Niederstwertprinzip

Niederstwertprinzip. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Spezialist im Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Niederstwertprinzip im Pflichtteilsrecht

Der niedrigere Wert gilt

Das Niederstwertprinzip ist ein Bewertungsprinzip bei der Berechnung des Pflichtteils. Das Niederstwertprinzip wird angewendet, wenn ein Grundstück verschenkt wurde. Dann sind der Wert des Grundstücks im Zeitpunkt der Schenkung und im Zeitpunkt des Erbfalls miteinander zu vergleichen. Der niedrigere der beiden Werte ist dann für die die Pflichtteilsberechnung maßgeblich.

Beachte:

Der Wert des Grundstücks im Zeitpunkt der Schenkung ist um den Kaufkraftschwund bis zum Erbfall zu bereinigen (Inflationsausgleich).

Bei Nießbrauch drohen böse Überraschungen

Besonders gravierend wirkt sich die Behandlung von lebenslangen  Nutzungsrechten (z.B. Wohnrecht, Nießbrauch) beim Niederstwertprinzip aus:

  • Ist der Schenkungswert des Hausgrundstückes der niedrigere und damit maßgebende, wird der Wert des Nutzungsrechtes abgezogen. Da kann sich der Wert schnell noch einmal halbieren.
  • Ist der Wert im Zeitpunkt des Erbfalls der niedrigere, wird der Wert des Nutzungsrechtes nicht mehr abgezogen; denn – so der BGH – es existiere im Zeitpunkt des Erbfalls ja nicht mehr, weil der Schenker, der es sich vorbehalten hat, ja gerade verstorben sei.
Beispiel 1

Wert des Hausgrundstücks bei der Schenkung 305.000 Euro (indexiert auf den Zeitpunkt des Erbfalls) und im Zeitpunkt des Erbfalls 300.000 Euro. Der Wert des lebenslangen Wohnungsrechtes, das sich der Schenker bei der Übergabe vorbehalten hat, soll 155.000 Euro betragen haben. Da der niedrigere Wert im Zeitpunkt des Todes vorliegt, ist von diesen 300.000 Euro der Wert des Nutzungsrechtes nicht abzuziehen. Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil sind die 300.000 Euro.

Beispiel 2

Wäre der niedrigere Wert, der  Wert im Schenkungszeitpunkt gewesen, wären von den 305.000 Euro die 155.000 Euro abgezogen worden. Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil wären dann nur 150.000 Euro gewesen.

Der Zufall, dass der Immobilienwert um 5.000 Euro sank, beschert den Pflichtteilsberechtigten einen Zuwachs von 75.000 Euro. Das verstehe wer will, ist aber ständige Rechtsprechung des BGH und gilt seit Jahrzehnten.

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