RGZ 34, 284: Nachlasspfleger kann auf negative Erbenfeststellung klagen. Herausgesucht von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen
RGZ 34, 284
Rühmt sich jemand zu Unrecht Erbe zu sein, kann der Nachlasspfleger ihn auf Feststellung, dass er nicht Erbe ist verklagen. Das hat das Reichsgericht bereits 1894 festgestellt. Die Entscheidung erging zum früheren Preußischen Allgemeinen Landrecht, ist aber heute noch maßgebend.
69. Ist der zur Ermittelung der unbekannten Erben bestellte Nachlaßpfleger zur Klage gegen einen Erbprätendenten auf Feststellung, daß demselben ein Erbrecht nicht zustehe, legitimiert?
A.L.R. I. 9 §§ 476. 482 flg.
IV. Civilsenat. Urt. v. 17. Dezember 1894 i. S. S. (Bekl.) w. L. (Kl.) Rep. IV. 185/94.
I. Landgericht Breslau.
II. Oberlandesgericht daselbst.
Am 19. September I890 ist zu Breslau die verwitwete Kutscher Rosalie L. geborene S. ohne letztwillige Verfügung und ohne bekannte gesetzliche Erben gestorben. Der zum Pfleger des 7239, 37 Mark betragenden Nachlasses bestellte Kläger beantragte das Aufgebot des Nachlasses. In diesem Verfahren hat außer drei anderen Personen der Beklagte mit der Behauptung, sein Großvater und der Vater der Erblasserin seien Brüder gewesen, sein Erbrecht angemeldet, und es sind ihm in dem ergangenen Ausschlußurteile seine Rechte auf den Nachlaß vorbehalten worden. Der Aufforderung, mangels des Nachweises der behaupteten Verwandtschaft auf das Erbrecht zu verzichten, hat der Beklagte keine Folge geleistet. Der Kläger hat daher beantragt, ihn zu verurteilen, anzuerkennen, daß ihm an dem Nachlasse ein Erbrecht nicht zusteht. Diesem Anträge gemäß haben die Vorderrichter erkannt. Die von dem Beklagten gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist zurückgewiesen worden.
Aus den Gründen:
S. 285:
„Der Beklagte hat die Legitimation des Nachlasspflegers zur Anstellung der vorliegenden Klage bestritten und geltend gemacht: wenngleich im allgemeinen der Nachlasspfleger den Nachlass in Rechtsstreitigkeiten aktiv und passiv vertrete und gegenüber den Ansprüchen eines Erbprätendenten auf Ausantwortung des Nachlasses passiv legitimiert sei, so sei ihm doch nirgends die Befugnis beigelegt, vermeintlich unbegründete Erbansprüche im Klagewege zu beseitigen. Hiergegen hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger nach § 89 der Vormundschaftsordnung „dem unbekannten Erben des Nachlasses“ — genauer: zur Erhaltung des Nachlasses und zur Ausmittelung der Erben — zum Pfleger bestellt, und dass nach den §§ 471 – 492 A.L.R. I. 9 neben der Erhaltung der Nachlassmasse die Ermittlung des wahren Erben seine Hauptaufgabe sei. Zutreffend hat sich das Berufungsgericht auf das Urteil des Reichsgerichtes vom 8. Oktober 1891, vgl. Entsch. des.R.G.’s in Civils. Bd. 28 S. 354, bezogen, in welchem die Frage, ob die dortigen Kläger insoweit als die wahren Erben anzusehen, dass ihnen der Nachlass, unbeschadet der Rechte Dritter, ausgeantwortet werden könne, als ein geeigneter Gegenstand des Rechtsstreites zwischen dem Erbprätendenten und dem Nachlasspfleger angesehen worden ist. Die 482 flg., insbesondere § 487 a. a. O. lassen einen Grund nicht erkennen, und es ist überhaupt kein Grund ersichtlich, aus welchem dem zur Ermittlung des unbekannten Erben bestellten, im Besitze des Nachlasses befindlichen Nachlasspfleger, wie er gegenüber der Klage des Erbprätendenten auf Ausantwortung des Nachlasses passiv legitimiert ist, nicht das entsprechende Recht zustehen sollte, die Beseitigung eines unberechtigten Erbprätendenten im Wege der Klage herbeizuführen. Der Nachlasspfleger verfolgt damit nicht, wie geltend gemacht worden ist, ein fremdes Interesse, sondern das Interesse des seiner Pflegschaft anvertrauten Nachlasses, wie denn das Gesetz (§ 476 AL.R. I. V) gerade als vornehmlichste Pflicht des Pflegers bezeichnet, sich die Ausmittelung und Entdeckung des eigentlichen Erben möglichst angelegen sein zu lassen. Als ein hierzu dienliches Mittel ist aber die Abwehr und nötigenfalls die Beseitigung der Ansprüche unberechtigter Erbprätendenten im Wege der Feststellungsklage dann unabweisbar, wenn die Erbprätendenten ihrerseits
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nicht dazu schreiten, ihren Anspruch zur richterlichen Entscheidung zu bringen. Dass die materiellen Voraussetzungen der Feststellungsklage vorliegen, ist von dem Revisionskläger ausdrücklich anerkannt worden, und es ergibt sich aus der gesetzlichen Pflicht des Erbprätendenten, das Erbrecht, auf welches er sich gründet, dem Richter gehörig nachzuweisen (§§ 482 flg. A.L.R. I- 9).“ …