Vorläufiger Erbe . Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht
Vorläufiger Erbe
Als vorläufigen Erben bezeichnet man einen Erben, in der Zeit zwischen Erbschaftsanfall und Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft.
In dieser Schwebezeit ist der Erbe zwar schon Eigentümer der Nachlasses, er hat aber noch die Möglichkeit die Erbschaft auszuschlagen. Während dieses Schwebezustandes gelten folgende Besonderheiten:
- Vor der Annahme der Erbschaft können Ansprüche, die sich gegen den Nachlass richten, nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden (§ 1958 BGB)
- Rechtsgeschäftliche Erklärungen wie z. B. Anfechtung, Rücktritt oder Kündigung können aber gegenüber dem vorläufigen Erben abgegeben werden und bleiben auch noch nach einer Ausschlagung der Erbschaft durch eben diesen vorläufigen Erben wirksam (§ 1959 Abs. 3 BGB).
- Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen Nachlassverbindlichkeiten sind gegen den vorläufigen Erben nur zulässig, wenn sie auf das Nachlassvermögen gerichtet sind (§ 778 Abs. 1 ZPO) und bereits zu Lebzeiten des Erblassers begonnen wurden (§ 779 Abs. 1 ZPO).
- Wegen eigener Verbindlichkeiten des vorläufigen Erben darf zum Schutz des endgültigen Erben (Erbe, endgültiger) nicht in den Nachlass vollstreckt werden (§ 778 Abs. 2 ZPO).
- Tätigt der vorläufige Erbe Verpflichtungsgeschäfte für den Nachlass, so kann er nach Ausschlagung der Erbschaft Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den endgültigen Erben geltend machen (§ 1959 Abs. 1 BGB).
- Verfügungen über Nachlassgegenstände darf der vorläufige Erbe nur vornehmen, wenn sie dringlich sind (§ 1959 Abs. 2 BGB). Im Übrigen handelt er als Nichtberechtigter, wenn er später die Erbschaft ausschlägt. Möglich bleibt dann ein gutgläubiger Erwerb (§§ 932 ff. BGB) oder eine Genehmigung durch den endgültigen Erben (§ 185 Abs. 2 BGB).
- Die Haftung des vorläufigen Erben gegenüber dem endgültigen Erben für die Besorgung erbschaftlicher Geschäfte richtet sich nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.
- Unaufschiebbare Verfügungen des vorläufigen Erben sind stets wirksam (§ 1959 Abs. 2 BGB), andere nach Ausschlagung der Erbschaft nur, wenn sie der endgültige Erbe genehmigt (§ 185 Abs. 2 BGB) oder wenn die Grundsätze über den Schutz des gutgläubigen Erwerbs beim Erwerb vom Nichtberechtigten eingreifen.