Testamentsvollstrecker: Entlassung aus wichtigem Grund. Erklärt von Gerhard Ruby. Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Testamentsvollstrecker loswerden – Die Entlassung des Testamentsvollstreckers „aus wichtigem Grund“
6 % der Testamente ordnen Testamentsvollstreckung an
Sie ist ein gutes Instrument, um die Abwicklung schwieriger Nachlässe zu steuern. Testamentsvollstreckungen werden aber schwieriger. Galt der Testamentsvollstrecker früher als unangreifbar, machen die Miterben heute immer öfters ihre Rechte gegen den Testamentsvollstrecker geltend. Grund mag einerseits die Information durch Dr. Google andererseits die ständig wachsende Qualifizierung der Anwaltschaft durch Fachanwälte für Erbrecht sein. Die Miterben fühlen sich oft durch den Testamentsvollstrecker gegängelt und bevormundet oder regen sich einfach über die lange Dauer der Testamentsvollstreckung auf. Irgendwann kommt zumindest einer der Miterben zu dem Entschluss, dass er den Testamentsvollstrecker loswerden möchte.
Entlassung nur durch das Nachlassgericht
Der Testamentsvollstrecker hat eine große Machtfülle. Er wird bei seiner Tätigkeit z.B. nicht vom Nachlassgericht überwacht oder kontrolliert. Die einzige Möglichkeit der Erben über das Nachlassgericht eine Entscheidung gegen den Testamentsvollstrecker herbeizuführen ist es, seine Entlassung zu beantragen:
§ 2227 BGB Entlassung des Testamentsvollstreckers
Bürgerliches Gesetzbuch
Das Nachlassgericht kann den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines der Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung.
Schon aus § 2227 BGB ergibt sich, dass die Erben den Testamentsvollstrecker nicht einfach durch Mehrheitsentscheidung absetzen können. Der Testamentsvollstrecker ist der verlängerte Arm des Verstorbenen über dessen Tod bzw. sprichwörtlich „aus dem Grab heraus“.
Man kann den Testamentsvollstrecker nur durch einen Beschluss des Nachlassgerichts loswerden. Das Nachlassgericht entscheidet nur durch Beschlüsse, nicht durch Urteile. Es ist ein Gericht der fürsorglichen bzw. freiwilligen Gerichtsbarkeit und kein Prozessgericht. Das Prozessgericht entscheidet durch Urteile, Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Beschluss (z.B. eben Nachlassgericht, Familiengericht, Betreuungsgericht).
Drei Interessen spielen eine Rollen
Das Nachlassgericht hat bei seiner Entscheidung, ob ein Entlassungsgrund vorliegt, drei Interessen zu beachten:
- Das – nicht zu unterschätzende – Interesse des Erblassers an der Testamentsvollstreckung und gerade diesem Testamentsvollstrecker
- die Belange der Erben und
- des Testamentsvollstreckers selbst.
Wichtiger Entlassungsgrund
Der Testamentsvollstrecker kann aus „wichtigem Grund“ vom Nachlassgericht entlassen werden. Das erinnert an den Arbeitnehmer, der auch „auch wichtigem Grund“ entlassen werden kann. Und jedes auf Dauer angelegte Schuldverhältnis kann „aus wichtigem Grund“ gekündigt werden., so will es § 314 BGB:
Prüfungsstufen
Für die Entlassung des Testamentsvollstreckers gilt ein zweistufiges Prüfungsverfahren:
- Stufe: Es muss ein wichtiger Grund vorliegen, der eigentlich geeignet ist, den Testamentsvollstrecker zu entlassen.
- Stufe: Aber, es muss auch geprüft werden, ob seine Entlassung im konkreten Fall auch wirklich verhältnismäßig ist, nämlich unter Berücksichtigung der Interessen
a) des Erblassers (Er ist ja der eigentliche Chef, der den Testamentsvollstrecker wollte)
b) der Miterben bzw. des Nachlasses
c) des Testamentsvollstreckers selbst
All dies liegt im Ermessen des Nachlassgerichts, das für eine Entlassung zu einer „negativen Fortführungsprognose“ kommen muss.
Der „wichtige Grund“
Der wichtige Grund kann drei Fallgruppen zugeordnet werden
- Fallgruppe: Grobe Pflichtverletzung als vorwerfbares Verhalten
- Fallgruppe: Unfähigkeit des Testamentsvollstreckers als in einer Person liegender, nicht vorwerfbarer Grund
- Fallgruppe: Verletzung der Interessen des Nachlasses bzw. der Miterben und der Erblasservorstellung, was mit dem Nachlass zugunsten der Erben zu geschehen hat
Grobe Pflichtverletzung als vorwerfbares Verhalten
Die von § 2227 geforderte Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers muss grob, also schwerwiegend und schuldhaft sein. Solch grobe Pflichtverletzungen können bspw. sein:;
- die Verletzung der Pflicht zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses
- die Verletzung der Pflicht zur Einreichung der Erbschaftsteuererklärung
- die Erteilung falscher Auskünfte gegenüber den Erben
- die Erteilung falscher Auskünfte gegenüber staatlichen Stellen
- strafbares Handeln des Testamentsvollstreckers mit Bezug zu seiner Tätigkeit
Unfähigkeit des Testamentsvollstreckers als Person
Ist der Testamentsvollstrecker zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung nicht in der Lage kann dies auch ohne schuldhaftes und pflichtwidriges Verhalten zu seiner Entlassung führen. Bei diesem Punkt kommt es ganz besonders auf die Vorstellungen des Erblasser an. Qualitative Mängel des Testamentsvollstreckers, die dem Erblasser bekannt waren, können in der Regel nicht zur Entlassung des Testamentsvollstreckers führen.
In der Person des Testamentsvollstreckers liegende Unfähigkeitsgründe sind z.B.
- langandauernde Krankheit
- Mangelnde Kenntnisse und Fähigkeiten
- Interessenkollision
Verletzung der Interessen des Erblassers bzw. des Nachlasses und der Miterben
Hierbei müssen auch die vom Erblasser mit der Testamentsvollstreckung bzw. dem Nachlass verfolgten Ziele Beachtung finden. So liegt ein wichtiger Grund zur Entlassung vor, wenn ein längeres Verbleiben des Testamentsvollstreckers im Amt der Ausführung des letzten Willens des Erblassers hinderlich ist. So kann der Testamentsvollstrecker entlassen werden,, wenn Umstände vorliegen, die den Erblasser, wenn er noch lebte, mutmaßlich zum Widerruf der Ernennung des Testamentsvollstreckers veranlasst hätten und diese auch objektiv betrachtet den Widerruf als im Interesse des Erben oder liegend erscheinen lassen. Zu beachten ist aber immer, dass Tatsachen, die dem Erblasser bei der Berufung des Testamentsvollstreckers bekannt waren, nicht dessen Entlassung rechtfertigen können; es sei denn, der Erblasser hätte den Testamentsvollstrecker nicht ernannt, wenn er die späteren Auswirkungen dieser Tatsachen erkannt hätte.
Die Interessenabwägung im konkreten Fall
Die Erben stellen naturgemäß ihre durchaus schützenswerten Interessen in den Vordergrund. Andererseits ist immer zu bedenken, dass die Erben den Nachlass mit der Belastung der Testamentsvollstreckung erhalten haben, weil der Erblasser dies so gewollt hat. Es ist daher immer zu fragen, ob die von den Miterben verfolgte Entlassung des Testamentsvollstreckers auch wirklich dem Willen des Erblassers entsprochen hätte. Aus Sicht des Testamentsvollstreckers ist in die Abwägung einzuwerfen, dass dessen Entlassung zu einem Reputationsverlust führen kann.
Bei der Interessenabwägung im konkreten Fall ist genau zu gewichten:
- wie schwer wiegt die grobe Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers?
- wie wirkt sie sich auf den Nachlass aus?
- wie hoch ist der Grad des Verschuldens des Testamentsvollstreckers?
- wie lange wird die Testamentsvollstreckung noch dauern?
- wird sie störungsfrei verlaufen oder besteht die konkrete Gefahr dass der Testamentsvollstrecker weiter seine Pflichten verletzt?
- wurde der Testamentsvollstrecker von den Erben schon abgemahnt und hat trotzdem seine Pflichten verletzt?
- was passiert mit dem Nachlass und dem Erblasserwillen wenn der konkrete Testamentsvollstrecker entlassen wird? Gibt es einen Ersatzvollstrecker ist der Wunsch des Erblassers nach Testamentsvollstreckung weniger tangiert als ohne Testamentsvollstreckung?
Vergütung des entlassenen Testamentsvollstreckers
Wird eine Entlassung ausgesprochen stellt sich die Frage, ob und wieviel der entlassene Testamentsvollstrecker für seine bisherige Tätigkeit als Vergütung verlangen kann. Auch der entlassene Testamentsvollstrecker kann – er war bis zu seiner Entlassung Testamentsvollstrecker – für seine erbrachten Leistungen eine angemessene Vergütung verlangen, und zwar grundsätzlich zeitanteilig, wobei diese zeitanteilige Vergütung aufgrund der Qualitätsmängel einer Arbeit, die ja zur Entlassung führten, herabgesetzt werden kann.