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Was versteht man unter der „freiwilligen Gerichtsbarkeit“?

Mit dem Ausdruck freiwillige Gerichtsbarkeit bezeichnet man in Deutschland bestimmte Angelegenheiten der vorsorgenden Rechtspflege. Es handelt sich um Fürsorgeverfahren, die sowohl im privaten wie öffentlichen Interesse durchgeführt werden (z.B. Erteilung eines Erbscheins durch das Nachlassgericht). Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden nicht im prozessualen Streit vor den den streitigen Prozessgerichten durchgeführt, sondern von anderen Rechtspflegeorganen (Abteilungen der Gerichte, Notare, Behörden) werden. Dabei wird bezweckt, später drohende Prozesse von vornherein vorbeugend zu vermeiden, indem bei der Rechtsformulierung und der Fortentwicklung der Rechtsverhältnisse geholfen wird. Die freiwillige Gerichtsbarkeit ist Rechtsfürsorge und Rechtsgestaltung zur Sicherung des Rechtsfriedens i.w.S.. In Österreich spricht man treffend vom Außerstreitgericht. Die streitige Gerichtsbarkeit hingegen ist durch den Kampf ums Recht gekennzeichnet (Streitgericht).

Merkwort: Vorbeugen ist besser als Bohren = Ursprüngliche Rechtsklarheit ist besser als nachträgliche Rechtsklärung =  Rechtsfürsorge ist besser als Reparatur durch Urteile.

Seit 1.9.2009 sind die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit im FamFG geregelt (FamFG = Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit).

Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind insbesondere:

  • Nachlasssachen (Nachlassgericht)
  • Betreuungssachen (Betreuungsgericht)
  • Unterbringungssachen (Unterbringungsverfahren)
  • Registersachen (Handelsregister; Genossenschaftsregister; Vereinsregister; Güterrechtsregister)
  • Grundbuchsachen (Grundbuchordnung)
  • Landwirtschaftssachen (Grundstücksverkehr)
  • Beurkundungstätigkeit der Notare (Beurkundungsgesetz)
  • Familiensachen (Familiengericht)
    Standesamt (Geburten-, Heirats-, Familien- und Sterbebuch)
  • Patentamt (Anmeldung und Löschung von Patenten)
In der freiwilligen Gerichtsbarkeit gibt es keine Klage.

Das Gericht wird von Amts wegen oder auf Antrag tätig. Es gibt keine Kläger und Beklagten, sondern Beteiligte, die teilweise auch als Betroffene oder als Antragsteller und Antragsgegner bezeichnet werden. Es herrscht überwiegend kein Anwaltszwang (anders teilweise bei der weiteren Beschwerde und in Familiensachen). Die Verhandlungen sind meist nicht öffentlich. In vielen Fällen wird ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage entschieden.

Während bei streitigen Prozessen der Verhandlungsgrundsatz (Beibringungsgrundsatz) herrscht, gibt es in der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Grundsatz der Amtsermittlung, d.h. das Gericht bestimmt selbst, welche Ermittlungen es anstellt und welche Beweismittel es heranzieht.

Entschieden wird in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss. Die Ausgangsentscheidung ist vom Gesetz in vielen Fällen dem Rechtspfleger übertragen (z.B. Erbschein bei gesetzlicher Erbfolge, bei Testanten ist der Nachlassrichter zuständig.  

Beschwerde als Rechtsmittel

Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts als erstinstanzliches Nachlassgericht kann Beschwerde eingelegt werden. Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat. Sie ist beim Amtsgericht einzulegen. Das Amtsgericht hat dann die Möglichkeit, seinen Beschluss noch einmal zu überdenken. Es kann der Beschwerde also abhelfen und seinen Beschluss ändern. Beharrt das Amtsgericht auf seiner Entscheidung und hilft es der Beschwerde nicht selbst ab, legt es die Sache dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht vor. 

 

 

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