Haben eingetragene Lebenspartner ein gesetzliches Erbrecht?

  1. Startseite
  2. Tipps & Tricks
  3. Haben eingetragene Lebenspartner ein gesetzliches Erbrecht?
Pflichtteilsberechtigung für Gleichgeschlechtliche
Gleichgeschlechtliche Lebenspartner

Haben eingetragene Lebenspartner ein gesetzliches Erbrecht? Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen. 

Eine eingetragene Lebenspartnerschaft ist eine Partnerschaft zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts, die auf Lebzeiten geschlossen wurde. Das Lebenspartnerschaftsgesetz trat für schwule und lesbischer Paare am 01.08.2001 in Kraft. Mit Wirkung zum 1.10.2017 kann seit diesem Zeitpunkt die Ehe auch zwischen Personen desselben Geschlechts geschlossen werden. § 20a PartG bietet die Möglichkeit eingetragene Partnerschaften in eine Ehe umzuwandeln.  Wurde nicht in die Ehe gewechselt, gelten die Bestimmungen über die eingetragene Lebenspartnerschaft fort. Seit dem 1. Oktober 2017 ist die Begründung neuer Lebenspartnerschaften übrigens nicht mehr möglich.

Haben eingetragene Lebenspartner ein gesetzliches Erbrecht?

Ja, das Erbrecht von Lebenspartnern in einer Homo-Ehe ist sogar weitgehend identisch mit dem der Hetero-Ehe:

1. Voraussetzungen

Der überlebende Lebenspartner wird nach der gesetzlichen Erbfolge nur dann Alleinerbe seines verstorbenen Lebenspartners, wenn weder Abkömmlinge, noch Eltern und deren Abkömmlinge, noch Großeltern des Erblassers vorhanden sind (§ 10 Abs. 2 LPartG). In allen anderen Fällen beschränkt sich das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Lebenspartners auf eine bestimmte Quote des Nachlasses. Die Höhe der Erbquote ist davon abhängig, welche Verwandten neben dem Lebenspartner zur Erfolge berufen sind und in welchen vermögensrechtlichen Verhältnissen (§ 7 LPartG) der überlebende Lebenspartner mit dem Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalls gelebt hat.
Das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Lebenspartners ist ausgeschlossen bei Erbverzicht (§ 2346 BGB i. V. m. § 10 Abs. 7 LPartG) oder wenn der Erblasser einen begründeten (Scheidungs-)Antrag nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 LPartG (unzumutbare Härte einer Fortsetzung der Lebenspartnerschaft) gestellt hatte.
Nach § 15 LPartG kann eine Lebenspartnerschaft durch gerichtliches Urteil aufgehoben werden (Aufhebung der Lebenspartnerschaft), wenn
(1)  beide Lebenspartner erklärt haben, die Lebenspartnerschaft nicht fortsetzten zu wollen, und seit der Erklärung zwölf Monate vergangen sind;
(2)  ein Lebenspartner erklärt hat, die Lebenspartnerschaft nicht fortsetzen zu wollen, und seit der Zustellung dieser Erklärung an den anderen Lebenspartner 36 Monate vergangen sind;
(3) Die Fortsetzung der Lebenspartnerschaft für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Lebenspartners liegen, eine unzumutbare Härte wäre.
Unter diesen Voraussetzungen entfällt auch das Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehepartners.

2. Erbrechtliche Quote

Der überlebende Lebenspartner ist nach der gesetzlichen Grundregel (s. aber unten 3.) neben Verwandten der ersten Ordnung, also neben Abkömmlingen zu ¼ des Nachlasses berufen (§ 10 Abs. 1 LPartG). Die Abkömmlinge des Erblassers teilen sich den Rest, also ¾, so dass ein Kind ¾, 2 Kinder je 3/8 oder drei Kinder je ¼ erhalten. Das Erbrecht der Abkömmlinge leitet sich aus der Verwandtschaft mit dem Erblasser ab, nicht mit dem überlebenden Lebenspartner, so dass z. B. auch Kinder aus früheren Ehen des Erblassers neben dem überlebenden Lebenspartner zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen (§ 10 Abs. 1 LPartG). Sind weder Verwandte der ersten oder zweiten Ordnung vorhanden, so erhält der überlebende Lebenspartner die ganze Erbschaft.

3. Vermögensstand

Der Höhe des Erbrechts des überlebenden Lebenspartners ist ferner abhängig vom Vermögensstand (vgl. §§ 6, 7 LPartG), der z. Zt. des Erbfalls bestand.

a) Ausgleichsgemeinschaft nach § 6 LPartG: 

Wird die Ausgleichsgemeinschaft durch den Tod eines Lebenspartners beendet, so wird der Ausgleich des Überschusses, der im Fall der sonstigen Beendigung der Lebenspartnerschaft stattfinden würde, dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Lebenspartners ¼ der Erbschaft erhöht; hierbei ist es unerheblich, ob die Lebenspartner im einzelnen Fall einen Überschuss erzielt haben (§ 1371 Abs. 1 BGB). Auch wenn das bei Tod eines Lebenspartners zu vererbende Vermögen schon vor Begründung der Lebenspartnerschaft vorhanden war, oder wenn es durch Erbschaft oder Schenkung, nicht durch gemeinsame Arbeitsleistung erworben wurde, bleibt dieser pauschale erbrechtliche Überschussausgleich bestehen. Der Lebenspartner erhält also neben Abkömmlingen zusätzlich zu seinem gesetzlichen Erbteil von ¼ (§ 10 Abs. 2 LPartG) ein weiteres Viertel nach § 1371 Abs. 1 BGB i. V. m. § 6 Abs. 2 LPartG. Der Gesetzgeber berechnet den Überschuss pauschal in Höhe von ¼, so dass im Normalfall der Ausgleichsgemeinschaft der überlebende Lebenspartner neben Kindern oder Enkeln ½ des Nachlasses erhält. Sein (großer) Pflichtteil beträgt in diesem Fall also ¼. Sind keine Kinder vorhanden, leben aber die Eltern oder Großeltern des Lebenspartners noch, so erhöht sich der 1/2 –Erbanteil des überlebenden Lebenspartners nach § 1931 Abs. 1 BGB auf ¾ des Nachlasses (1/2 nach § 1931 BGB und ¼ nach § 1371 BGB).
Der überlebende Lebenspartner braucht es jedoch nicht bei der pauschalen Abgeltung des Überschusses durch Erhörung seines gesetzlichen Erbteils um ¼ bewenden zu lassen, sondern kann auch die vermögensrechtliche Lösung wählen, bei der der Überschussausgleich konkret berechnet wird. Dies wird dann zu erwägen sein, wenn der Erblasser während der Dauer der Lebenspartnerschaft einen erheblichen Vermögenszuwachs erzielt hat; hier ist die erbrechtliche Lösung für den überlebenden Lebenspartner ungünstig, weil seine zusätzliche Erbquote u. U. geringer ist als sein Anspruch auf Überschuss. In einem solchen Fall ist es für ihn günstiger, wenn er nach § 1371 Abs. 3 BGB die Erbschaft ausschlägt (Ausschlagung) und den Überschussausgleich nach der vermögensrechtlichen Lösung (§§ 1372-1390 BGB) verlangt. Neben der Ausgleichsforderung auf den Überschuss nach § 1378 BGB steht ihm in diesem Fall außerdem ein Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 Abs. 1 BGB i. V. m. § 10 Abs. 6 LPartG zu, der sich nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil bemisst (sog. kleiner Pflichtteil).
Dieses Wahlrecht zwingt den überlebenden Lebenspartner, innerhalb der kurzen Ausschlagungsfrist von sechs Wochen zu berechnen, ob es für ihn günstiger ist, die erbrechtliche oder die güterrechtliche Lösung zu wählen, was vor allem davon abhängt, ob das Vermögen des Erblassers im wesentlichen während der Dauer der Lebenspartnerschaft erworben wurde.

Beispiel: Hinterlässt der Erblasser seinen Lebenspartner und ein Kind und besteht sein Nachlass aus einem lastenfreien Haus im Wert von 400.000,00 €, das er während der Dauer der Lebenspartnerschaft erworben hat, während der überlebende Lebenspartner keinen Überschuss erzielt hat, so wird der überlebende Lebenspartner folgende Berechnung anstellen:
Nach der erbrechtlichen Lösung erhält er gem. § 10 Abs. 1 LPartG ¼ und nach § 1371 Abs. 1 BGB ein weiteres Viertel., also insgesamt ½ des Nachlasses, somit 200.000,00 €. Nach der vermögensrechtlichen Lösung muss er die Erbschaft ausschlagen, so dass er gemäß § 1371 Abs. 3 BGB den Überschussausgleich in Höhe von 200.000,00 € verlangen kann. Der Nachlass beträgt dann 200.000,00 €, so dass der Erbteil des überlebenden Lebenspartners gemäß § 10 Abs. 1 LPartG 50.000,00 €, der Pflichtteil somit 25.000,00 € beträgt. Nach der vermögensrechtlichen Lösung stehen dem überlebenden Lebenspartner also zusätzlich 25.000,00 € als Pflichtteil zu, so dass er insgesamt 225.000,00 € verlangen kann, während der Erbteil nur 200.000,00 € beträgt.

Der Erblasser kann einseitig die vermögensrechtliche Lösung erzwingen, indem er seinen überlebenden Lebenspartner durch letztwillige Verfügung enterbt.
Ist der überlebende Lebenspartner mit einem Erbteil oder Vermächtnis bedacht, das wertmäßig geringer ist als sein Pflichtteil, so kann er sich mit dem Vermächtnis zufrieden geben oder er kann das ihm testamentarisch Zugewandte ausschlagen und stattdessen den konkreten berechneten „vermögensrechtlichen“ Überschussausgleich zusammen mit dem „kleinen“ Pflichtteil verlangen. Er hat noch eine dritte Möglichkeit: Ist das testamentarisch Zugewandte weniger als der sogenannte „große“ Pflichtteil, der sich nach dem durch den Überschussausgleich erhöhten gesetzlichen Erbteil berechnet, so kann der überlebende Lebenspartner die Ergänzung des ihm Zugewandten bis zur Hälfte dieses Pflichtteils verlangen. Dieser große Pflichtteil beträgt neben Kindern ¼, neben Großeltern 3/8 des Wertes der Erbschaft. Diese Ergänzung des großen Pflichtteils kann aber nur nach einer testamentarischen Verfügung verlangt werden. Der vollständig enterbte überlebende Lebenspartner kann nur den „kleinen“ Pflichtteil, berechnen von dem nicht nach § 1371 BGB erhöhten Erbteil, und zusätzlich Überschussausgleich verlangen (§ 1371 Abs. 2 BGB; ständige Rechtsprechung im Eherecht, h. L.).
Sind erbberechtigte Abkömmlinge des verstorbenen Lebenspartners vorhanden, so ist der überlebende Lebenspartner verpflichtet, diesen Abkömmlingen die Mittel zur einer angemessenen Ausbildung aus dem zusätzlichen Viertel zu gewähren (§ 1271 Abs. 4 BGB). Anders als gemeinsame Kinder aus einer Ehe beerben einseitige Abkömmlinge des zuerst Verstorbenen den Überlebenden nicht, so dass dessen erhöhtes Erbrecht ihren Anteil am Nachlass mindern. Der Ausbildungsanspruch dieser Abkömmlinge besteht nur dann, „wenn und soweit sie dessen bedürfen“, setzt also Bedürftigkeit voraus: kann der Abkömmling seine Ausbildung aus dem eigenen (reduzierten) Erbteil oder Pflichtteil oder aus seinem sonstigen Vermögen bezahlen, so muss der überlebende Lebenspartner nicht einspringen. Der Ausbildungsanspruch ist begrenzt auf das zusätzliche erbrechtliche Überschussausgleichsviertel des überlebenden Lebenspartners; sobald es aufgebraucht ist, erlischt die Unterhaltspflicht. Der Ausbildungsanspruch besteht nur, wenn der überlebende Lebenspartner gesetzlicher Erbe wird. Hat der Verstorbene seinen Lebenspartner durch Verfügung von Todes wegen bedacht, so besteht ein Ausbildungsanspruch auch dann nicht, wenn die testamentarische Zuwendung höher ist als der gesetzliche Erbteil. Bei der Überlegung, welche Form des Überschussausgleichs günstiger für den überlebenden Lebenspartner ist, ist der Ausbildungsanspruch einseitiger Abkömmlinge des zuerst Versterbenden also mit zu berücksichtigen. Das zusätzliche erbrechtliche Viertel kann durch Ausbildungsansprüche von Abkömmlingen des Erblassers praktisch aufgezehrt werden. Wählt der überlebende Lebenspartner dagegen den konkreten berechneten vermögensrechtlichen Überschussausgleich und den kleinen Pflichtteil, so kommen solche Ausbildungskosten nicht auf ihn zu.

b) Vermögenstrennung:

 Haben die Lebenspartner durch einen vor dem Notar abzuschließenden Lebenspartnerschaftsvertrag Vermögenstrennung vereinbart (§ 7 LPartG) oder ist die Vereinbarung der Ausgleichsgemeinschaft oder der Lebenspartnerschaftsvertrag unwirksam (§ 6 Abs. 3 LPartG), so gilt § 10 LPartG unverändert, wie oben Ziffer 2 aufgeführt.

 

Fanden Sie diesen Artikel hilfreich?

Erbrechtkanzlei Ruby – Wir machen nur Erbrecht – Wir helfen Ihnen – Überall in Deutschland – Tel. 07721 / 9930505

Wichtig: Auch wenn sich auf unserer Homepage vieles für Sie einfach darstellen mag, fehlt auch dem intelligentesten Laien der Gesamtüberblick im Erbrecht. Oft werden schwierigste Punkte, die scheinbar im Vordergrund stehen, verstanden, grundlegende andere Probleme, die für den konkreten Fall wirklich entscheidend sind, aber gar nicht gesehen. Wir empfehlen Ihnen daher, unsere günstige Erstberatung, bei der sie auf jeden Fall eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kostenlos erhalten. Sparen Sie nicht am falschen Ort. Oft müssen die Erben später viele Jahre prozessieren und Zigtausende an Anwalts- und Gerichtskosten zahlen, nur weil der Erblasser die geringen Erstberatungskosten sparen wollte.

Das könnte Sie auch interessieren