Verarmung des Schenkers: Rückforderung durch Sozialamt bei Investitionen ins Haus. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Rückforderung durch Sozialamt bei Investitionen ins Haus
1. Wie „tickt“ das Sozialamt?
Kurz vorneweg: Ich spreche hier im Folgenden nicht vom Sozialamt, sondern von den „Sozialleistungsträgern„. Denn nicht nur das Sozialamt gewährt Sozialleistungen (Sozialhilfe), sondern auch das Jobcenter bei Hartz IV. Rückforderungsrechte wegen des geschenkten Hauses haben der bedürftig gewordene Schenker selbst und eben die Sozialleistungsträger (Sozialamt und Jobcenter). Es gibt Fälle, in denen alle drei Rückforderungsansprüche nebeneinander geltend machen.
2. Nachrang der Sozialleistungen
Es gilt der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe. Sozialhilfe ist immer nachrangig. Vorrangig muss der Bedürftige sein eigenes Vermögen einsetzen. Erst wenn dieses verbraucht ist, kommt die Sozialhilfe zum Zuge.
Um diesen Grundsatz zu sichern, kann der Sozialleistungsträger Hilfe verweigern und den Bedürftigen darauf verweisen zunächst seine eigenen Rechte geltend zu machen. Der Sozialleistungsträger sagt im Klartext: Du hast das Recht deine Schenkung zehn Jahre lang zurückzufordern, wenn du nach der Schenkung des Hauses verarmt bist. Also tu das auch. Wir geben Dir nichts.
Dieses Verhalten ist aber nicht rechtens, wenn diese Rechte des Bedürftigen nicht zu „bereiten Mitteln“ führen, die der Bedürftige in angemessener Zeit zur Verfügung hat. Man kann den Bedürftigen ja nicht verhungern lassen. Verhält sich der Sozialleistungsträger rechtmäßig wird er Leistungen gewähren, aber im gleichen Zug Rechte des Bedürftigen gegen andere auf sich überleiten. Das kann er nach dem Gesetz. Er kassiert also sozusagen den Anspruch auf Rückforderung des geschenkten Hauses, den der Schenker hat, und macht diesen dann an Stelle des Schenkers selbst geltend. Damit ist der Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe dann wieder hergestellt. Zu beachten ist, dass nicht das Haus als Ganzes zurückgegeben werden muss, sondern die fehlenden Kosten für den Lebensunterhalt monatlich zu zahlen sind, bis der Schenkungswert erreicht ist (also zum Beispiel die Lücke für die Heimunterbringungskosten nach Abzug der Rente und des Pflegegeldes).
3. Was kann an Schenkungen zurückgefordert werden?
Verarmt der Schenker innerhalb von zehn Jahren seit der Schenkung, zum Beispiel weil er das Geld für ein Alten- und Pflegeheim, in dem er leben muss, nicht hat, kann grundsätzlich jedes Geschenk bis zu seinem vollen Wert zurückgefordert werden (wobei aber nur Wertersatz mit monatlicher „Lückenzahlung“ zu leisten ist (s.o.1.1). Allerdings kann der Beschenkte auch das gesamte Haus bzw. Geschenk zurückgeben, wenn ihm die Auseinandersetzung mit der Sozialbehörde zu lästig ist.) Wenn der Jurist „grundsätzlich“ sagt, gibt es aber immer Ausnahmen (dazu unten mehr).
Zurückgefordert werden können
Schenkungsanteil des übertragenen Hauses bzw. Hauswert
Gleichstellungsgelder und Abfindung für die weichenden Geschwister, die das Haus nicht übernommen haben
Geldgeschenke
alle Geschenke, auch ein geschenktes Wohnrecht oder Nießbrauchsrecht, das einem anderen zugewendet wurde (also kein sich selber als Schenker vorbehaltenes Wohnungsrecht).
4. Vorherige Investitionen in die geschenkte Immobilie, die zurückgefordert wird
Ich habe in ein Wohnhaus meiner Mutter, das ich mit meiner Familie bewohne, erhebliche Modernisierungsaufwendungen im Wert von 200.000 Euro aufgebracht, weil ich das Haus ohnehin einmal erben sollte. Später hat mir dann die Mutter das Haus im Wege der „vorweggenommenen Erbfolge“ übertragen. Jetzt nimmt mich das Sozialamt auf Rückgabe des Geschenks in Anspruch. Kann ich die Investitionen abziehen?
Ja. Dabei ist aber nicht auf den Wert der Modernisierungsmaßnahmen im Modernisierungszeitpunkt abzustellen. Der Bundesgerichtshof sagt, es ist der Wert zugrunde zu legen, den diese Maßnahmen im Zeitpunkt des abzuschätzenden Todes ihrer Mutter noch haben (also voraussichtliche Lebenserwartung). Dieser Wert ist dann in einem weiteren Schritt auf den Zeitpunkt der vorweggenommenen Erbfolge abzuzinsen. Beispiel: Modernisierungskosten 200.000. Wert im Zeitpunkt des Ablebens der Mutter nach der allgemeinen Lebenserwartung noch 150.000. Abzinsung auf den Tag des Übergabevertrages 120.000. Dieser Wert würde dann dem Hauswert (z.B. 300.000) gegenübergestellt, so dass nur bis zum Wert von 180.000 Wertersatz zu leisten wäre.
5. Nachherige Investitionen in die geschenkte Immobilie, die zurückgefordert wird
Hier entstehen dann Bereicherungsansprüche gegen die Schenkerin, die als Entgelt gegen den Schenkungswert der Immobilie aufzurechnen sind. Dabei sind wieder nicht die reinen Investitionskosten abzuziehen, sondern die Mietwertsteigerung für die Nutzungszeit der Investitionen ist zu berechnen. Also der Wert, um den ein Eigentümer die Miete hätte erhöhen können, wenn er die Investitionen gemacht hatte. Hätten die Investitionen zu einer Mieterhöhung von 500 Euro im Monat geführt und wäre die abzuschätzende Nutzungszeit ein Zeitraum von 20 Jahren, wäre dies ein Betrag von 120.000 Euro, der dann gemindert um die Mietwerte der Eigennutzung des Beschenkten (z.B. minus 20.000 Euro für 3 Jahre und vier Monate = 100.000) auf den Zeitpunkt der Sozialleistungsgewährung abzuzinsen wäre (z.B. 100.000 die in den nächsten 16 Jahren und 8 Monaten zu erwarten sind ergeben 60.000 Euro, die dann vom Hauswert, z.B. 260.000 Euro abzuziehen sind, so dass nur bis 200.000 Euro „Lückenzahlungen“ erfolgen müssen.