Europäisches Nachlasszeugnis
Europäisches Nachlasszeugnis. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen. 

Europa, wir kommen

Seit dem 17. August 2015 gilt die Europäische Erbrechtsverordnung für Todesfälle in Europa. Seit diesem Tag gibt es auch das Europäische Nachlasszeugnis. Es ist quasi der Europäische Erbschein. Es soll die Abwicklung von Erbfällen in Europa erleichtern.

Artikel 62 EuErbVO Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses

(1) Mit dieser Verordnung wird ein Europäisches Nachlasszeugnis (im Folgenden „Zeugnis”) eingeführt, das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird und die in Artikel 69 aufgeführten Wirkungen entfaltet. (
2) Die Verwendung des Zeugnisses ist nicht verpflichtend.
(3) Das Zeugnis tritt nicht an die Stelle der innerstaatlichen Schriftstücke, die in den Mitgliedstaaten zu ähnlichen Zwecken verwendet werden. Nach seiner Ausstellung zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat entfaltet das Zeugnis die in Artikel aufgeführten Wirkungen jedoch auch in dem Mitgliedstaat, dessen Behörden es nach diesem Kapitel ausgestellt haben.

Artikel 69 EuErbVO Wirkungen des Zeugnisses

(1) Das Zeugnis entfaltet seine Wirkungen in allen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf.
(2) Es wird vermutet, dass das Zeugnis die Sachverhalte, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht oder einem anderen auf spezifische Sachverhalte anzuwendenden Recht festgestellt wurden, zutreffend ausweist. Es wird vermutet, dass die Person, die im Zeugnis als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter genannt ist, die in dem Zeugnis genannte Rechtsstellung und/oder die in dem Zeugnis aufgeführten Rechte oder Befugnisse hat und dass diese Rechte oder Befugnisse keinen anderen als den im Zeugnis aufgeführten Bedingungen und/oder Beschränkungen unterliegen.
(3) Wer auf der Grundlage der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben einer Person Zahlungen leistet oder Vermögenswerte übergibt, die in dem Zeugnis als zur Entgegennahme derselben berechtigt bezeichnet wird, gilt als Person, die an einen zur Entgegennahme der Zahlungen oder Vermögenswerte Berechtigten geleistet hat, es sei denn, er wusste, dass das Zeugnis inhaltlich unrichtig ist, oder ihm war dies infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt.
(4) Verfügt eine Person, die in dem Zeugnis als zur Verfügung über Nachlassvermögen berechtigt bezeichnet wird, über Nachlassvermögen zugunsten eines anderen, so gilt dieser andere, falls er auf der Grundlage der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben handelt, als Person, die von einem zur Verfügung über das betreffende Vermögen Berechtigten erworben hat, es sei denn, er wusste, dass das Zeugnis inhaltlich unrichtig ist, oder ihm war dies infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt. (5) Das Zeugnis stellt ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats dar, unbeschadet des Artikels 1 Absatz 2 Buchstaben k und l.

Der EU-Erbschein

Das Europäische Nachlasszeugnis ist der EU-Erbschein. In allen EU-Staaten, in denen die Europäische Erbrechtsverordnung gilt, wird das EU-Nachlasszeugnis anerkannt. Nur in Dänemark und Irland gilt es nicht. Natürlich auch nicht im Brexit-Land Großbritannien. Welches nationale Erbrecht gilt, kann der Erblasser durch Rechtswahl festlegen. Ansonsten wird es nach seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort bestimmt. Man kann entweder sein Heimat-Erbrecht wählen. So kann der Deutsche, der in Spanien lebt, deutsches Erbrecht wählen. Das Wahlrecht gilt dann für den gesamten Nachlass; also auch für den spanischen. Trifft man keine Rechtswahl in seinem Testament, gilt das Erbrecht des gewöhnlichen Aufenthalts. Der Deutsche Rentner der seinen Lebensmittelpunkt nach Spanien verlegt hat, wird dann nach spanischem Erbrecht beerbt. Zuständig für die Abwicklung des gesamten Nachlasses ist dabei das Gericht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts.

Der Antrag

auf ein Europäisches Nachlasszeugnis kann gestellt werden von

  • Erben
  • Vermächtnisnehmern
  • Testamentsvollstreckern
  • Nachlassverwaltern

Anders als im deutschen Erbrecht den Erbschein können Nachlassgläubiger das Europäische Nachlasszeugnis nicht beantragen. Der Antrag wird beim örtlich zuständigen Nachlassgericht, also in Deutschland beim Amtsgericht gestellt. Zuständig ist das Amtsgericht in dessen Bezirk der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Verhältnis zum deutschen Erbschein

Ein deutscher Erbschein kann neben dem Europäischen Nachlasszeugnis beantragt werden. Liegt aber ein Europäisches Nachlasszeugnis vor, ist ein Erbschein nicht noch zusätzlich notwendig. Allerdings hat die Sache einen dicken Haken. Das Europäische Nachlasszeugnis gilt nur sechs Monate lang. Ob das für Einträge in den europäischen Grundstücksregistern und Grundbuchämtern ausreicht, darf bezweifelt werden. Die Verlängerung der Gültigkeit kann allerdings immer wieder beantragt werden. Zu beachten ist ferner, dass 75 % der Kosten des deutschen Erbscheins auf das Europäische Nachlasszeugnis angerechnet werden. Während der deutsche Erbschein nur die Erbenstellung nachweist, kann mit dem Europäischen Nachlasszeugnis auch die Stellung als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter nachgewiesen werden.

 

 

 

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