Neues Europäisches Erbrecht: Kurz und bündig. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Europäisches Erbrecht: Kurz und bündig
Seit 17 August 2015 gilt die neue EU-Erbrechtsverordnung für alle Todesfälle in der EU.
1. Wie kam es dazu?
Die neue EU-Erbrechtsverordnung ist schon am 4. Juli 2012 von den Präsidenten des Rates und des Europäischen Parlaments unterzeichnet worden. Sie regelt die
- Zuständigkeit in Erbsachen. Welches Nachlassgericht in welchem Land ist zuständig?
- Welches nationale Erbrecht bei einem Erbfall ab dem 17. August 2015 anzuwenden ist
- Die Anerkennung von Entscheidungen in Erbsachen in anderen Ländern
- Die Vollstreckung von Entscheidungen in anderen Ländern
- Die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen
- Die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.
2. Welches sind die von der EU-Erbrechtsverordnung betroffenen „Erbsachen“?
Mit „Erbsachen“ oder „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ sind alle zivilrechtlichen Aspekte des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten im Todesfall gemeint, unabhängig davon, ob sich der Übergang durch Verfügung von Todes wegen oder per gesetzlicher Erbfolge vollzieht.
3. Seit wann und wo gilt die EU-Erbrechtsverordnung?
Grundsätzlich gilt sie für alle Sterbefälle ab dem 17. August 2015 eintreten. Die deutschen Staatsverträge mit dem Iran, der Türkei und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion bleiben aber in Kraft. Die EU-Erbrechtsverordnung gilt in allen Staaten der Europäischen Union, ausgenommen Dänemark, Irland und Großbritannien. Sie für die EU-Staaten auch im Verhältnis zu Staatsangehörigen außerhalb der Staaten, die an der EU-Erbrechtsverordnung teilnehmen.
4. Verändert die EU-Erbrechtsverordnung das deutsche Erbrecht?
Nein, das materielle Erbrecht, wie wir es aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch kennen, wird genauso wenig verändert wie die deutsche Erbschaftsteuer- oder das materielle eheliche Güterrecht. Hier gilt überall das bisherige nationale Recht weiter.
5. Gilt die EU-Erbrechtsverordnung für lebzeitige Übertragungen und Schenkungen?
Nein. Schenkungen fallen unter die Rom-I-Verordnung.
6. Wie ermittelt die EU-Erbrechtsverordnung welches nationale Erbrecht gilt?
Ausgangspunkt ist der gewöhnlichen Aufenthalt des Verstorbenen im Zeitpunkt seines Todes. Das ist der Ort, der den Mittelpunkt des Lebensinteresses des Erblassers darstellt. Damit wird nicht mehr wie bisher bzw. bis zum 17.8.2015 in Deutschland an die Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern an den Lebensmittelpunkt des Erblassers angeknüpft.
7. Gibt es Rechtswahlmöglichkeiten?
ja, man kann das Erbrecht des Staates wählen, dem man im Moment der Rechtswahl oder des Todes angehört. Diese Rechtswahl muss in einem Testament oder Erbvertrag getroffen werden. Sie ist auch schon vor dem 17.8.2015 möglich.
8. Was ist mit Gerichtsentscheidungen in Erbsachen?
Die Gerichtsentscheidungen eines EU-Staates sind in den anderen EU-Staaten anzuerkennen. Nur bei schweren Verstößen gegen materielle oder prozessuale Rechte muss die Entscheidung des Gerichts eines anderen Staates in Deutschland nicht anerkannt werden.
9. Was ist das Europäische Nachlasszeugnis?
Sie ist eine Bescheinigung über die die Rechtsstellung als
- Erbe
- Vermächtnisnehmer
- die Zuweisung bestimmter Nachlassgegenstände an Erb- und Vermächtnisnehmer
- Testamentsvollstrecker
Das Europäische Nachlasszeugnis gilt in allen EU-Staaten (ausgenommen Dänemark, Irland und Großbritannien) und wird die Nachlassabwicklung über die Grenzen hinweg erleichtern. Mit ihm kann zum Beispiel die Umschreibung vom Immobilieneigentum im Grundbuch erfolgen. Erben ausländischer Erblasser können damit in einem anderen EU-Mitgliedsstaat zum Beispiel gegenüber Banken ihre Erbenstellung geltend zu machen.