„Berliner Testament“ als Falle. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Wann wird das „Berliner Testament“ zur Falle?
Gerhard Ruby referierte beim ersten Vortrag der Erbrechtsakademie VS im Jahr 2023 vor einem vollen Haus. Knapp zwei Stunden referierte der Erbrechtler über das bei Eheleute so beliebte „Berliner Testament“, das die meisten deutschen Eheleute als Testamentsform wählten. Als Berliner Testament bezeichnet man ein Testament, bei dem sich die Ehegatten gegenseitig zum alleinigen Vollerben einsetzen und die die gemeinsamen Kinder oder Verwandten als Schlusserben. Ruby zeigte auf, dass diese Testamentsform grundsätzlich segensreich sei, dass aber auch Vorsicht geboten sei. So drohe bei größeren Vermögen der Zugriff des Staates durch die Erbschaftsteuer und der länger lebende Ehegatte könne sich plötzlich in einer Testamentsfalle wieder finden, weil er nicht mehr durch ein neues Testament seine Erbfolge regeln könne, sondern an die Schlusserbeneinsetzungen im Berliner Testament nach dem Tod des verstorbenen Ehegatten gebunden sei.
Zwei Mal Pflichtteil
Der Fachanwalt für Erbrecht stellte klar, dass auch bei einem Berliner Testament die Kinder grundsätzlich zwei Mal ein Recht auf den Pflichtteil hätten. Nach dem Tod des ersten und nach dem Tod des zweiten Elternteils. Um die Kinder von der Geltendmachung des Pflichtteils abzuhalten, hätten sich „Pflichtteils-Strafklauseln“ im Testament bewährt. Das Kind, das beim ersten Todesfall seinen Pflichtteil gegen den Willen des überlebenden Ehegatten durchsetze, werde für den zweiten Todesfall dann nicht Erbe, sondern wiederum auf den Pflichtteil verwiesen. Die „braven“ Kinder hingegen würden Schlusserben des länger lebenden Ehegatten.
Bindungsfalle
Zu großen Problemen kann auch die Bindungswirkung des Berliner Testaments nach dem Tod des ersten Ehegatten führen. Mit dem Tod eines Ehegatten erlischt das Recht des anderen Ehegatten das Berliner Testament zu widerrufen. Folge: Der überlebende Ehegatte ist an eine erfolgte Schlusserbeneinsetzung in nahezu aller Regel gebunden, eine Abänderung ist nicht mehr möglich. Hier könne eine Abänderungsklausel Hilfe schaffen, die es dem länger lebenden Ehegatten ermögliche insgesamt oder wenigstens in Teilen über seinen Nachlass frei in einem neuen Testament zu verfügen.
Erbschaftsteuerfalle
Probleme könne es auch bei der Erbschaftsteuer geben. Sei das Vermögen untern den Ehegatten gleichmäßig verteilt, viele bei folgenden Vermögen Erbschaftsteuer beim Schlusserbfall an: bei 2 Kindern ab 800.000 Euro, bei drei Kindern ab 1,2 Millionen Euro und bei vier Kindern ab 1,6 Millionen Euro. Hier könnten Vermögensübertragungen zu Lebzeiten unter Nießbrauchsvorbehalt und sogenannte Steuersparvermächtnisse helfen.
Eine lebhafte Diskussions- und Fragerunde mit den Zuhörern führte durch viele Bereiche des Erbrechts, vor allem die gesetzliche Erbfolge, das Pflichtteils- und Vermächtnisrecht. Ruby empfahl, Testamente nicht selbst zu machen, sondern einen Spezialisten im Erbrecht aufzusuchen. Die Erstberatung bei einem Fachanwalt für Erbrecht dürfe zum Beispiel ohne Gebührenvereinbarung nicht mehr als 190 Euro plus Mehrwertsteuer kosten. So könne ein vorhandenes Testament günstig überprüft werden.