Warum ist es manchmal günstiger eine Erbschaft auszuschlagen? Erklärt von Fachanwalt für Erbrecht Gerhard Ruby. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Warum ist es manchmal günstiger eine Erbschaft auszuschlagen?
Der Fall begegnet einem oft in der Praxis. A ist Alleinerbe. Die Erbschaft ist aber so stark mit Vermächtnissen beschwert, dass ihm am Schluss weniger als der Pflichtteil verbleiben würde, wenn er die Vermächtnisse erfüllt. A denkt sich aber, dass ihm der Pflichtteil auf jeden Fall verbleiben muss. Letzteres ist nicht richtig. Der Pflichtteil verbleibt ihm nicht auf jeden Fall, sondern nur bei richtiger Vorgehensweise.
Beispiel:
A ist das einzige Kind des verwitwet verstorbenen Vaters V. Der Nachlass beträgt 100. V hat A zum Alleinerben eingesetzt. Gleichzeitig hat V aber auch seine Freunde B, C und D mit Vermächtnissen von je 30 bedacht. A erbt zwar die 100, muss dann aber an B, C und D insgesamt 60 auskehren, so dass ihm weniger als sein Pflichtteil verbleibt. Der Pflichtteil beträgt 50, da die Pflichtteilsquote von A 1/2 beträgt. A ist das einzige Kind des Erblassers V, so dass er nach dem Gesetz alles geerbt hätte. Der Pflichtteil beträgt 50 % der gesetzlichen Erbquote also 50 % von 100 % = 50 % = 1/2.
Lösung:
Nimmt A die Erbschaft an oder lässt die sechswöchige Ausschlagungsfrist ablaufen, ohne auszuschlagen, dann verbleiben ihm nach der Erfüllung der Vermächtnisse nur 40.
Das ist weniger als der Pflichtteil. Der Gesetzgeber will A wenigstens die Möglichkeit eröffnen, seinen Pflichtteil zu erhalten. Das tut er in § 2306 BGB:
§ 2306 BGB Beschränkungen und Beschwerungen
2306 Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch
(1) Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt.
(2) Einer Beschränkung der Erbeinsetzung steht es gleich, wenn der Pflichtteilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist.
Die Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 BGB liegen vor. A ist als einziges Kind des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Er ist als Erbe berufen und durch ein Vermächtnis beschwert. Schlägt er den Erbteil oder die Alleinerbschaft aus, so so kann er vom Ersatzerben, wer immer das ist, den Pflichtteil verlangen, also 50.