Erbe sein und ein Vermächtnis erhalten. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Erbe sein und ein Vermächtnis erhalten?
Ja, es ist möglich im gleichen Testament als Erbe eingesetzt zu werden und ein Vermächtnis zugewendet zu bekommen. Das Vermächtnis heißt dann Vorausvermächtnis und der Bedachte Vorausvermächtnisnehmer. Das Vermächtnis ist nämlich im Voraus, also vor der Erbteilung zu erfüllen. Das Vorausvermächtnis muss sich der Erbe nicht auf seinen Erbteil anrechnen lassen. Die Erben erhalten das, was nach Erfüllung des Vorausvermächtnisses noch übrig bleibt.
Beispiel 1:
Beim Alleinerben kann das Vorausvermächtnis sinnvoll sein, wenn der Alleinerbe zwar die (vielleicht komplizierte und unübersichtliche) Erbschaft ausschlägt, das (wertvolle) Vorausvermächtnis aber annimmt.
Beispiel 2:
Der Erblasser setzt seine Tochter und seinen Sohn zu je 50 % als Erben ein. Den Betrieb wendet er im Wege des Vorausvermächtnisses seinem Sohn zu. Hier ist der Sohn als Miterbe zugleich Vorausvermächtnisnehmer. Der dem Sohn zugewendet Betrieb ist ein Vermächtnis, auch wenn der Sohn als Miterbe selber durch dieses Vermächtnis beschwert ist. Der Sohn ist einerseits zwar durch das Vermächtnis beschwerter Miterbe, er hat aber andererseits dieselbe rechtliche Position wie ein Vermächtnisnehmer, der nicht zur Erbengemeinschaft gehört: Der Sohn hat einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erbengemeinschaft auf Übereignung des Betriebs. Erbschaftsteuerlich ist es so, dass die steuerlichen Begünstigungen für den Betrieb (z.B. 85%iger Bewertungsabschlag) alleine dem Sohn als Vermächtnisnehmer zustehen.