Kuckuck

Kuckuckskinder gelten als Kinder des Vaters. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Kuckuckskinder gelten als Kinder des Vaters

Kuckuckskind ist eine volkstümliche Bezeichnung für ein Kind, dessen vermeintlicher Vater es großzieht, ohne zu wissen, dass er nicht der biologische Erzeuger ist. Der Ausdruck ist angelehnt an den Vogel Kuckuck der Brutparasitismus betreibt, indem er seine Eier in fremde Nester legt. Schätzungen zufolge soll jedes zehnte eheliche Kind ein Kuckuckskind sein. Ehemänner, die an ihrer biologischen Vaterschaft zweifeln, zweifeln Studien zufolge in 15 bis 50 % der Fälle zu Recht. Ein Kind das in eine bestehende Ehe hineingeboren wird, gilt rechtlich als Kind des Ehemannes auch wenn es von einem anderen Mann stammt, solange die Vaterschaft nicht gerichtlich angefochten (Vaterschaftsanfechtungsklage) und das Nichtbestehen der Vaterschaft rechtskräftig durch Gerichtsurteil festgestellt ist.

1. Pflichtteilsberechtigung eines nichtehelichen Kindes, das in eine bestehende Ehe hineingeboren wurde

Mein Vater ist 1996 gestorben. Ich bin das einzige Kind und mache meinen Pflichtteil geltend. Ich wurde 1945 während der ersten Ehe meines Vaters mit meiner Mutter geboren. Die Ehe meines Vaters mit meiner Mutter wurde 1947 geschieden. Dabei wurde im Scheidungsurteil festgestellt, dass ich von einem fremden Mann gezeugt worden bin. Mein Vater hat nicht angefochten, dass ich als eheliche Tochter gelte, weil ich in die Ehe hineingeboren wurde. Später hat mein Vater wieder geheiratet. Er hat seine zweite Frau in seinem Testament zur Alleinerbin eingesetzt. Kann ich meinen Pflichtteil verlangen?

Ja, Sie können einen Pflichtteil von 1/4 verlangen. Ihr Vater hat versäumt,  Ihre vom Gesetz vermutete Ehelichkeit anzufechten, so dass Ihnen nach der Vaterschaftsvermutung des § 1591 Abs. 1 BGB a. F. der Status eines ehelichen Kindes zukommt, nachdem sie während der Ehe geboren wurden. Es galt und gilt der alte römische Rechtssatz: „pater est, quem nuptiae demonstrant“ („Vater ist, wer durch die Heirat als solcher erwiesen ist“, vgl. § 1592 BGB n.F: „Vater eines Kindes ist der Mann, 1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist“, wobei Schätzungen davon ausgehen, dass rund 10 % der ehelichen Kinder sogenannte Kuckuckskinder sind).

§ 1591 BGB a.F.
   (1) Ein Kind, das nach der Eheschließung geboren wird, ist ehelich, wenn die Frau es vor oder während der Ehe empfangen und der Mann innerhalb der Empfängniszeit der Frau beigewohnt hat; dies gilt auch, wenn die Ehe für nichtig erklärt wird. Das Kind ist nicht ehelich, wenn es den Umständen nach offenbar unmöglich ist, dass die Frau das Kind von dem Manne empfangen hat.
   (2) Es wird vermutet, dass der Mann innerhalb der Empfängniszeit der Frau beigewohnt habe. Soweit die Empfängniszeit in die Zeit vor der Ehe fällt, gilt die Vermutung nur, wenn der Mann gestorben ist, ohne die Ehelichkeit des Kindes angefochten zu haben.

§ 1593 BGB a.F. entfaltet eine Sperrwirkung für das gesamte Zivilrecht und verbietet eine inzidente Prüfung, ob ein Kind ehelich ist oder nicht.

§ 1593 BGB a.F.
Die Nichtehelichkeit eines Kindes, das während der Ehe oder innerhalb von 302 Tagen nach Auflösung oder Nichtigkerklärung der Ehe geboren ist, kann nur geltend gemacht werden, wenn die Ehelichkeit angefochten und die Nichtehelichkeit rechtskräftig festgestellt ist.

Demgegenüber kommt es, solange keine Anfechtung der Ehelichkeit erfolgt ist, nicht darauf an, ob und inwieweit die Voraussetzungen des § 1591 BGB a.F. vorliegen, insbesondere ob es den Umständen nach offenbar unmöglich ist, dass die Frau das Kind von dem Ehemann empfangen hat.

Außerhalb eines solchen Anfechtungsverfahrens ist für den Status allein § 1593 BGB a.F. die maßgebende Norm. Ihr Vater hat zu keinem Zeitpunkt eine Anfechtungsklage gemäß § 1594 BGB a.F. erhoben, obwohl er spätestens durch das Scheidungsurteil seit 1947 wusste, dass Sie nicht von ihm abstammen.

§ 1594 BGB a.F.
(1) Die Ehelichkeit eines Kindes kann von dem Mann binnen zwei Jahren angefochten werden.
(2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Mann Kenntnis von den Umständen erlangt, die für die Nichtehelichkeit des Kindes sprechen. Sie beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes.
(3) Auf den Lauf der Frist sind die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 203, 206 entsprechend anzuwenden.

Quelle und zur Vertiefung: BGH vom 16. 1. 2013, IV ZR 250/1213 in ZEV 2013, 388

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