtnis nahe. Dies gilt insbesondere für das Gesamtgut einer Gütergemeinschaft.
Die Auslegung des Testaments durch das Gericht ergab, dass dem K ein Anspruch gegen den B ein Anspruch aus einem Verschaffungsvermächtnis zustand. Dem Testament war eindeutig der Wille der Mutter zu entnehmen, beide Söhne, K und B, gleich zu behandeln. Dies zeigt die Regelung, dass beide Söhne jeweils ein Grundstück kostenlos erhalten, der Kläger das Wohnhausgrundstück und der B das nahezu gleich große Nachbargrundstück. Da das Wohnhausgrundstück bereits bebaut ist, während der B die Aufwendungen für die Bebauung des Nachbargrundstücks5 selbst zu tragen hatte, ist im Testament geregelt, dass ein Ausgleich hierfür zu erfolgen hat, indem der Grundstückswert des Wohnhausgrundtücks ohne Grund und Boden zu ermitteln ist. So regelt dies das Testament. Der Wert des Grundstücks ist zu ermitteln, Grund und Boden bleiben außen Ansatz.. Dieser Wert wurde vom Gutachterausschuss mit 61.301,00 € ermittelt. Dies stellt den Übernahmepreis dar. Da die Grundstücksübernahme in Anrechnung auf die Erbbeteiligung erfolgt und die Parteien Erben je zu ½ sind, führt dies dazu, dass sich eine Gleichstellungsforderung in Höhe der Hälfte von 61.301,00 €, also mithin in Höhe von 30.650,50 €, ergibt. Dieser abgekürzte Leistungsweg führt zu der von der Erblasserin offenkundig angestrebten Gleichbehandlung ihrer beiden Söhne.
Entgegen der Auffassung des B steht der Wortlaut des Testaments: „Dieser amtliche Gebäude-Schätzwert stellt dann den Übernahmepreis dar“ dem nicht entgegen. Der Übernahmepreis beträgt tatsächlich 61.301,00 €, dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Zahlung in dieser Höhe zu erfolgen hat. Denn es ist die Anrechnung auf die Erbbeteiligung im Testamens bestimmt und hier geregelt, dass lediglich eine Gleichstellungszahlung zu erfolgen hat.