Elternunterhalt: Wann Kinder für Vater und Mutter zahlen müssen

Elternunterhalt: Wann Kinder für Vater und Mutter zahlen müssen

Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby

1. Unterhaltsrecht

Kinder sind ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig. § 1601 BGB bestimmt, dass Verwandte in gerader Linie (Großeltern, Eltern, Kinder, Enkelkinder etc) verpflichtet sind einander Unterhalt zu gewähren. Kinder m.üssen also für ihre Eltern grundsätzlich aufkommen. Der Anspruch besteht aber nur, wenn die Eltern bedürftig sind (z.B. das Geld reicht für die Heimkosten nicht) und die Kinder leistungsfähig sind. Der Anspruch der Eltern auf Unterhalt ist allerdings ein schwacher Anspruch im Unterhaltsrecht. Unterhaltsansprüche der eigenen Kinder oder des Ehegatten gehen vor. Wenn das Geld für die Heimkosten der Eltern nicht ausreicht, müssen die Kinder nur zahlen, wenn sie selber leistungsfähig sind. Die entscheidende Frage ist, wie viel Geld die Kinder für die Eltern abzweigen können, ohne den eigenen Lebensstandard wesentlich zu schmälern. Der BGH hat entschieden, dass niemand seine eigene Lebensführung wegen der Zahlung von Elternunterhalt spürbar und dauerhaft einschränken muss, es sei denn er lebte in Luxus.

2. Sozialamt

Besteht ein Anspruch auf Elternunterhalt, kann das Sozialamt diesen Anspruch „auf sich überleiten“. Mit anderen Worten: das Sozialamt fährt seine Krallen aus und macht an Stelle der Eltern, die sich im Heim befinden, die Ansprüche auf Zahlung gegen die Kinder geltend. Ob die Eltern das wollen oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Die Geltendmachung erfolgt schriftlich mit einem Schreiben, dass in der Fachsprache „Rechtswahrungsanzeige“ genannt wird. Dieser Brief wahrt die Rechte des Sozialamts, d.h. ab dem Zeitpunkt seines Zugangs ist der Empfänger verpflichtet Unterhalt zu zahlen, wenn die weiteren Voraussetzungen, wie vor allem die Leistungsfähigkeit vorliegen.  Man wird daher in der Rechtswahrungsanzeige schriftlich aufgefordert, Auskunft über die eigene Leistungsfähigkeit und die des Ehegatten zu erteilen. Die Betroffenen sind zur Auskunftserteilung nach dem Gesetz verpflichtet.

3. Sind die Eltern wirklich vermögenslos?

Die Eltern haben ihr gesamtes Vermögen einzusetzen, bevor sie ihre Kinder auf Unterhalt in Anspruch nehmen können. Es ist folgende Liste zu prüfen:

  • Ist das gesamte Vermögen aufgebraucht, also auch wirklich alle Sparguthaben (bis auf Notgroschen von 2.600 Euro)?
  • Alle Ansprüche des Elternteils sind geltend zu machen: Darlehensforderungen, Erbansprüche, Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse, Schadensersatzansprüche etc.
  • Schenkungen (auch Hausübergabe an Geschwister!) aus den letzten zehn Jahren, die das betreffende Elternteil gemacht hat, können vom Beschenkten zurückgefordert werden oder der Beschenkte zahlt den Fehlbetrag monatlich bis der Schenkungswert erreicht wird.
  • Vorbehaltener Nießbrauch der Eltern ist in Geld umzusetzen, z.B. in monatliche Mietzahlungen
  • Ein vorbehaltenes Wohnrecht der Eltern ist nach Auszug der Eltern ins Heim regelmäßig für die Eltern wertlos, so dass das Sozialamt hierfür keine Ersatzmiete verlangen kann.
  • Sind alle Rentenanträge für die Eltern gestellt, z.B. auch Unfall- oder Betriebs- oder Grundsicherungsrente?
  • Wurde Pflegegeld bei der Pflegeversicherung beantragt?
    Tipp: Achten sie auf die Einstufung des Pflegegrades, da die Heimkosten mit dem höheren Pflegegrad stärker steigen als das Pflegegeld
  • Gibt es Steuererstattungsansprüche der Eltern?
  • Gibt es vorrangige Unterhaltsansprüche gegen einen geschiedenen Ehegatten des betroffenen Elternteils?
  • Selbst Rücklagen für die Bestattungskosten sind aufzubrauchen
4. Berechnung des Elternunterhalts

Der Elternunterhalt wird nach folgender Formel berechnet:

Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes (Jahresnettoeinkommen plus Wohnvorteil für angemessene Wohnung i.H.v. ca. 1/3 des Jahreseinkommens, wenn eigenes Haus / Wohnung vorhanden)

./. Ausgaben des Kindes, soweit abzugsfähig (5 % des Nettoeinkommens als berufsbedingte Aufwendungen + 5 % des Bruttoeinkommens als zusätzliche Altersvorsorge – Selbstständige bis 25 % des Bruttoeinkommens – +  Finanzierungen wie PKW- oder Hauskredit + Grundsteuer + Gebäudeversicherung +  Hausratversicherung + Schornsteinfeger)

./. Freibetrag (Alleinstehende mindestens 1.800 Euro,; für den Ehegatten kommen mindestens 1.440 Euro hinzu, insgesamt also mindestens 3.240 Euro)
———————————————-
= Einsetzbares Einkommen
x 1/2
———————————————-
Elternunterhalt (kann noch durch Hinzutreten weiterer Geschwister minimiert werden, wenn deren gesamte Leistungsfähigkeit den Unterhaltsbedarf übersteigt, dann wird der Betrag der Geschwister im Verhältnis ihrer Leistungsfähigkeit gekürzt).

5. Berechnungsbeispiel Doppelverdiener-Ehe
  • bereinigtes Monatseinkommen Mann 3.000 Euro
  • bereinigtes Monatseinkommen Ehefrau 1.000 Euro
  • ergibt ein Familieneinkommen von 4.000 Euro
  • Freibetrag unterhaltspflichtiger Mann 1.800 Euro
  • Freibetrag Ehefrau 1.440 Euro
  • ergibt Familienfreibetrag 3.240 Euro
  • Familieneinkommen liegt 760 Euro über Familienfreibetrag
  • hiervon 50 % zusätzlicher Selbstbehalt: 380 Euro
  • Familienselbstbehalt damit 3.620 Euro
  • Mann erzielt 75 % des Familieneinkommens
  • 75 % des Familienselbstbehalts = 2.715
  • 3.000 minus 2.418,75 = 285 Euro Elternunterhalt
6. Vermögenseinsatz

Reicht das Kindeseinkommen für die Heimkosten nicht aus, muss man auch sein sonstiges Vermögen für den Unterhalt der Eltern einsetzen, also Häuser, Eigentumswohnungen, Ferienhäuser, Geldanlagen, Grundstücke etc.

Es genießen aber Vermögensschutz als Schonvermögen:

  • das selbst genutzte Familienwohnheim
  • Berufsgegenstände
  • Familien-Pkw
  • Vermögen, das der eigenen Altersvorsorge dient ( bei Selbstständigen 25 % des Bruttoeinkommens, bei Angestellten nur 5 % des Bruttoeinkommens, weil daneben gesetzliche Rentenversicherung existiert).

Fanden Sie diesen Artikel hilfreich?

Erbrechtkanzlei Ruby – Wir machen nur Erbrecht – Wir helfen Ihnen – Überall in Deutschland – Tel. 07721 / 9930505

Wichtig: Auch wenn sich auf unserer Homepage vieles für Sie einfach darstellen mag, fehlt auch dem intelligentesten Laien der Gesamtüberblick im Erbrecht. Oft werden schwierigste Punkte, die scheinbar im Vordergrund stehen, verstanden, grundlegende andere Probleme, die für den konkreten Fall wirklich entscheidend sind, aber gar nicht gesehen. Wir empfehlen Ihnen daher, unsere günstige Erstberatung, bei der sie auf jeden Fall eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kostenlos erhalten. Sparen Sie nicht am falschen Ort. Oft müssen die Erben später viele Jahre prozessieren und Zigtausende an Anwalts- und Gerichtskosten zahlen, nur weil der Erblasser die geringen Erstberatungskosten sparen wollte.

Das könnte Sie auch interessieren