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Pflichtteil: Unterliegen Pflichtteilsansprüche der Verjährung? Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby

Pflichtteil: Unterliegen Pflichtteilsansprüche der Verjährung?

1. Grundsatz: Verjährung in drei Jahren

Alle Pflichtteilsansprüche verjähren in drei Jahren. Aber aufgepasst:

Für den normalen Pflichtteilsanspruch gilt die dreijährige Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB. Sie beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem sich der Erbfall ereignet hat, und der Pflichtteilsberechtigte von den den Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat. Man spricht hier gerne von einer Silversterverjährung. 

Beispiel: 

Stirbt der Erblasser am 29.01.2025 beginnt die Verjährung erst zum 31.12.2025. Sie läuft drei Jahre lang, also über 2026 und 2027 bis zum 31.12.2028. Man sieht, dass bei einem Tod zu Beginn des Jahres die Verjährungsdauer fast vier Jahre betragen kann. Bei einem Todesfall am 16.12.2025 würden Pflichtteilsansprüche ebenfalls zum 31.12.2028 verjähren. 

Beim ordentlichen Pflichtteil, der sich auf den wirklichen Nachlass bezieht, verjährt der Anspruch, selbst wenn erst später Gegenstände auftauchen, von denen niemand gewusst hat. Hier hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus 2013 die Befriedungsfunktion der Verjährung in den Vordergrund gestellt.

Beim Pflichtteilsergänzungsanspruch (= außerordentlicher Pflichtteil), der sich auf Schenkungen bezieht, die fiktiv zum Nachlass hinzugerechnet werden, ist das anders. Beim Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen die Erben ist beim Pflichtteilsberechtigten auch die Kenntnis hinsichtlich der den Pflichtteil beeinträchtigenden Schenkung erforderlich, um die Verjährungsfrist beginnen zu lassen. Sonst gilt die dreißigjährige Höchstfrist für die Verjährung.

2. Sonderfälle des § 2332 BGB

§ 2332 Verjährung

(1) Die Verjährungsfrist des dem Pflichtteilsberechtigten nach § 2329 gegen den Beschenkten zustehenden Anspruchs beginnt mit dem Erbfall.

(2) Die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs und des Anspruchs nach § 2329 wird nicht dadurch gehemmt, dass die Ansprüche erst nach der Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses geltend gemacht werden können.

Nun gibt es aber auch besondere Pflichtteilsansprüche, nämlich den Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den subsidiär haftenden Beschenkten nach §§ 2325, 2329 BGB. Hier  beginnt nach § 2332 Abs. 1 BGB die Verjährungsfrist schon mit dem Erbfalls so dass die Ansprüche in unserem Beispielsfall am 29.01.2028 und am 16.12.2028 verjähren würden. Diese subsidiäre Haftung ist zum Beispiel gegeben, wenn der Nachlass von den Beerdigungskosten komplett aufgezehrt wird (also Null ist) und vor dem Todesfall vom Erblasser eine Schenkung gemacht wurde, die einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslöst. Wenn der primär haftende Erbe die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhebt, kann der Pflichtteilsergänzungsanspruch nur noch gegen den Beschenkten geltend gemacht werden. Solche Fälle sind sehr gefährlich weil der Pflichtteilsberechtigte zuerst gegen den Erben klage muss, dabei viel Zeit verstreicht und inzwischen vielleicht der Anspruch gegen den nachrangig haftenden Beschenkten unter dem Jahr verjährt ist (hier gibt es ja gerade keine Silvesterverjährung). 

Gut zu wissen:

Hinsichtlich des „Pflichtteilsergänzungsanspruchs“ gegen den beschenkten Nichterben beginnt die Frist exakt mit dem Erbfall (Stichtag) zu laufen, unabhängig von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Berechtigten.

Ist  für das Entstehen des Pflichtteilsanspruch zunächst die  Hemmung Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses ein, folgt daraus keine Hemmung der Verjährung (siehe oben § 2332 Abs. 2 BGB.

3. Höchstfrist von 30 Jahren

Es gibt noch eine kenntnisunabhängige Höchstfrist von 30 Jahren (§ 199 Abs. 3a BGB), wenn man also zum Beispiel als Sohn erst nach 25 Jahren erfährt, dass der Vater gestorben ist, ist der Pflichtteilsanspruch noch nicht verjährt. Wird also die dreijährige Regelverjährung nicht ausgelöst, weil etwa der Berechtigte keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den Entstehungsvoraussetzungen hatte, verjährt der Anspruch nach 30 Jahren nach der Entstehung.

4. Auskunft- und Wertermittlung

Entsprechend verjähren die Auskunft- und Wertermittlugsansprüche nach § 2314 BGB regelmäßig (Silvesterverjährung).  Dabei hemmt die private Auskunftsklage auch die Verjährung des Anspruchs auf ein notarielles Verzeichnis, nicht hingegen die des Wertermittlungsanspruchs oder des Zahlungsanspruchs.

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