Pflichtteil
Pflichtteil

Pflichtteilslast des Vermächtnisnehmers. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Pflichtteilslast des Vermächtnisnehmers

Schuldner des Pflichtteilsanspruchs sind die Erben. Die Pflichtteilslast soll im Innenverhältnis (!) aber nicht nur von den Erben, sondern im Ergebnis vom Nachlass im Ganzen getragen werden. Deshalb kann der Erbe die Pflichtteilslast im Innenverhältnis zum Teil auf die ihm auferlegten Vermächtnisse und Auflagen abwälzen. Es geht beim § 2318 BGB also um die Abwälzung einer fremden Pflichtteilslast. Der Erbe kann im Innenverhältnis Vermächtnisse / Auflagen insoweit kürzen, dass die Pflichtteilslast von ihm und den Vermächtnisnehmern / Auflagenbegünstigten im Verhältnis des Erlangten gleichmäßig getragen wird.

§ 2318 BGB Pflichtteilslast bei Vermächtnissen und Auflagen.
(1) Der Erbe kann die Erfüllung eines ihm auferlegten Vermächtnisses soweit verweigern, dass die Pflichtteilslast von ihm und dem Vermächtnisnehmer verhältnismäßig getragen wird. Das Gleiche gilt von einer Auflage.
(2) Einem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer gegenüber ist die Kürzung nur soweit zulässig, dass ihm der Pflichtteil verbleibt.
(3) Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, so kann er wegen der Pflichtteilslast das Vermächtnis und die Auflage soweit kürzen, dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt.

Beispiel:

Ist der Nachlass (400.000 Euro) zu einem 1/4 seines Wertes mit Auflagen und Vermächtnissen (50.000 + 50.000 = 100.000 Euro) belastet, so kann der Erbe diese so kürzen, dass auf sie ein Viertel der Pflichtteilslast (z.B. 1/4 von 200.000 Euro = 50.000 Euro) entfällt. Dabei sind Vermächtnisse und Auflagen entsprechend ihrem Wert im gleichen Verhältnis zu kürzen (auf 25.000 + 25.000).

Man kann den Kürzungsbetrag nach der sog. Martinschen Formel ausrechnen:

Pflichtteilslast 200.000 x Vermächtnis bzw. Auflage 100.000 / Nachlass 400.000 = 50.000

Der Erblasser kann etwas anderes, insbesondere eine andere Verteilung unter den Vermächtnissen und Auflagen, aber auch die endgültige Übernahme der Last durch den Erben anordnen (§§ 2324, 2189 BGB).

Ist der Vermächtnisnehmer selbst pflichtteilsberechtigt, so ist ihm gegenüber eine Kürzung nur zulässig, soweit dadurch sein eigenes Pflichtteilsrecht nicht beeinträchtigt wird (§ 2318 Abs. 2 BGB).

Beispiel:

Der Erblasser hinterlässt zwei Kinder. Nachlass 100.000. Der Erblasser setzt seine Lebensgefährtin zur Alleinerbin ein und seinem Freund ein Vermächtnis in Höhe von 20.000 Euro aus. Die beiden Kinder erhalten einen Pflichtteil von jeweils 25.000 Euro. Das Vermächtnis für den Freund beträgt 1/5 des Nachlasses, so dass der Vermächtnisnehmer im Innenverhältnis 1/5 der Pflichtteilslast zu tragen hat. Das Vermächtnis ist somit um 1/5 von 50.000 = 10.000 Euro zu kürzen. Der Freund erhält damit nur 10.000 Euro, so dass der Erbin 40.000 Euro verbleiben.

Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, so kann er Vermächtnisse und Auflage nur bei Vorliegen einer zum Vermächtnis hinzutretenden Pflichtteilslast („wegen der Pflichtteilslast“)  kürzen. Es kann nicht mehr gekürzt werden, als die (fremde) Pflichtteilslast und die Kürzung findet ist begrenzt durch den Schutz des eigenen Pflichtteil („soweit kürzen, dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt“, § 2318 Abs. 3 BGB). § 2318 Abs. 3 schützt also nicht den eigenen Pflichtteil, sondern regelt nur die Abwälzung der Pflichtteilslast eines anderes. Den eigenen Pflichtteil kann der Betroffene nur nach § 2306 BGB schützen.

Beispiel:

Der Erblasser hat zwei Kinder A und B. A wird Alleinerbe. Die Lebensgefährtin L erhält ein Vermächtnis in Höhe von 250.000 Euro. Der Nachlass hat einen Wert von 300.000 Euro. B hat einen Pflichtteil von 75.000 Euro.
Beachte: § 2318 Abs. 3 BGB verschiebt nicht die Belastungsgrenze des 2306 BGB (Palandt § 2318 Rn 4). A muss daher grds. beide Ansprüche erfüllen, nämlich 250.000 Vermächtnis und 75.000 Pflichtteil, und das bei 300.000 Nachlass! Deshalb hat er ein Kürzungsrecht nach § 2318 Abs. 1 (unstreitig, 5/6 zu 1/6) und Abs. 3 BGB, „aber nur um den Betrag, um den andernfalls die Pflichtteilslast seinen eigenen Pflichtteil  zusätzlich beeinträchtigen würde“. Das ist die Differenz zwischen 75.000 Euro Pflichtteil des B und 62.500 unstreitiges Kürzungsrecht nach § 2318 Abs. 1 BGB, d.h. 12.500. Dann verbleiben A 50.000, wie in der Abwandlung (s.u.), B erhält 75.000  und L erhält 175.000.

Abwandlung: Wäre A hingegen das einzige Kind gewesen, kann er das Vermächtnis nicht von 250.000 Euro herunterkürzen. Es fehlt an der weiteren Pflichtteilslast. A muss dann das Vermächtnis erfüllen und es verblieben ihm nur 50.000 Euro. Hier hätte er nach § 2306 BGB ausschlagen müssen, um seinen Pflichtteil (150.000) Euro zu erhalten.

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