Überprüfung der Testierfähigkeit contra ärztliche Schweigepflicht. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Überprüfung der Testierfähigkeit contra ärztliche Schweigepflicht
Ein gültiges Testament kann nur derjenige errichten, der geschäftsfähig bzw. testierfähig ist. Testierfähigkeit setzt voraus, dass man aufgrund seiner eigenen geistigen Fähigkeiten in der Lage ist, die Tragweite der Testamentserrichtung zu überblicken.
Hierbei handelt es sich natürlich letztendlich um eine medizinische Frage, die im Zweifel von einem qualifizierten Gutachter aus dem Bereich der forensischen Psychiatrie festgestellt werden muss. Hierbei muss natürlich der Gutachter auf frühere Beobachtungen der Ärzte und frühere Arztberichte, Krankenhausberichte, Pflegegutachten etc. zugreifen. Fraglich ist hierbei, ob den Ärzten, Kliniken und Pflegeeinrichtungen ein Schweigerecht oder gar eine Schweigeverpflichtung zukommt.
Dass der Patient selbst das Recht hat, seine Krankenakte einzusehen und deren Herausgabe zu verlangen, ist unstreitig.
In der Praxis streitig ist hingegen die Frage, ob die Angehörigen bzw. Erben das Recht haben, die Patientenakte einzusehen. Da der Patient selbst die Ärzte von der Schweigepflicht entbinden kann, kann er auch für seinen späteren Tod die Ärzte ausdrücklich anweisen, nach seinem Tod Auskünfte zu erteilen. Eine solche Anweisung kommt in der Praxis aber selten vor, kann jedoch Bestandteil von Vorsorgevollmachten seien.
Fehlt eine ausdrückliche Erklärung des Erblassers, kommt es auf den mutmaßlichen Willen des Erblassers an. Hierbei entscheidet das wohlverstandene Interesse des Erblassers. Insbesondere wenn es um die Frage der Testierfähigkeit geht, wie auch für die Durchsetzung von Forderungen gegen Versicherungen etc., unterstellt die Rechtsprechung, dass der mutmaßliche Wille des Erblassers dahin geht, Einsicht in die Patientenakten zu gewähren.
So führt der BGH (BGHZ 91, 400) aus:
„Wie das LG zutreffend erkannt hat, geht das Interesse des Erblassers im allgemeinen dahin, aufkommende Zweifel über seine Testierfähigkeit nach Möglichkeit auszuräumen. Das liegt für den testierfähigen Erblasser auf der Hand, gilt aber auch für den Testierunfähigen. Sein wohlverstandenes Interesse ist nicht darauf gerichtet zu verbergen, dass er testierunfähig ist; vielmehr würden damit umgekehrt die seinem Schutz dienenden Vorschriften über die Testierfähigkeit in vielen Fällen gerade unterlaufen.“
In der Regel muss also der Arzt von der mutmaßlichen Einwilligung des Verstorbenen ausgehen. Hierauf ist bei Anfragen an Ärzte und Auskünfte aus der Patientenakte praktischerweise hinzuweisen.