Von der Erbfolge ausgeschlossen. Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Wer erbt, wenn der einzige Sohn, der Kinder hat, von der Erbfolge ausgeschlossen wurde?
Frage:
Meine verstorbene Großmutter hatte als Familie nur noch ihren Sohn, d.h. meinen Vater und uns zwei Enkelkinder, d.h. meine Schwester und mich. Sie hat in ihrem Testament nur bestimmt, dass mein Vater von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wird und ein Vermächtnis in Pflichtteilshöhe bekommen soll. Wer ist dann Erbe?
Antwort:
Sie und Ihre Schwester sind Erben zu je 1/2 geworden. Der Vater kann von Ihnen den Pflichtteil in Höhe von 50 % des Erbes in Geld verlangen. Der Ausschluss des Sohnes von der gesetzlichen Erbfolge erstreckt sich nicht von Gesetzes wegen auf dessen Nachkommen. Dafür, dass der Wille der Erblasserin dahin gegangen sei, auch ihre Enkel von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen, ist nichts ersichtlich.
Das Gesetz steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Zwar bestimmt der § 1924 Abs. 2 BGB: „Ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling schließt die die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge aus“, und im Abs. 3 ist gesagt, dass an die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlings die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge treten. Eine streng wörtliche Auslegung des Gesetzes würde hiernach zu einem für die Enkelkinder ungünstigen Ergebnis führen. Eine solche Auslegung wäre aber falsch. Der gesetzliche Grundsatz, wie Fälle zu behandeln sind, bei denen der gesetzliche Erbe wegfällt, ergibt sich aus den Vorschriften zur Ausschlagung oder Erbunwürdigkeit. Nach den §§ 1953, 2344 BGB gilt der Anfall an den Ausschlagenden oder Erbunwürdigen als nicht erfolgt; vielmehr erhält derjenige die Erbschaft, der berufen sein würde, wenn der Ausschlagende oder Erbunwürdige zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte. Der noch lebende Abkömmling schließt also in diesen Fällen seine Nachkommen von der Erbschaft nicht aus. Für den Fall des Erbverzichts ist freilich bestimmt, dass er sich im Zweifel sich auf den ganzen Stamm erstreckt (§§ 2346, 2349 BGB). Aber aus den Beratungen der 2. Kommission ergibt sich, dass es sich hierbei um eine aus Gründen der Billigkeit getroffene, eine Ausnahme von dem Grundgedanken des selbstständigen Erbrechts der Abkömmlinge darstellende Vorschrift handelt (Protokolle Bd. 5 S. 606, 607).
Für den Fall (dass) ein Abkömmling durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen ist, fehlt es an einer ausdrücklichen Norm. Sie war aber im § 1972 des 1. Entwurfes eines Bürgerlichen Gesetzbuchs enthalten, der die vier Fälle der Ausschlagung, des Ausschlusses, des Erbverzichts und der Erbunwürdigkeit umfasste. In der 2. Kommission war beantragt, die Vorschrift dahin zu fassen: „Ist ein gesetzlicher Erbe durch letztwillige Verfügung oder durch Erbverzicht ausgeschlossen, so bestimmt sich die gesetzliche Erbfolge in gleicher Weise, wie wenn er vor dem Erblasser gestorben wäre.“ Eine sachliche Änderung war nicht bezweckt; der Antragsteller ging davon aus, dass die Fälle der Ausschlagung und der Erbunwürdigkeit bereits durch andere Bestimmungen gedeckt seien. Der Antrag wurde der Redaktionskommission überwiesen (Protokolle Bd. 5 S. 483 Ziff. III). Dass hiernach die Kommission nicht die Absicht gehabt hat, das Erbrecht der entfernteren Abkömmlinge im Falle des Ausschlusses ihrer Vorfahren zu beseitigen, dass sie vielmehr in Übereinstimmung mit dem bereits angedeuteten Grundgedanken des Gesetzbuchs von der gegenteiligen Meinung ausgegangen ist, erscheint unzweifelhaft. Wenn diese Meinung trotzdem nicht den vorgeschlagenen besonderen Ausdruck im Gesetzbuch gefunden hat, so ist der Grund lediglich darin zu suchen, dass die Redaktionskommission eine weitere Bestimmung für überflüssig hielt, vielleicht, wie Frommhold in dem die Entstehungsgeschichte des Gesetzes entwickelnden Aufsätze Bd. 12 des Archivs für bürgerliches Recht (S. 305 flg.) annimmt, im Hinblick auf § 1938 BGB.