Französisch-deutsche Erbschaft: Horrorbesteuerung mit 72 Prozent

Horrorbesteuerung einer deutsch-französischen Erbschaft mit 72 Prozent. Deutsch-französische Kapitalvermögens-Erbschaft. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby

⚖️ Doppelbesteuerung bei deutsch-französischer Erbschaft: 72 % Steuer!

Ein deutsch-französischer Erbfall sorgte für Aufsehen:
Eine Erbin aus Deutschland erhielt Kapitalvermögen von ihrer in Frankreich lebenden Großtante. Das Ergebnis: eine Gesamtsteuerbelastung von fast 72 % – durch Erbschaftsteuer in beiden Ländern.

Deutsch-französische Kapitalvermögens-Erbschaft

Mit Urteil vom 21. Dezember 2011 (Az.: 7 K 1935/10) hat der 7. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg entschieden, dass ein in
Deutschland ansässiger Erbe die auf das geerbte französische Kapitalvermögen entfallende deutsche Erbschaftsteuer auch dann hinnehmen muss, wenn die Gesamtbelastung sowohl mit französischer als auch mit deutscher Erbschaftsteuer fast 72% beträgt.

🇫🇷 + 🇩🇪 Zwei Länder – zwei Steuerbescheide:

  • Frankreich:
    Besteuerte den Nachlass mit 55 % Erbschaftsteuer, da die Erbin eine Großnichte war und damit in Frankreich unter eine sehr hohe Steuerklasse fiel.

  • Deutschland:
    Setzte zusätzlich 17 % Erbschaftsteuer auf dasselbe Kapitalvermögen fest – weil die Erbin in Deutschland wohnte.

➡️ Gesamtbelastung: rund 72 %

Im Streitfall hatte der französische Fiskus auf das französische Kapitalvermögen eine Steuer von 55% nach dem für die Klägerin (als Großnichte der Erblasserin) geltenden französischen Steuersatz erhoben. Diese Besteuerung hatte die Klägerin zwar hingenommen, sich anschließend jedoch gegen die parallel dazu anfallende deutsche Erbschaftsteuer gewehrt. Die Bemühungen der Klägerin führten
zum Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Frankreich, das auf den hier streitigen Erbfall aber noch nicht angewendet werden konnte. Die Klägerin vertrat vor dem
Finanzgericht die Auffassung, die Erhebung der Erbschaftsteuer in Deutschland sei mit verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben nicht vereinbar.

🧾 Das Problem: Kein Schutz vor Doppelbesteuerung

Zum Zeitpunkt des Erbfalls (vor 2009) gab es noch kein wirksames Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und Frankreich zur Erbschaftsteuer.

➡️ Folge: Die Steuern beider Länder wurden voll erhoben, ohne Anrechnung oder Abzugsmöglichkeit.


⚖️ Das Urteil: Keine Steueranrechnung – trotz 72 %

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied:

  • Deutschland muss die französische Steuer nicht anrechnen oder abziehen

  • Eine solche Belastung sei verfassungsrechtlich und europarechtlich zulässig

  • Eine steuerliche „Horrorbesteuerung“ sei rechtlich hinzunehmen

🧩 Kernaussagen m Klartext:

  • Ohne DBA gibt es keine Steueranrechnung

  • Die deutsche Steuer gilt unabhängig von der bereits gezahlten französischen

  • Eine Belastung über 50 % ist nicht automatisch verfassungswidrig

  • Nur in Härtefällen kann eine Billigkeitsregelung helfen (§ 163 AO)

Dem ist der 7. Senat des FG BaWü nicht gefolgt. Beim gegenwärtigen Entwicklungsstand des Unionsrechts verfügten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union über eine gewisse Autonomie in der Gestaltung ihres Steuersystems, die die Bundesrepublik Deutschland weder zu einer Anrechnung der französischen Erbschaftsteuer auf die deutsche Steuer noch zu einem Abzug der französischen Steuer von der für die deutsche Erbschaftsteuer zu berechnenden Bemessungsgrundlage verpflichte. Darin liege weder eine Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten noch ein unzulässiger Eingriff in das Eigentum oder das Erbrecht der Klägerin.

Hier die Leitsätze des Urteils (FG Baden-Württemberg Urteil vom 21.12.2011 – 7 K 1935/10):

1. Das DBA-Frankreich ist hinsichtlich der Erbschaftsteuer nur auf Erbfälle anzuwenden, die nach seinem Inkrafttreten am 3.4.2009 eingetreten sind.

2. Haben der Erblasser und die Erbin ihren Wohnsitz in Deutschland, ist die in Frankreich erhobene Erbschaftsteuer auf Kapitalvermögen in Frankreich, das nach der Definition des § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i. V. m. § 121 BewG nicht zum Auslandsvermögen gehört, nicht auf die deutsche Erbschaftssteuer anzurechnen.

3. Die von dem Erben zu zahlende französische Erbschaftsteuer ist nach § 10 Abs. 8 ErbStG nicht von der deutschen Erbschaftsteuer abzuziehen.

4. Die Besteuerung des Erwerbs von Auslandsvermögen nach § 21 ErbStG, für den auch ausländische Erbschaftsteuer gezahlt wird, verstößt weder gegen die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit noch gegen das Diskriminierungsverbot und die Eigentumsgarantie nach europäischem Recht.

5. Führt die Doppelbesteuerung zu einem Härtefall, ist dies durch nationale Billigkeitsregelungen auszugleichen.

6. Aus Art. 6 des EU-Vertrages folgt kein generelles Übermaßverbot, das eine Gesamtsteuerbelastung der Besteuerung durch zwei Mitgliedstaaten in Höhe von mehr als 50 % verbietet. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer verschließt sich schon wesensgemäß der Anwendung eines Halbteilungsgrundsatzes.

🏛️ Der BFH bestätigt: Kein Gestaltungsspielraum

Die Klägerin ging in die Revision – doch der Bundesfinanzhof (BFH, Az. II R 10/12) bestätigte das Urteil.
Die Doppelbesteuerung sei zwar belastend, aber rechtlich zulässig – solange kein Abkommen zur Steuervermeidung existiert.

Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) ein (Az. II R 10/12). Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts und stellte klar, dass die Doppelbesteuerung in solchen Fällen durch nationale Billigkeitsregelungen ausgeglichen werden könne, sofern ein Härtefall vorliege.

Dieses Urteil verdeutlicht die steuerlichen Herausforderungen bei grenzüberschreitenden Erbschaften und unterstreicht die Bedeutung von Doppelbesteuerungsabkommen zur Vermeidung solcher Belastungen.

💡 Fazit für  Erbfälle

Vor dem Erbfall prüfen:

  • Gilt das Doppelbesteuerungsabkommen? (Für deutsch-französische Erbfälle jetzt in Kraft ab 3. April 2009)

  • Wer ist der Erblasser, wo lebt die Erbin?

  • Wie hoch ist die Steuerlast in beiden Ländern?

Ohne DBA droht bei Kapitalvermögen:

  • Volle Besteuerung in beiden Staaten

  • Keine automatische Anrechnung oder Entlastung

  • Gesamtbelastung von über 70 % möglich!

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)  F – D auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Dieses Abkommen wurde am 12. Oktober 2006 unterzeichnet und trat am 3. April 2009 in Kraft. Es dient dazu, eine doppelte Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen zu vermeiden, die sowohl in Deutschland als auch in Frankreich steuerpflichtig wären.

Fanden Sie diesen Artikel hilfreich?

Erbrechtkanzlei Ruby – Wir machen nur Erbrecht – Wir helfen Ihnen – Überall in Deutschland – Tel. 07721 / 9930505

Wichtig: Auch wenn sich auf unserer Homepage vieles für Sie einfach darstellen mag, fehlt auch dem intelligentesten Laien der Gesamtüberblick im Erbrecht. Oft werden schwierigste Punkte, die scheinbar im Vordergrund stehen, verstanden, grundlegende andere Probleme, die für den konkreten Fall wirklich entscheidend sind, aber gar nicht gesehen. Wir empfehlen Ihnen daher, unsere günstige Erstberatung, bei der sie auf jeden Fall eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kostenlos erhalten. Sparen Sie nicht am falschen Ort. Oft müssen die Erben später viele Jahre prozessieren und Zigtausende an Anwalts- und Gerichtskosten zahlen, nur weil der Erblasser die geringen Erstberatungskosten sparen wollte.

Das könnte Sie auch interessieren