Abwesenheitspfleger bei Erbschaft
Unbekannte Erben

Nachlasspflegschaft: Was man zum Nachlasspfleger wissen muss! Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen. 

Nachlasspflegschaft: Was man zum Nachlasspfleger wissen muss!

1. Warum gibt es die Nachlasspflegschaft?

Der Nachlasspfleger ist das wichtigste Sicherungsmittel des Nachlassgerichtes im deutschen Erbrecht. Aber der Reihe nach.

Im deutschen Erbrecht gelten die Grundsätze des Vonselbsterwerbs und der Gesamtrechtsnachfolge. Während in anderen Ländern eine amtliche Stelle den Erben überantwortet, rücken in Deutschland die Erben von selbst in alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein. Dazu bedarf es auch keines Erbscheins. Der Erbschein ist nur der Ausweis der Erben gegenüber Dritten, also Banken, dem Grundbuchamt oder Versicherungen, dass man Erbe ist. Erbe ist man automatisch mit dem Tod des Erblassers. Das ist kein Problem, wenn die Erben um den Erbfall wissen. Sie werden sich dann von selbst um den Nachlass kümmern. Wenn Sie aber vom Erbfall gar nichts wissen, ist der Nachlass ungeschützt und nicht gesichert. In solchen und ähnliche Fälle, wenn zum Beispiel verschiedene Parteien um den Nachlass streiten, weil sie gegeneinander behaupten der wirkliche Erbe zu sein, muss der Nachlass gepflegt und gesichert werden, bis die Erben feststehen. Der Nachlass bedarf dann einer gerichtlichen Fürsorge. Diese erfolgt durch die gerichtliche Einsetzung eines Nachlasspflegers. Das Gesetz drückt das in § 1960 BGB so aus:

„Bis zur Annahme der Erbschaft hat das Nachlassgericht für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das Gleich gilt, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat.“

§ 1960 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs

Es gibt also nur drei Gründe, in denen eine Nachlasspflegschaft überhaupt, angeordnet werden darf. Sie stellt ja einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Erben darf. Aus einem allgemeinen Sicherungsgefühl heraus darf das Nachlassgericht keine Pflegschaft anordnen. Liegt keiner der nachfolgenden drei Gründe vor ist die Nachlasspflegschaft unwirksam. Mit anderen Worten, sie ist nur wirksam, wenn

  1. Die Erbschaft noch nicht angenommen ist und ein Bedürfnis für die Sicherung des Nachlasses besteht, § 1960 S. 1
  2. Die Erben sind unbekannt und es besteht ein Bedürfnis für die Sicherung des Nachlasses, § 1960 S. 2
  3. Es ist ungewiss, ob die bekannten Erben die Erbschaft angenommen haben und es besteht ein Bedürfnis für die Sicherung des Nachlasses, § 1960 S. 2

§ 868 BGB Mittelbarer Besitz
Besitzt jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnis, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der andere Besitzer (mittelbarer Besitz).

2. Was ist eine Nachlasspflegschaft?

Die Nachlasspflegschaft ist eine zeitlich begrenzte Sicherungsmaßnahme des Nachlassgerichtes. Sie dient dem Schutz des Nachlasses. Ziel dieser vorläufigen Schutzmaßnahme sind letztlich aber die Erben und / oder die Nachlassgläubiger und / oder die noch unbekannten Erben. Ziel ist also immer der Schutz der bekannten oder i.d.R. der noch unbekannten Erben. Sie ist damit keine Vermögenspflegschaft, sondern eine

Personenpflegschaft

Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter der Erben. Die Nachlasspflegschaft ist eine Personenpflegschaft, für diejenigen welcher „Erbe wird“ bzw. ist. So regelt es das Gesetz in § 1960 Abs. 2 BGB (s.u.). Ziel der Nachlasspflegschaft ist es, dass der Nachlasspfleger den Erben den Nachlass aushändigt, sobald sie in der Lage sind ihn in Besitz zu nehmen. Das ist bei den unbekannten Erben erst nach Feststellung ihrer Erbenstellung der Fall.

Die Nachlasspflegschaft ist ein Unterfall der allgemeinen Pflegschaft. Auf die Nachlasspflegschaft sind daher die Vorschriften über die einfache Pflegschaft und damit auch die Vorschriften über das Vormundschaftsrecht entsprechend anzuwenden (§§ 1915 Abs. 1, § 1897 i.V.m. §§ 1773 ff. BGB). Anstelle des Betreuungsgerichts tritt logischerweise das Nachlassgericht. Der Nachlasspfleger handelt einmal für den Nachlass als solchen und / oder für die noch unbekannten Erben. Die Bestellung des Nachlasspflegers durch das Nachlassgericht ist ein hoheitlicher Akt. Die Nachlasspflegschaft besteht so lange fort, bis sie vom Nachlassgericht aufgehoben wird. Das gilt selbst dann, wenn die Nachlasspflegschaft durch das Nachlassgericht nicht hätte angeordnet werden dürfen, weil es an den Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft fehlte.

Von der Personenpflegschaft ist der Nachlasspfleger in seiner Funktion als Eigenperson zu unterscheiden. Für Fehler, die er als handelnder Nachlasspfleger macht, ist er als Privatperson schadensersatzpflichtig und kann den Schaden nicht auf den Nachlass abwälzen.

Wirksame Bestellung des Nachlasspflegers?

Der Nachlasspfleger wird durch das Nachlassgericht bestellt. Für eine wirksame Bestellung reicht es nicht aus, dass dem Pfleger vom Nachlassgericht lediglich der Beschluss über seine Bestellung und seine Bestallungsurkunde per Post zugesandt werden. Die wirksame Bestellung erfordert stets die persönliche Anwesenheit der für das Amt ausgewählten Person. In der Regel erfolgt die Verpflichtung des Nachlasspflegers beim Nachlassgericht durch Handschlag, auf den aber verzichtet werden kann. Nicht verzichtet werden kann aber auf die persönliche Verpflichtung des Nachlasspflegers durch das Nachlassgericht. Wenn diese fehlt ist die Bestellung des Nachlasspflegers unwirksam.

3. Unübersichtlich: Die Regelungen zur Nachlasspflegschaft

Schaut man ins Bürgerliche Gesetzbuch könnte man meinen, die Nachlasspflegschaft sei nur in drei Vorschriften geregelt, nämlich in §§ 1960 bis 1962 BGB. Bitte lesen Sie diese Vorschriften unbedingt. Ich habe mir die Mühe gemacht, sie nachfolgend für Sie niederzuschreiben.

§ 1960 BGB Sicherung des Nachlasses; Nachlasspfleger
(1) Bis zur Annahme der Erbschaft hat das Nachlassgericht für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das Gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat.
(2) Das Nachlassgericht kann insbesondere die Anlegung von Siegeln, die Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten sowie die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses anordnen, und für denjenigen welcher Erbe wird, einen Pfleger (Nachlasspfleger) bestellen.
(3) Die Vorschrift des § 1958 BGB findet auf den Nachlasspfleger keine Anwendung. (was nichts anderes heißt, als dass ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, gegen den Nachlasspfleger geltend gemacht werden kann).

1961 BGB Nachlasspflegschaft auf Antrag
Das Nachlassgericht hat in den Fällen des § 1960 Abs. 1 einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, vom Berechtigten beantragt wird.

§ 1962 BGB Zuständigkeit des Nachlassgerichts
Für die Nachlasspflegschaft tritt an die Stelle des Familiengerichts oder Betreuungsgerichts das Nachlassgericht.

Wer nun glaubt, damit alle Regelungen für die Nachlasspflegschaft zu kennen, hat sich gründlich geirrt. Denn es gilt auch § 1915 Abs. 1 BGB, der für alle Pflegschaften gilt (z.B. Ergänzungspflegschaft für Minderjährige nach § 1909 BGB, Abwesenheitspflegschaft für Volljährige unbekannten Aufenthalts nach § 1911 BGB, Pflegschaft für die Leibesfrucht zur Wahrung ihrer künftigen Rechte nach § 1912 BGB, Pflegschaft für unbekannte Beteiligte, z.B. eines Nacherben nach §1913 BGB). § 1915 Abs. 1 BGB gilt für alle Pflegschaften und damit auch für die Nachlasspflegschaft.

§ 1915 BGB Anwendung des Vormundschaftsrechts
(1) Auf die Pflegschaft finden die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Abweichend von § 3 Abs. 1 bis 3 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes bestimmt sich die Höhe einer nach § 1836 Abs 1 zu bewilligenden Vergütung nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnisse des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegegeschäfte, sofern der Pflegling nicht mittellos ist. An die Stelle des Familiengerichts tritt das Betreuungsgericht; dies gilt nicht bei der Pflegschaft für Minderjährige oder für eine Leibesfrucht.

Damit befinden wir uns plötzlich im Vormundschaftsrecht, nämlich in den Paragraphen 1773 bis 1895 BGB. Aus drei Paragraphen sind plötzlich 126 geworden. An die Stelle des Familiengerichts tritt beim entsprechend anzuwendenden Vormundschaftsrecht bei der Nachlasspflegschaft das Nachlassgericht, wie es § 1962 BGB bestimmt.

So wie ein Vormund für das Mündel dessen Vermögen zu verwalten hat, hat ein Nachlasspfleger für die Erben den Nachlass zu verwalten.

Gut zu wissen

Am dem 1.1.2023 ist für die Nachlasspflegschaft das Betreuungsrecht und nicht mehr das Vormundschaftsrecht anwendbar.

§ 1888 BGB in der ab 1.1.2023 gültigen Fassung: Anwendung des Betreuungsrechts
(1) Die Vorschriften des Betreuungsrechts sind auf sonstige Pflegschaften entsprechend anwendbar, soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(2) Die Ansprüche des berufsmäßig tätigen Pflegers auf Vergütung und Aufwendungsersatz richten sich nach den § § 1 bis 6 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes. Sofern der Pflegling nicht mittellos ist, bestimmt sich die Höhe des Stundensatzes des Pflegers jedoch nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte.

4. Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter der (noch nicht bekannten) Erben.

Er ist nicht Vertreter des Nachlasses, da der Nachlass in Deutschland keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. Der Nachlass gehört nicht sich selbst, sondern den Erben. Es liegt eine Personalpflegschaft für die Erben und keine Vermögenspflegschaft für den Nachlass vor. Die Bezeichnung Nachlasspflegschaft ist also irrführend. Richtiger wäre der Begriff „Pflegschaft für die ungewissen Erben“. Als gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben ist der Nachlasspfleger auch nicht Inhaber eines Amtes, wie z.B. der Testamentsvollstrecker; er ist deren gesetzlicher Vertreter.  

5. Prozesse gegen den Nachlasspfleger

Durch diese Sichtweise entsteht allerdings ein Problem, wenn die (ungewissen) Erben gegen den Nachlasspfleger klagen wollen. Die noch ungewissen Erben würden gegen die noch ungewissen Erben vertreten durch den Nachlasspfleger klagen.

Ein Nachlassgläubiger, also auch Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigte, kann gegen die unbekannten Erben vertreten durch den Nachlassgläubiger klagen.

Die Klage eines Erbkandidaten gegen den Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben wäre aber ein unzulässiger Insichprozess. In solchen Fällen gibt die Rechtsprechung dem Nachlasspfleger aber eine Parteirolle in eigener Person, also nicht als Vertreter der unbekannten Erben.

Sofern der Erbkandidat ein Feststellungsinteresse hat, kann er eine Erbbenfeststellungsklage gegen den Nachlasspfleger erheben. Das Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn der Nachlasspfleger das Erbrecht des Erbprätendenten bestreitet und / oder wenn der Erbprätendent den Nachlasspfleger dazu bringen will, seine Amtspflichten zu erfüllen.

Das für die Erbenfeststellung erforderliche Feststellungsinteresse liegt auch dann vor, wenn das Urteil sich auf die Aufhebung der Nachlasspflegschaft durch das Nachlassgericht auswirken kann.

In diesen Erbprätendenten-Prozessen tritt der Nachlasspfleger im eigenen Namen, nicht als Vertreter des Erben, auf. Damit entfaltet das Urteil seine Rechtskraft nur zwischen dem Nachlasspfleger und dem Erbkandidaten.

Zum Prozess des Nachlasspflegers gegen falsche Erbkandidaten siehe RGZ 34, 284:

6. Verfahrensrecht

Die Nachlasspflegschaft ist eine Nachlasssache nach dem FamFG

§ 342 FamFG Begriffsbestimmung
(1) Nachlasssachen sind Verfahren, die …
2. die Sicherung des Nachlasses einschließlich Nachlasspflegschaften …betreffen

Es gelten als die §§ 1 ff. und die §§ 342 ff. FamFG.

Die Bestellung des Nachlasspflegers erfolgt durch Beschluss des Nachlassgerichts nach § 40 FamFG.

7. BGH, Urteil vom 10. 5. 1951 – IV ZR 12/50 (Köln)

Über die Stellung des Nachlasspflegers gibt ein heute noch bedeutsames BGH- Urteil aus dem Jahre 1951 Auskunft. Es wurde sogar in die amtliche Sammlung des Bundesgerichtshof in deren zweiten Band aufgenommen. Wenn im Urteil vom Berufungsgericht die Rede ist, ist damit das Oberlandesgericht Köln gemeint. Von dort kam der Rechtsstreit im Wege der Revision an den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe, der die folgende Entscheidung fällte. Die Erbkandidatin hatte vor dem OLG den Rechtsstreit gewonnen. Sie hatte die Feststellung ihrer Alleinerbenstellung gegen den Nachlasspfleger begehrt. Hiergeben hatte der Nachlasspfleger Revision zum BGH eingelegt.

Zunächst die vom BGH aufgestellten Leitsätze:

a) Eine Klage des Erben gegen den sein Erbrecht bestreitenden Nachlaßpfleger auf Feststellung dieses Rechts ist möglich.

b) Ein durch die Kriegsereignisse verlorengegangenes Testament wird durch den Verlust nicht wirkungslos. Will der Erblasser das Testament nicht mehr gelten lassen, so kann er es nicht dadurch widerrufen, daß er formlos den Verlust billigt. Das verlorene Testament kann nur in der Form des § 33 Abs. 1 TestG widerrufen werden.

BGH, Urteil vom 10. 5. 1951 – IV ZR 12/50 (Köln)
Aus den Gründen des Urteils:

Das Berufungsgericht (OLG Köln) hat die Passivlegitimation des Beklagten (Nachlasspflegers) zutreffend bejaht. Die Nachlasspflegschaft ist zwar eine Personenpflegschaft. Der Nachlasspfleger ist der gesetzliche Vertreter der Erben hinsichtlich der Erhaltung und Verwaltung des Nachlasses. Diese Stellung des Beklagten (Nachlasspfleger) schließt aber nicht aus, dass derjenige, der Erbe zu sein behauptet, Rechtsstreitigkeiten wegen seines Erbrechts auch gegen den Nachlasspfleger führen kann. Eine solche Klagmöglichkeit ist nur insoweit ausgeschlossen, als der angebliche Erbe damit einen Rechtsstreit gegen sich selbst führen würde. Das ist in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht der Fall. Ebenso wie der Vertretene gegen den Vertreter einen Rechtsstreit wegen des der Vertretungsmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses führen kann, kann auch hier der angebliche Erbe gegen den Nachlasspfleger auf Feststellung klagen, dass er der wahre Erbe ist.

Die sich aus der Nachlasspflegschaft ergebende Vertretungsbefugnis beruht allerdings nicht auf vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Erben und dem Nachlasspfleger, sondern auf einem staatlichen Hoheitsakt. Aber auch bei der Nachlasspflegschaft ist ähnlich wie bei einer auf Vertrag beruhenden Vollmacht zwischen der Vertretungsmacht des Nachlasspflegers nach außen und seinen Pflichten gegenüber den von ihm vertretenen Erben zu scheiden. Der Nachlasspfleger hat nach § 1960 BGB den Nachlass für den Erben zu erhalten und zu verwalten. Nach §§ 1960, 1915, 1890 BGB ist er nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft verpflichtet, den Nachlass an den Erben herauszugeben und über seine Verwaltung Rechnung zu legen. Insoweit besteht zwischen dem Nachlasspfleger und dem Erben ein Rechtsverhältnis. Dieses Rechtsverhältnis kann, sofern ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung gegeben ist, Gegenstand einer Feststellungsklage des Erben gegen den Nachlasspfleger nach § 256 ZPO sein. Klagt der Erbe auf Feststellung seines Erbrechts gegen den Nachlasspfleger, so begehrt er damit die Feststellung, dass der Nachlasspfleger im Rahmen seines Amtes ihn zu vertreten und die sich aus seinem Amt ergebenden Pflichten ihm gegenüber zu erfüllen hat (vgl. im Ergebnis ebenso RGZ 106, 46; Staudinger, 10. Aufl. § 1960 Anm. 47; Plank, 4. Aufl. § 1960 Anm. 3 b β; Kipp, Erbrecht 7. Bearb. § 59 II und BGB RGR § 1960 Anm. 4).

Ebenso hat das Berufungsgericht das rechtliche Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung ihres Erbrechts ohne Rechtsirrtum bejaht. Die Ansicht der Revision, dass die Klägerin sofort auf Herausgabe des Nachlasses klagen könne und daher ein Rechtsschutzinteresse für eine Feststellungsklage nicht gegeben sei, ist unzutreffend. Denn die Klägerin kann die Herausgabe des Nachlasses gemäß §§ 1960, 1915, 1890 BGB erst nach Beendigung der Nachlasspflegschaft verlangen. Die Pflegschaft endigt aber noch nicht mit der Feststellung ihres Erbrechts, sondern sie dauert an, bis sie vom Nachlassgericht aufgehoben wird.

In der Sache hat das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei festgestellt, dass die Kl. auf Grund der testamentarischen Verfügung des Dr. L. dessen Erbin geworden ist …

Hintergrund des Rechtsstreits war, dass die Testamentsurkunde in, der die Erbanwärterin zur Erbin eingesetzt worden war, nach dem Tod des Erblassers verschwunden war. Sie war aber unstreitig einmal errichtet worden. Solche Testamente wirken – mangels Widerruf des Erblassers – dennoch fort, auch wenn sie nicht mehr auffindbar sind.

Siehe auch: Nachlasspfleger kann Herausgabe des Nachlasses verlangen, § 1960 BGB

8. Welche Aufgaben hat der Nachlasspfleger?

Die Aufgaben bestimmt das Nachlassgericht in der sogenannten Bestallungsurkunde. Gewöhnlich wird der Aufgabenkreis mit „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses“ und „Ermittlung der Erben“ umschrieben. Der Nachlasspfleger ist also regelmäßig zur vollen Verwaltung des Nachlasses berechtigt.

Der Nachlasspfleger hat den Nachlass in Besitz zu nehmen und zu verwalten.

Sobald er von einer Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erlangt, hat der Nachlassinsolvenz zu beantragen.

Der Nachlasspfleger hat auch die Erben zu ermitteln, wozu er – sofern sinnvoll – einen Antrag auf Erlass des Aufgebots nach dem Verschollenheitsgesetz stellen kann. Er kann auch eine Todeserklärung beantragen. Er hat alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Erben zu ermitteln. Dazu dienen Anfragen bei Standesämtern, Behörden, Auskunfteien, die Einschaltung einer Detektei, Inserate in Zeitungen. Die Kosten trägt der Nachlass.

9. Ende der Nachlasspflegschaft

Die Nachlasspflegschaft endet erst, wenn sie durch das Nachlassgericht aufgehoben wird. Das gilt selbst dann, wenn sie gar nicht hätte angeordnet werden dürfen. Die Nachlasspflegschaft ist aufzuheben, wenn der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist.

§ 1919 BGB Aufhebung der Pflegschaft bei Wegfall des Grundes
Die Pflegschaft ist aufzuheben, wenn der Grund für die Anordnung der Pflegschaft weggefallen ist.

Die Nachlasspflegschaft ist also formell durch das Nachlassgericht aufzuheben. Sie endet nicht automatisch kraft Gesetzes.

Der Nachlasspfleger hat von sich aus selber auf die Aufhebung der Nachlasspflegschaft hinzuwirken, wenn ihm der Erbe bekannt ist. Denn dann ist der Grund der Nachlasspflegschaft weggefallen.

10. Entlassung des Nachlasspflegers

Das Gesetz nennt zwei Gründe, bei deren Vorliegen das Nachlassgericht den Nachlasspfleger zu entlassen hat. Hier müssen wir wegen § 1915 BGB (siehe oben) wieder auf das Vormundschaftsrecht zurückgreifen:

§ 1886 Entlassung des Einzelvormunds
Das Familiengericht hat den Einzelvormund zu entlassen, wenn die Fortführung des Amts, insbesondere wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Vormunds, das Interesse des Mündels gefährden würde oder wenn in der Person des Vormunds einer der in § 1781 bestimmten Gründe vorliegt.

„Übersetzt“ bedeutet dies für die Nachlasspflegschaft:

Das Nachlassgericht hat den Nachlasspfleger zu entlassen, wenn die Fortführung des Amts, insbesondere wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Nachlasspflegers, die Interessen der unbekannten Erben gefährden würde oder wenn in der Person des Nachlasspflegers einer der in § 1781 BGB bestimmten Gründe vorliegt.

Verlangt wird nur, dass die Fortführung des Amts durch den Nachlasspfleger das Interesse der unbekannten Erben gefährden könnte. Eine Schädigung braucht noch nicht eingetreten zu sein. Entscheidend ist vielmehr, dass eine Schädigung bei Belassung des Nachlasspflegers in seinem Amt nach Lage der Dinge möglich oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Aufgrund des Verweises auf § 1781 BGB ist der Nachlasspfleger zu entlassen, wenn für den Nachlasspfleger ein Betreuer bestellt wird, z.B. weil er geschäftsunfähig geworden ist.

Liegt einer der Entlassungsgründe vor, so muss das Nachlassgericht den Nachlasspfleger entlassen; das Gericht ist also nicht nur dazu berechtigt, sondern verpflichtet. Eine Verletzung dieser Pflicht kann Amtshaftungsansprüche auslösen.

Allerdings muss die Entlassung verhältnismäßig sein. Die Entlassung kommt daher nur dann in Betracht, wenn weniger einschneidende Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder objektiv im konkreten Fall nicht ausreichend erscheinen.

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Wichtig: Auch wenn sich auf unserer Homepage vieles für Sie einfach darstellen mag, fehlt auch dem intelligentesten Laien der Gesamtüberblick im Erbrecht. Oft werden schwierigste Punkte, die scheinbar im Vordergrund stehen, verstanden, grundlegende andere Probleme, die für den konkreten Fall wirklich entscheidend sind, aber gar nicht gesehen. Wir empfehlen Ihnen daher, unsere günstige Erstberatung, bei der sie auf jeden Fall eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kostenlos erhalten. Sparen Sie nicht am falschen Ort. Oft müssen die Erben später viele Jahre prozessieren und Zigtausende an Anwalts- und Gerichtskosten zahlen, nur weil der Erblasser die geringen Erstberatungskosten sparen wollte.

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