Die deutschen Anerbenrechte im Überblick. Erklärt von Fachanwalt für Erbrecht Gerhard Ruby, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen

Was sind Anerbenrechte?

Anerbenrecht ist ein besonderes Erbrecht für landwirtschaftliche Betriebe. Es gibt in einigen deutschen Bundesländer solche regional geltenden Anerbenrechte. Sie werden auch als  Höferecht oder Landgüterrecht bezeichnet. Das Anerbenrecht ist eine vom allgemeinen Erbrecht abweichende Sonderregelung der Erbfolge in  landwirtschaftliche Besitzungen. Diese Besitzungen heißen – je nach Anerbenrecht –  „Hof, Hofgut, Anerbengut, Landgut, Bauerngut“. Ein solches Anerbengut geht beim Tod des Landwirts ungeteilt an einen von mehreren Miterben. Das ist der Anerbe. Er hat nur eine ermäßigte Abfindung an die übrigen Miterben zu zahlen. Man nennt diese Abfindlinge auch weichende Erben.  Das Anerbenrecht ersetzt  die im normalen Erbrecht geltenden Grundsätze der Gesamterbfolge und Gleichbehandlung der Miterben durch eine Sondernachfolge und Bevorzugung eines Miterben. Ziel des Anerbenrechts ist es, die Zersplitterung der landwirtschaftlichen Unternehmen im Erbgang durch Aufteilung und die Gefährdung der Fortführung des ungeteilt übergangenen Unternehmens durch Überschuldung in Folge von hohen Abfindungsansprüchen zu vermeiden.

Drei Prototypen

Um das Ziel der ungeteilten Hofnachfolge zu erreichen wurden von der Gesetzgebung vor allem drei verschiedene rechtstechnische Typen entwickelt: Erwerb des Alleineigentums am Hof (als Wirtschaftseinheit) durch den Anerben

  • kraft Gesetzes mit dem Erbfall (Sondererbfolge)
  • kraft gesetzlicher Teilungsanordnung (Zivilteilung) oder
  • auf Grund eines gesetzlichen Übernahmerechts (Näherecht).

Nach dem formalen Geltungsgrund unterscheidet man unmittelbares (direktes) oder mittelbares (indirektes) Anerbenrecht. Als unmittelbares (direktes) Anerbenrecht wird ein Anerbenrecht bezeichnet, das kraft Gesetzes für bestimmte, nach objektiven Merkmalen (z.B. Fläche, Einheitswert, Wirtschaftswert) bezeichnete Höfe gilt, eine eventuelle Eintragung in ein Register ist in diesem Falle deklaratorisch (rechtsbekundend).

Dem gegenüber bezeichnet man als mittelbares (indirektes) Anerbenrecht ein Anerbenrecht, das kraft konstitutiver Eintragung in ein öffentliches Register gilt. Nach der Abdingbarkeit unterscheidet man zwischen fakultativem (dispositivem) und obligatorischem (zwingendem) Anerbenrecht. Sowohl ein unmittelbares wie ein mittelbares Anerbenrecht kann fakultativ oder obligatorisch sein, je nachdem, ob der Hofeigentümer die Geltung des Anerbenrechts kraft Privatautonomie ausschließen kann oder nicht.

Rechtspolitische Zwecke

Anerbenrecht beruht auf gesellschaftspolitischen und/oder volkswirtschaftlichen Beweggründen: Anerbenrecht kann einmal den Schutz des einzelnen Bauern bzw. seiner Familie im gesellschaftspolitischen Interesse der Erhaltung des Bauernstandes (Mittelstand, Landflucht) bezwecken, zum anderen auf die Sicherung produktionsfähiger Unternehmen aus volkswirtschaftlichen (insbesondere ernährungs- und agrarstrukturpolitischen) Gründen abzielen. Beide Normzwecke können sich ergänzen aber auch widersprechen, so z. B. wenn ein Anerbenrecht auch nicht existenzfähige Höfe schützt. In der neueren Gesetzgebung steht der agrarstrukturpolitische Zweck im Vordergrund, dabei wird heute nicht die Aufrechterhaltung möglichst vieler beliebig großer landwirtschaftlicher Unternehmen, sondern die Stützung von entwicklungsfähigen Vollerwerbsbetrieben vorrangig angestrebt.

Alternativen

Der geschlossenen Überleitung eines Hofes dienen auch die  Hofübergabeverträge. Man spricht hier auch von einer gleitenden Hofübergabe. Da mit diesen Verträgen regelmäßig die Hoferbfolge durch Rechtsgeschäft unter Lebenden vorgenommen wird, beziehen manche Anerbengesetze die Hofübergabeverträge in ihre Regelung mit ein. In den letzten Jahrzehnten  bedient man sich zunehmend gesellschaftsvertraglicher Gestaltungsformen zur Vorbereitung und Durchführung der Hofnachfolge. Diesem Zweck können auch Pacht- und Wirtschaftsüberlassungsverträge in Verbindung mit Erbverträgen dienen. Neben diesen rechtlich selbstbestimmten Übergabeformen erfüllt auch die gesetzliche Zuweisung (§§ 13 ff. Grundstücksverkehrsgesetz) die gleiche Funktion wie ein Anerbenrecht. Auch die erbrechtlichen Bewertungsvorschriften der §§ 2049, 2312 BGB sollen die geschlossene Übernahme von Höfen erleichtert . Die Zwecke des Anerbenrechts werden mittelbar auch durch §§ 2 ff. Grundstücksverkehrsgesetz gefördert, welche die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks unter Genehmigungsvorbehalt stellen.

Bunte Karte der Anerbenrechte

Anerbenrecht ist in Geschichte und Gegenwart Deutschlands regional begrenztes Recht. So zeigt die Karte des deutschen Anerbenrechts auch heute ein buntes Bild. Es gilt:

  • Bundesrechtlich partikulares Anerbenrecht in der ehemaligen britischen Besatzungszone, d. h. den Ländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein;
  • landesrechtlich einheitliches Anerbenrecht in Brandenburg, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz
  • landesrechtlich uneinheitliches Anerbenrecht in Baden-Württemberg;
  • jegliches Anerbenrecht fehlt in den anderen Bundesländern

Im Einzelnen ergibt sich derzeit folgende Gesetzeslage:

  • Höfeordnung:
    In den Ländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gilt die Höfeordnung vom 24.04.1947 (Anlage B der Militärregierungsverordnung Nr. 84), heute als Bundesrecht.
  • Badisches Hofgütergesetz
    Innerhalb Baden-Württembergs gilt im Schwarzwald das BadHofGG.
  • Brandenburgische Höfeordnung
  • Württembergisches Anerbenrechtsgesetz
    In Nordwürttemberg, Nordbaden und Hohenzollern gilt das WürttARG
  • Bremisches Höfegesetz
    In Bremen gilt das alte Bremische Höfegesetz vom 18.07.1899.
  • Hessische Landgüterordnung
    Hessen hat die ehemalige Landgüterordnung für den Regierungsbezirk Kassel vom 01.07.1887 für das ganze Land Hessen als hessische Landgüterordnung in Kraft gesetzt.
  • Höfeordnung Rheinland-Pfalz
    In Rheinland-Pfalz, einem traditionellen Freiteilungsgebiet, wurde mit Gesetz vom 07.10.1953 eine Höfeordnung eingeführt.

Wann gelten Anerbenrechte?

Das Anerbenrecht als besonderes Recht hat besondere Voraussetzungen.

Anerbengutsfähigkeit

Damit eines der Anerbenrecht gelten kann, muss der jeweilige Betrieb anerbengutsfähig sein.  Dazu muss zunächst eine wirtschaftliche Einheit land- oder forstwirtschaftlich genutzten Bodens, d. h. ein land- oder forstwirtschaftliches Unternehmen vorliegen (§ 1 Höfeordnung, § 1 Badisches Hofgütergesetz, – § 2 Gesetz vom 23.05.1888 in Verbindung mit § 1 Badisches Gesetz von 1949: Nur wenn der Boden der Hauptsache nach zusammenhängt -, Art. 1 Abs. 2 Württembergisches ARG, § 1 Abs. 2 Bremisches Höfegesetz: Nur landwirtschaftliche Betriebe, § 1 Abs. 2 LGO, § 2 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Überwiegend wird weiter eine zur Bewirtschaftung geeignete Hofstelle verlangt (§ 1 Abs. 1 Höfeordnung, § 3 Abs. 1 Satz 2 Badisches Hofgütergesetz: Bei Teilung in mehrere Hofgüter, § 1 Abs. 2 Bremisches Höfegesetz, § 1 Abs. 2 LGO, § 2 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Das Württembergische ARG sieht von dieser Voraussetzung ab, verlangt aber die Möglichkeit einheitlicher Bewirtschaftung. Quantitative Mindestanforderungen an die Hofesgröße werden überall gestellt, dagegen ist ein Höchstumfang nirgendwo vorgesehen. Für die Feststellung der Mindestgröße knüpft das norddeutsche Anerbenrecht an absolute Größen, das süddeutsche Anerbenrecht an das relative Kriterium der Ackernahrung an. Die Höfeordnung verwendet seit der am 01.07.1976 in Kraft getretenen Reform anstelle des Einheitswerts den nach den steuerlichen Bewertungsvorschriften festgestellten Wirtschaftswert als Abgrenzungskriterium (§ 1). Dieser beträgt gemäß § 46 Bewertungsgesetz das 18-fache des durchschnittlichen, nachhaltigen jährlichen Betriebsreinertrags ohne Wohngebäude. Nach der Höfeordnung setzt die Erlangung der Hofeigenschaft einen Wirtschaftswert von mindestens 10.000,00 DM voraus (siehe näher unter b)). Das Bremische Höfegesetz legt die Mindestgröße auf 2,5 ha fest. Das süddeutsche Anerbenrecht stellt demgegenüber darauf ab, ob das landwirtschaftliche Unternehmen völlig zum selbstständigen Unterhalt einer Familie ausreicht (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 Badisches Hofgütergesetz, § 1 Abs. 2 Satz 2 Württembergisches ARG, § 2 Abs. 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung).

In welchem Umfang ein Besitz dem Anerbenrecht unterliegt, ergibt sich in der Regel aus dem öffentlichen Register, in welches das Anerbengut eingetragen ist. Insbesondere gehört das Zubehör anerbenrechtlich zum Anerbengut und folgt daher dessen rechtlichem Schicksal. Der Zubehörbegriff wird im Anerbenrecht vielfach abweichend vom BGB bestimmt (z. B. § 7 Bremisches Höfegesetz, § 12 LGO). Als Rechtsträger für ein Anerbengut kommen nur natürliche, keine juristischen Personen in Betracht. Hofinhaber kann zunächst eine Einzelperson sein, in deren Alleineigentum ein Hof steht (vgl. § 1 Abs. 1 Höfeordnung, § 7 Badisches Hofgütergesetz, § 1 Abs. 2 Satz 2 Bremisches Höfegesetz, § 3 Abs. 1 LGO, § 2 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Einer Personenmehrheit kann ein Hof nur zustehen, wenn diese familienrechtlichen Charakter hat. Von praktischer Bedeutung ist hier vor allem der Hof, der im gemeinschaftlichen Eigentum (zur gesamten Hand oder zu Bruchteilen) von Ehegatten steht (Ehegattenhof: § 1 Abs. 1 Höfeordnung, § 19 Badisches Hofgütergesetz – Gütergemeinschaft -, §§ 6 Abs. 3, 17 Abs. 1 bis 3, 18, 19 Abs. 2 Württembergisches ARG – Allgemeine Gütergemeinschaft -, § 1 Abs. 2 Satz 2 Bremisches Höfegesetz, § 2 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Nach einigen Anerbengesetzen kann ein Hof auch einer fortgesetzten Gütergemeinschaft zustehen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Höfeordnung, Art. 17 Abs. 1 Württembergisches ARG, § 1 Abs. 2 Bremisches Höfegesetz). Art. 7 Nr. 1 Württembergisches ARG lässt auch Miteigentum des Erblassers und des Anerben an einem Anerbengut zu.

Eintragung im Grundbuch

Nach manchen Anerbengesetzen genügt die Anerbengutsfähigkeit (Hoffähigkeit) damit ein Anerbengut vorliegt.  In diesem Fall herrscht das System der Anerbenrechtsgeltung kraft Gesetzes (unmittelbares oder direktes Anerbenrecht). Dieses System ist nur praktikabel, wenn die materiellen Voraussetzungen objektiv eindeutig bestimmt sind, insbesondere muss das Kriterium der Hofgröße absolut (z. B. durch Flächengröße oder steuerlich bestimmte Hofwerte) festgelegt sein. Die Anerbenrechtsgeltung kraft Gesetzes sieht derzeit allein die norddeutsche Höfeordnung für die Höfe mit einem Wirtschaftswert von mindestens 10.000 Euro vor. Einer Erklärung eines Antrags oder Registereintrags bedarf es nicht. Es handelt sich hier um sogenannte „geborene Höfe“. Die Eintragung in das Grundbuch hat lediglich deklaratorische (rechtsbekundende) Wirkung. Dies gilt auch für Ehegattenhöfe (§ 1 Abs. 1 Höfeordnung).

Eine einzigartige Sonderstellung nimmt das Badische Hofgütergesetz ein. Zwar gilt auch das badische Anerbenrecht kraft Gesetzes, die Hofguteigenschaft wird jedoch nicht abstrakt nach absoluten Größen, sondern konkret durch Gesetze bestimmt: Der Gesetzgeber hat die Hofeigenschaft auf Grund eines an der Anerbensitte ausgerichteten Verfahrens in dem Gesetz die geschlossenen Hofgüter betreffend vom 23.05.1988 individuell festgestellt. Dementsprechend kennt das Badische Hofgütergesetz grundsätzlich keine privatautonome Neuschaffung von Hofgütern. Die einzige Durchbrechung dieses Grundsatzes des Numerus clausus bildet die Zerlegung eines bestehenden Hofgutes in mehrere (eigenständige lebensfähige) Hofgüter. Ein derartiges neues Hofgut unterliegt nach Genehmigung durch das Landwirtschaftsamt mit der von Amts wegen veranlassten Eintragung des Hofguts in das Grundbuch dem Anerbenrecht (§ 3 Badisches Hofgütergesetz).

Anerbenrecht kraft Registereintrags

Wo der Gesetzgeber die Anerbengutseigenschaft weder individuell noch generell nach absoluten Größen festgelegt hat, bedingt die Geltung eines Anerbenrechts aus Rechtssicherheitsgründen die förmliche Unterstellung eines anerbengutsfähigen Betriebs unter das Anerbenrecht. Voraussetzung für die Geltung des Anerbenrechts ist dann – neben den materiellen Voraussetzungen – die Eintragung in ein öffentliches Register (Grundbuch, Höferolle, Landgüterrolle): Dieses System kann als Anerbenrechtsgeltung kraft Registereintragung (mittelbares oder indirektes Anerbenrecht) bezeichnet werden. Diesem System der Antragshöfe folgen die Höfeordnung für Höfe mit einem Wirtschaftswert von weniger als 10.000 Euro, aber mindestens 5.000 Euro, sowie alle übrigen deutschen Anerbengesetze mit Ausnahme des badischen Hofgütergesetzes (Art. 2 Abs. 1 Württembergisches ARG – Höferolle -, § 1 Bremisches Höfegesetz – Höferolle -, § 1 Abs. 1 LGO – Landgüterrolle -, § 5 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung – Höferolle -). Dabei gilt überall der Grundsatz der freiwilligen Eintragung – sieht man von Überleitungsvorschriften wie z. B. §§ 2 Abs. 1, 7 Abs. 1 des Württembergischen-Hohenzollerischen Gesetzes vom 13.06.1950 ab, wonach das Württembergische ARG auf die bisherigen Erbhöfe für anwendbar erklärt und die Erbhöferolle als Höferolle im Sinne des Württembergischen ARG behandelt wurde. Es gibt daher im deutschen Anerbenrecht keine obligatorische, sondern nur eine fakultative Registereintragung.

Geltungsende des Anerbenrechts

Zu Lebzeiten des Gutsinhabers

Soweit das Anerbenrecht kraft Gesetzes gilt, kann diese Unterstellung nachgiebig oder zwingend sein, je nachdem ob der Hofeigentümer die Anerbengutseigenschaft (und damit die Anerbenrechtsgeltung) durch privatautonome Erklärung beseitigen kann oder nicht. Zwingendes Anerbenrecht) in diesem Sinne stellt nur das Badische Hofgütergesetz dar, wonach ein Hofgut der Geltung des Badischen Hofgütergesetzes nur mit Genehmigung des Landwirtschaftsamtes entzogen werden kann. Ein Zwangsanerbenrecht ohne jede Entziehungsmöglichkeit gibt es im deutschen Anerbenrecht nicht.

Die Geltung der norddeutschen Höfeordnung ist nicht nur hinsichtlich der Antragshöfe, sondern auch bezüglich der geborenen Höfe (d. h. mit mindestens 10.000 Euro Wirtschaftswert) dispositiver Natur, weil der Hofinhaber gegenüber dem Landwirtschaftsgericht erklären kann, seine Besitzung solle kein Hof im Sinne der Höfeordnung mehr sein. Die Geltung der Höfeordnung entfällt mit der daraufhin erfolgenden Löschung des Hofvermerks im Grundbuch (§ 1 Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 Höfeordnung).

Eine Anerbengutseigenschaft kraft (konstitutiver) Eintragung entfällt mit Löschung der Eintragung, die nach deutschem Anerbenrecht grundsätzlich im Belieben des Hofeigentümers steht (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Höfeordnung – für Antragshöfe -, Art. 2 Abs. 1 Württembergisches ARG, § 3 Abs. 1, Abs. 2 Bremisches Höfegesetz, § 4 LGO).

Lediglich nach rheinland-pfälzischem Anerbenrecht entspricht der freien Unterstellungs- keine freie Entziehungsmöglichkeit: Nach § 6 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung kann das Amtsgericht dem Antrag auf Löschung eines Hofes in der Höferolle – nach Anhörung des Höfeausschusses – nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes stattgeben.

Von Todes wegen

Ungeachtet der Geltung eines Anerbenrechts kann ein Anerbengut grundsätzlich auch durch entsprechende letztwillige Verfügung dem Anerbenrecht entzogen werden. Nach Art. 64 Abs. 2 EGBGB können nämlich landesrechtliche Anerbengesetze das Recht des Erblassers, über das dem Anerbenrecht unterliegende Grundstück (abweichend von den Regeln des Anerbenrechts) von Todes wegen zu verfügen, nicht beschränken. Das landesrechtliche Anerbenrecht ist nachgiebiges Recht (vgl. § 6 Badisches Hofgütergesetz, Art. 6 Abs. 1 Württembergisches ARG; unwirksam demgegenüber der abweichende Art. 6 Abs. 1 Satz 2 des Württembergischen-Hohenzollerischen  ARG; § 2 Bremisches Höfegesetz; § 11 LGO, § 14 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Nur nach § 16 Abs. 1 der bundesrechtlichen Höfeordnung kann der Eigentümer die Erbfolge kraft Höferechts durch Verfügung von Todes wegen nicht ausschließen; dagegen ist es zulässig, die Erbfolge kraft Höferechts einzuschränken (z. B. durch Anordnung von Vor –und Nacherbschaft). Wäre eine derartige Regelung als Rechtsgeschäft unter Lebenden nach dem Grundstücksverkehrsgesetz genehmigungspflichtig, so ist es auch die inhaltsgleiche letztwillige Verfügung (§ 16 Abs. 1 Höfeordnung). Im Übrigen gibt es sowohl bei der Anerbenrechtsgeltung kraft Gesetzes wie kraft Eintragung gesetzliche Erlöschensgründe, insbesondere bei dauerndem Wegfall der Anerbengutsfähigkeit (z. B. § 1 Abs. 3 Höfeordnung).

Rechtswirkungen der Anerbenrechte

Anerbenrecht schlägt BGB-Erbrecht

Für Erbfälle im Geltungsbereich eines Anerbenrechts stellt sich das Problem der Konkurrenz zwischen dem bundesweit geltenden allgemeinen Erbrecht des BGB und dem jeweils in Frage kommenden Anerbenrecht. Grundsätzlich verdrängt das Anerbenrecht als lex specialis in seinem jeweiligen räumlichen und sachlichen Anwendungsbereich die erbrechtlichen Normen des BGB (lex generalis). Mit Rücksicht auf Art. 64 Abs. 2 EGBGB  läuft dies für landesrechtliches Anerbenrecht im Ergebnis regelmäßig darauf hinaus, dass das BGB-Intestat-Erbrecht durch das Anerbenrecht-Intestat-Erbrecht ersetzt wird. Soweit kein Anerbenrecht eingreift, richtet sich auch die Vererbung von Anerbengütern nach allgemeinem Erbrecht. Das ist z. B. unter der Geltung der Höfeordnung der Fall, wenn nach deren Vorschriften kein Hoferbe vorhanden oder wirksam bestimmt ist (§ 10 HöfeO).

Bestimmung des Anerben durch Rechtsgeschäft (insbesondere Verfügung von Todes wegen)

Der Erblasser kann auch bei Geltung von Anerbenrecht kraft Testierfreiheit den Anerben bestimmen (§ 7 Höfeordnung; § 6 Badisches Hofgütergesetz; Art. 6 Württembergisches ARG; § 8 Bremisches Höfegesetz; § 11 LGO, § 15 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Mit Rücksicht auf Art. 64 Abs. 2 EGBGB (siehe oben 1. c)) unterliegt eine auf Landesanerbenrecht beruhende Anerbenbestimmung kaum Einschränkungen. Dies gilt insbesondere auch für das Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit, die kein Landesanerbrecht als zwingende Voraussetzung aufstellt (vgl. § 7 Badisches Hofgütergesetz; Art. 6 Württembergisches ARG; § 8 Bremisches Höfegesetz; § 15 Abs. 4 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung: Wirtschaftsfähigkeit als Sollvorschrift). Demgegenüber beschränkt die (bundesrechtliche) Höfeordnung den Erblasser hinsichtlich der Bestimmung des Hoferben in zweifacher Hinsicht: § 7 Abs. 1 Satz 2 Höfeordnung verlangt in der Regel zwingend die Wirtschaftsfähigkeit des letztwillig bestimmten Hoferben. Wirtschaftsfähig ist, wer nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, nach seinen Kenntnissen und seiner Persönlichkeit in der Lage ist, den von ihm zu übernehmenden Hof selbstständig ordnungsgemäß zu bewirtschaften (§ 6 Abs. 7 Höfeordnung). Ausnahmen von diesem Erfordernis sieht § 7 Abs. 1 Satz 2 Höfeordnung insbesondere für nicht altersreife Abkömmlinge sowie für den überlebenden Ehegatten vor. Die Neufassung der Höfeordnung von 1976 entzieht ferner dem Hofeigentümer die freie Befugnis zur Hoferbenbestimmung zum Nachteil eines Abkömmlings, dem er vorbehaltslos die Bewirtschaftung des Hofes auf Dauer übertragen hatte (§ 7 Abs. 2 Satz 1) oder bei dem er durch Art und Umfang der Beschäftigung auf dem Hof (nicht durch Ausbildung) hatte erkennen lassen, dass er den Hof übernehmen solle (§ 7 Abs. 2 Satz 2); eine abweichende Bestimmung des Hoferben ist insoweit unwirksam, als durch sie eine der bezeichneten Personen von der Hoferbfolge ausgeschlossen würde. In Abweichung von § 2065 BGB kann der überlebende Ehegatte unter den Abkömmlingen des Eigentümers den Hoferben bestimmen, wenn ihm der Eigentümer durch Verfügung von Todes wegen eine entsprechende Befugnis erteilt hat (§ 14 Abs. 3 Satz 1 Höfeordnung). Beim Ehegattenhof können die Ehegatten einen Dritten als Hoferben nur gemeinsam bestimmen und eine von ihnen getroffene Bestimmung nur gemeinsam wieder aufheben; liegt keine gemeinsame Bestimmung vor, so ist der überlebende Ehegatte befugt, den Hoferben allein zu bestimmen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 bzw. 2 Höfeordnung). Die Bestimmung des Anerben durch Verfügung von Todes wegen hat in den Formen des BGB oder durch öffentliche Urkunde (so § 11 Abs. 1 Bremisches Höfegesetz) zu erfolgen. Nach § 7 Abs. 1 Höfeordnung gelten für eine durch Hofübergabevertrag vorweggenommene Erbfolge dieselben Beschränkungen, die für die Anerbenbestimmung durch letztwillige Verfügung bestehen.

Bestimmung des Anerben kraft Gesetzes: Intestat-Anerbenrecht

Das Intestat-Anerbenrecht (gesetzliche Anerbenrecht) stellt mit Ausnahme der HessLGO eine vom parentelen System abweichende besondere Erbfolgeordnung (Anerbfolgeordnung) auf und berücksichtigt dabei zum Teil auch die Herkunft des Hofes von der Mannes- oder Frauenseite. Nach der Nordwestdeutschen (§ 6 Abs. 6 Satz 1) und Rheinland-Pfälzischen Höfeordnung (§ 17 Abs. 4 Satz 1) kann Hoferbe kraft Gesetzes grundsätzlich nur werden, wer wirtschaftsfähig ist. Von dieser persönlichen Voraussetzung sieht die Höfeordnung nur ab, wenn das Fehlen der Wirtschaftsfähigkeit allein auf Mangel der Altersreife zurückzuführen ist (ebenso § 17 Abs. 4 Satz 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung) oder wenn der Ehegatte Intestat-Hoferbe (auch des Alleineigentumshofes) ist (§ 6 Abs. 6 Satz 2 Höfeordnung). Nach § 17 Abs. 4 Satz 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung bedarf der überlebende Ehegatte als Hoferbe hingegen der Wirtschaftsfähigkeit nur dann nicht, wenn es sich um einen Ehegattenhof handelt; das Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit entfällt ferner dann, wenn von allen Abkömmlingen des Erblassers keiner wirtschaftsfähig ist (§ 17 Abs. 4 Satz 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Die übrigen Anerbengesetze (Badisches Hofgütergesetz, Württembergisches ARG, LGO) kennen die Wirtschaftsfähigkeit als persönliche Voraussetzung für den gesetzlichen (wie den gewillkürten) Anerben nicht. Art. 8 a Abs. 2 Württembergisches ARG gibt lediglich dem wirtschaftsfähigen Inhalt der gleichen Ordnung den Vorrang. Die gesetzlichen Anerbfolgeordnungen der verschiedenen Landesrechte stimmen im Wesentlichen überein; mit Ausnahme der LGO treffen sie eine Auswahl unter den nach allgemeinem Recht als Erben berufenen Personen und sehen regelmäßig vier Ordnungen vor. In Bremen geht bei Fehlen von Abkömmlingen die Hofeigenschaft grundsätzlich verloren (§ 11 Abs. 3 Satz 1); nur ausnahmsweise ist der Ehegatte hoferbenfähig. Der ersten Anerbenordnung gehören die Kinder des Erblassers und deren Abkömmlinge an, wenn sie nach den Vorschriften des allgemeinen Rechts gesetzliche Erben sind (§ 5 Ziff. 1 Höfeordnung; § 7 Abs. 1 Ziff. 1 Badisches Hofgütergesetz; Art. 8 Abs. 1 Ziff. 1 Württembergisches ARG; § 9 Abs. 2, 11-13, 20-21 Bremisches Höfegesetz; § 16 Abs. 1 Ziff. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung – ohne Beschränkung auf gesetzliche Erben). Nichteheliche Kinder sind als gesetzliche Anerben berufen, wenn sie nach allgemeinem Erbrecht gesetzliche Erben sind, nicht dagegen in dem Falle, dass ihnen nur ein Erbersatzanspruch (§ 1934 a BGB) zusteht (§ 5 Satz 2 Höfeordnung; § 7 Abs. 1 Satz 2 Badisches Hofgütergesetz; Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Württembergisches ARG). Anerbe zweiter Ordnung ist der Ehegatte des Erblassers (§ 5 Ziff. 2 Höfeordnung; § 7 Abs. 1 Ziff. 2 Badisches Hofgütergesetz; Art. 8 Abs. 1 Ziff. 2 Württembergisches ARG; § 20 Bremisches Höfegesetz (in Ausnahmefällen); § 16 Abs. 1 Ziff. 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Nach der Höfeordnung scheidet der Ehegatte nur aus, wenn sein Erbrecht gemäß § 1933 BGB ausgeschlossen ist oder die Verdrängung von Verwandten der dritten und vierten Ordnung wegen der von ihnen für den Hof erbrachten Leistungen grob unbillig wirkt (§ 6 Abs. 2 Ziff. 2 bzw. 1). Nach südwestdeutschem Anerbenrecht erhält der Ehegatte den Hof nur als Vorerbe, solange

Erblasser Verwandte der dritten und vierten Ordnung leben, sodass der Hof in der Familie bleibt (§7 a Abs. 3 Satz 1 Badisches Hofgütergesetz; Art. 8 a Abs. 3 Satz 1 Württembergisches ARG;  § 16 Abs. 2 Satz 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung); demgegenüber ist die nordwestdeutsche Höfeordnung seit 1976 zum Vollerbrecht des Ehegatten übergegangen. In der dritten Anerbefolgeordnung finden sich die Eltern des Erblassers; dabei spielt die Herkunft des Hofes eine in den einzelnen Anerbengesetzen unterschiedliche Rolle (§§ 5 Ziff. 3, 6 Abs. 3, Abs. 4 Höfeordnung; § 7 Abs. 1 Ziff. 3 Badisches Hofgütergesetz; Art. 8 Abs. 1 Ziff. 3 Württembergisches ARG; § 16 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 3, Abs. 4 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Die vierte Anerbefolgeordnung bilden die Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge (wörtlich übereinstimmend: § 5 Ziff. 4 Höfeordnung; § 7 Abs. 1 Ziff. 4, Badisches Hofgütergesetz; Art. 8 Abs. 1 Ziff. 4 Württembergisches ARG; Art. 16 Abs. 1 Ziff. 4 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Bei Konkurrenz von mehreren gleichermaßen berufenen Angehörigen einer Anerbenordnung sieht das Anerbenrecht Auswahlkriterien vor: In der ersten und vierten Ordnung hat – mit Ausnahme von § 11 Bremisches Höfegesetz – der vermutete Erblasserwille das Ältesten- bzw. Jüngstenrecht als Auswahlprinzip ersetzt: Dieser vermutete Erblasserwille wird in gesetzlichen Regeln objektiviert. Die erste derartige Auswahlregel in den geltenden Anerbengesetzen stammt aus dem Württembergischen ARG. Art. 8 Abs. 1 Satz 4 dieses Gesetzes lautete in seiner ursprünglichen, insoweit bis 1965 geltenden Fassung: „Söhne und Töchter, die in der Landwirtschaft ausgebildet und in dieser noch hauptberuflich tätig sind, gehen solchen anderer Berufe vor.“ Hier findet sich erstmals der Versuch, die Auswahl des Anerben nicht von dem „quantitativen“ Moment des Alters, sondern von qualitativen Merkmalen und somit zugleich vom vermuteten Erblasserwillen abhängig zu machen. Der Sache nach hat dann die Rheinland-Pfälzische Höfeordnung diesen Ansatz fortentwickelt: § 17 Abs. 2 Satz 1 gibt demjenigen Kind vor allen anderen den Vorzug, bei dem der Erblasser durch Art und Umfang der Beschäftigung auf dem Hof hat erkennen lassen, dass es den Hof übernehmen soll. Beide Ansätze werden dann 1965 in Baden-Württemberg vereint: In sämtlichen baden-württembergischen Anerbengesetzen wurde eine Vorschrift eingeführt, wonach das Kind allen anderen Kindern vorgeht, bei dem der Erblasser durch die Ausbildung oder durch Art und Umfang der Beschäftigung auf dem Hof hat erkennen lassen, dass es den Hof übernehmen soll (§ 7 a Abs. 2 Badisches Hofgütergesetz; Art. 8 a Abs. 2 Württembergisches ARG). Beide Fallgruppen (Ausbildung, Beschäftigung auf dem Hof) übernimmt 1976 die Höfeordnung in § 6 Abs. 1 Ziff. 2. Diese Gruppen von Hoferbenprätendenten geht nach der Höfeordnung jedoch derjenige Miterbe vor, dem der Erblasser die Bewirtschaftung des Hofes (ohne ausdrücklichen Vorbehalt hinsichtlich der Bestimmung des Hoferben) auf Dauer übertragen hat – eine Fallgruppe, die das rheinland-pfälzische und baden-württembergische Anerbenrecht nur im Ansatz kennen. Liegt keine der gesetzlich fixierten, stillschweigenden Hoferbenbestimmungen vor, so ist der älteste wirtschaftsfähige Miterbe als Hoferbe berufen, nach der nordwestdeutschen Höfeordnung verdrängt das Jüngstenrecht das Ältestenrecht in den Gegenden, wo dieses Brauch ist (§ 6 Abs. 1 Ziff. 3, VI, 1 und 2 Höfeordnung; § 7 a Abs. 1 Halbsatz 1 Badisches Hofgütergesetz; Art. 8 a Abs. 1 Halbsatz 1 Württembergisches ARG; § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). In der vierten Anerbenfolgeordnung gelten diese Auswahlgrundsätze im Prinzip entsprechend (§ 6 Abs. 5 Höfeordnung; § 7 a Abs. 4 Badisches Hofgütergesetz; Art. 8 a Abs. 4 Württembergisches ARG; § 17 Abs. 3 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Beim Ehegattenhof fällt nach § 8 Abs. 1 Höfeordnung der Anteil des Erblassers dem überlebenden Ehegatten ohne Rücksicht auf die Herkunft des Hofes als Vollerben zu. Der überlebende Ehegatte wird hier selbst dann Alleineigentümer des Gesamthofes (Hoferbe), wenn wirtschaftsfähige Abkömmlinge vorhanden sind und der Ehegatte nicht wirtschaftsfähig ist. Nach Rheinland-Pfälzischen Höfeordnung fällt der Ehegattenhof beim Tod eines Ehegatten dem anderen als Hoferben, wenn der Hof jedoch nicht von ihm stammt, lediglich als Hofvorerben an. Letzteres ist jedoch nur dann der Fall, wenn Verwandte des Erblassers der dritten und vierten Hoferbenordnung zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers leben (§ 18, 1 + 3). Die baden-württembergischen Anerbengesetze kennen den Begriff des Ehegattenhofes nicht. Ihre Regelung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Fälle der Gütergemeinschaft und der fortgesetzten Gütergemeinschaft, deren praktische Bedeutung jedoch gering ist. Immerhin ist auf den ganz anderen Ansatz des baden-württembergischen Anerbenrechts hinzuweisen: Danach hat der überlebende Ehegatte einer Gütergemeinschaft lediglich das Recht, das Anerbengut nebst Zubehör zum Ertragswert – ohne jeden Voraus – zu übernehmen; auch dies gilt jedoch nur, wenn das Anerbengut nicht von dem verstorbenen Ehegatten stammt. Andernfalls erhält der überlebende Ehegatte lediglich seinen Erbanteil sowie Rechte auf Nießbrauch bzw. Altenteil (Art. 13, 17, I + II Württembergisches ARG, § 19 Badisches Hofgütergesetz). Die LGO kennt keine Anerbfolgeordnung, sondern bestimmt nur die anerbenfähigen Personen. Das sind die Abkömmlinge sowie der Ehegatte des Erblassers, sofern sie Erben geworden sind (§11 Abs. 1, Abs. 2 LGO).

Rechtswirkungen des Anerbfall

Im Gegensatz zum Prinzip der Universalsukzession des allgemeinen Erbrechts sieht das (echte) Anerbenrecht eine Sondererbfolge (Sondernachfolge, Spezialsukzession) in das Anerbengut vor. Das Anerbengut bildet eine eigene Erbmasse und vererbt sich selbstständig geschlossen auf den Erben. Dieser ist Erbe im rechtstechnischen Sinn, jedoch beschränkt auf die der Anerbfolge unterliegenden Gegenstände (siehe unten bb)). Neben der Sondererbmasse des Anerbenguts, die sich nach Anerbenrecht vererbt, besteht eine zweite, umfassendere Erbmasse. Sie setzt sich aus dem anerbengutsfreien Vermögen der Erbmasse zuzüglich des Wertes des Anerbenguts zusammen und vererbt sich nach allgemeinem Erbrecht (vgl. § 4 Höfeordnung; Art. 3, 9 Württembergisches ARG; § 9 Bremisches Höfegesetz; § 14 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Im Gegensatz zu diesem System der „dinglichen“ Anerbfolge fällt das Anerbengut nach badischem und hessischem Recht dinglich in den allgemeinen Nachlass. Der Anerbe hat lediglich einen Anspruch darauf, bei der Erbauseinandersetzung das Hofgut (Landgut) als solches geschlossen zu übernehmen (Damnationspraelegat: § 10 Abs. 1 Badisches Hofgütergesetz; § 11 LGO).

Gegenstand der Anerbfolge

Den Gegenstand der Anerbfolge regeln die einzelnen Anerbengesetze im Wesentlichen übereinstimmend im Sinne des Anerbenguts als Wirtschaftseinheit. Dazu zählen insbesondere alle wirtschaftlich zusammengehörenden Grundstücke des Eigentümers mit den entsprechenden Gebäuden und die dem Anerbengut dienenden Mitgliedschafts-, Nutzungs- und ähnlichen Rechte, wie z. B. Anteile an Molkerei-, Bezugs-, Kredit- oder Winzergenossenschaften, Aktien einer Zuckerrüben-AG, Gerechtigkeiten usw. (§ 2 Höfeordnung, §§ 2, 5 Abs. 1 Satz 2 Badisches Hofgütergesetz; Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Württembergisches ARG; §§ 6, 7 Nr. 1 und 2 Bremisches Höfegesetz; §§ 5, 12, Nr. 1 und 2 LGO; § 3 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Auch das Zubehör folgt dem rechtlichen Schicksal des Hofes, soweit es im Eigentum des Erblassers stand und dieser nicht anderweitig verfügt hatte (§ 3, 1 Höfeordnung; § 10 Abs. 1 Badisches Hofgütergesetz; Art. 3, 4 Abs. 1 Württembergisches ARG; § 7 Nr. 3 Bremisches Höfegesetz; §§ 11 Abs. 1, 12 Nr. 3 und 4 LGO; § 4 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Das Zubehör umfasst insbesondere der Hofwirtschaft dienendes Vieh (Arbeits-, Zucht-, Masttiere usw.). Zum Zubehör zählt auch das Wirtschafts- und Hausgerät, also das gesamte sogenannte tote Inventar (z. B. Maschinen, Kraftfahrzeuge, Anhänger usw.). Darüber hinaus gehört zum Zubehör der vorhandene Dünger und die zur Bewirtschaftung bis zur nächsten Ernte dienenden Vorräte an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Betriebsmitteln (vgl. z. B. § 3 Höfeordnung; Art. 3, 4 Abs. 1 Satz 2 Württembergisches ARG; § 7 Nr. 3 Bremisches Höfegesetz; §§ 11 Abs. 1, 12 Nr. 3 und 4 LGO; § 4 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung).

Rechtsstellung des Anerben

Die Anerbenrechtsstellung wird grundsätzlich mit dem Anerbfall begründet (z. B. Art. 9 Abs. 1 Württembergisches ARG). Nach bremischem Recht erwirbt der Anerbe das Eigentum des Hofes nebst Zubehör jedoch erst mit der Annahme der Erbschaft (§ 9 Abs. 4 Bremisches Höfegesetz), nach § 20 Abs. 1 Satz 1 LGO mit der Rechtskraft der gerichtlichen Zuweisungsentscheidung. Grundsätzlich wird der Anerbe Vollerbe (Volleigentümer). In Sonderfällen unterliegt er jedoch Beschränkungen. Insbesondere erhält der Anerbe in manchen Fällen nur die Rechtsstellung eines Vorerben (so z. B. § 7 a Abs. 3 Satz 1 Badisches Hofgütergesetz; Art. 8 a Abs. 3 Satz 1 Württembergisches ARG; § 18 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung) oder wird durch Verwaltungs- und Nutzungsnießungsrechte beschränkt (so § 23 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Einen echten Voraus (Anteil) gewähren dem Anerben heute nur noch § 9 Abs. 2 Satz 1 Württembergisches ARG und § 15 Abs. 2 Satz 2 Bremisches Höfegesetz in Höhe von 1/4 des Gutswertes; daneben steht den Anerben jedoch ein Anspruch auf Ausgleichung geleisteter Dienste gemäß § 2057 a BGB nicht zu (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Württembergisches ARG; vgl. auch § 15 Abs. 2 Satz 3 Bremisches Höfegesetz. Das nordwestdeutsche, hessische und rheinland-pfälzische Anerbenrecht kennen keinen Voraus; in diesen Fällen ist § 2057 a BGB auf den Anerben anwendbar. Eine Sonderstellung nimmt das badische Anerbenrecht ein, wonach dem Hoferben mindestens 1/5 des Hofertragswertes lastenfrei zukommen muss; zu diesem Zweck werden erforderlichenfalls Erbteile bzw. Pflichtteilsrechte der Miterben ermäßigt (§ 10 Abs. 3 Badisches Hofgütergesetz). Während der Erbe nach allgemeinem Recht (§ 1950 BGB) die Ausschlagung nicht auf einen Teil der Erbschaft zu beschränken vermag, kann der Anerbe seine mit dem Anerbfall geschaffene Anerben-Rechtsstellung ausschlagen, ohne damit die Erbschaft in das übrige (anerbengutsfreie) Vermögen zurückzuweisen (§ 11 Höfeordnung, § 13 Badisches Hofgütergesetz; Art. 9 Abs. 3 Württembergisches ARG, § 9 Abs. 4 Satz 2 Bremisches Höfegesetz; § 19, 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Schlägt der Anerbe wirksam aus, so gilt der Anfall des Anerbenguts an den Ausschlagenden als nicht erfolgt. Das Gut fällt an den an nächster Stelle berufenen Anerben (§ 13, 2 Badisches Hofgütergesetz; Art. 9 Abs. 4 Württembergisches ARG; § 10 Abs. 1 Bremisches Höfegesetz). Von der einseitig nach dem Anerbfall zu erklärenden Ausschlagung ist der Verzicht auf das Anerbenrecht zu unterscheiden; hier handelt es sich um einen der notariellen Beurkundung bedürftigen Vertrag zwischen dem Hofeigentümer und einem künftigen Hoferben (§ 2346 ff. BGB). Missverständlich bezeichnen einige ältere Anerbengesetze die Ausschlagung der Anerbenstellung als Verzicht (so z. B. §§ 13, 14 Badisches Hofgütergesetz;  § 9 Abs. 3, Abs. 4 Württembergisches ARG; §§ 9 Abs. 4 Satz 2, 10 Abs. 1 Bremisches Höfegesetz).

Die weichenden Erben und die Pflichtteilsberechtigten

Nach Anerbenrecht sind die Miterben des Anerben grundsätzlich nicht dingliche Miterben des Anerbenguts. Stattdessen erhalten die weichenden Erben Abfindungsansprüche in Geld gegen den Anerben. Die Höhe der Abfindungsansprüche kann der Erblasser innerhalb bestimmter Grenzen durch letztwillige Verfügung oder Übergabevertrag festlegen (vgl. z. B. § 12 Abs. 2 Höfeordnung; § 20 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Fehlt es daran, so finden subsidiär die gesetzlichen Abfindungsregelungen der Anerbengesetze Anwendung. Sie begünstigen den Anerben, um das Fortbestehen des Gutes zu gewährleisten. Nach der Anerben gesetzlichen Abfindungsregelung tritt der Anerbengutswert an die Stelle des Anerbengutseigentums (vgl. § 4, 2 Höfeordnung; Art. 3 Abs. 2 Württembergisches ARG; § 15 Bremisches Höfegesetz; § 21 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Der Gutswert dient demzufolge als Bemessungsgrundlage für die Abfindungsansprüche der weichenden Erben. Maßgebend für die Ermittlung des Gutswerts ist grundsätzlich der Ertragswert, nicht – wie im allgemeinen Erbrecht – der Verkehrswert (siehe Bewertung). In den Einzelheiten bestehen hier erhebliche Unterschiede: Während nach § 12 Abs. 2 Satz 2 der Nordwestdeutschen Höfeordnung der Hofeswert den 1,5-fachen steuerlichen Einheitswert gemäß § 48 Bewertungsgesetz (Wirtschaftswert + Wohnwert) ausmacht, legen den übrigen Anerbenrechte einen Ertragswert zu Grunde, der zumeist mit dem 20- bzw. 25-fachen jährlichen Reinertrag angesetzt wird (Art. 4 Abs. 3 Württembergisches ARG bzw. § 14 Abs. 4 Bremisches Höfegesetz; § 16 Abs. 1 Satz 2 LGO; § 21 Abs. 2 Satz 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Mit der Zulassung von Zu- und Abschlägen auf Grund besonderer Umstände hat die Höfeordnung 1976 jedoch den starren Ausgangswert verlassen (§ 12 Abs. 2 Satz 3). Zum Schutz der weichenden Erben hat die Höfeordnungsnovelle von 1976 festgelegt, dass der für die Abfindung der Miterben (einschließlich des Hoferben, falls er zu ihnen gehört) aufzuwendende Betrag mindestens 1/3 des Hofwertes, d. h. in der Regel den halben Einheitswert ausmachen muss (§ 12 Abs. 3 Satz 2).

Wo das Anerbenrecht einen echten Ertragswert zu Grunde legt, setzen Schiedsrichter (vgl. § 17 Bremisches Höfegesetz; Art. 4 Abs. 5, Abs. 6 Württembergisches ARG) oder das Landwirtschaftsgericht (§ 16 Abs. 1 Satz 1 LGO, vgl. auch § 21 Abs. 5 Satz 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung) den Ertragswert fest. Die einzelnen Anerbengesetze regeln im Übrigen die Durchführung der Abfindung eingehend. Zunächst legen sie fest, welche Verbindlichkeiten und Lasten zur Verteilung vom Brutto-Gutswert abzuziehen sind (§ 12 Abs. 3 Höfeordnung; § 14 Abs. 3, Abs. 5, Abs. 8, § 15 Abs. 2 Bremisches Höfegesetz; § 16 Abs. 1 Satz 3 LGO; § 21 Abs. 2 Satz 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Danach sind regelmäßig Verbindlichkeiten vom Gutswert abzusetzen, die im Verhältnis der Erben zueinander den Hof betreffen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Höfeordnung; Art. 4 Abs. 2 Württembergisches ARG; § 16 Abs. 1 Satz 3 LGO; § 21 Abs. 2 Satz 3 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Da unter Berücksichtigung aller erforderlichen Zu- und Abschläge (insbesondere auch eines eventuellen Voraus) festgestellten Netto-Gutswert wird alsdann in dem Verhältnis unter die Miterben (einschließlich Anerben) aufgeteilt, da sich aus dem allgemeinen Erbrecht ergibt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Höfeordnung; § 15 Abs. 3 Satz 2 Bremisches Höfegesetz; § 16 Abs. 1 Satz 4 LGO; § 21 Abs. 1 Satz 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Für die so errechneten Abfindungsansprüche der Miterben sehen die Anerbengesetze eingehende Regelung über Anrechnungs- und Ausgleichungspflichten (§ 12 Abs. 4, 9 Höfeordnung; § 10 Abs. 4 Badisches Hofgütergesetz; § 15 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 Bremisches Höfegesetz; § 21 Abs. 3 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung), über Herabsetzungsmöglichkeiten (§ 21 Abs. 5 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung), über Fälligkeit, Stundung, Zinsen und Sicherheitsleistung (§ 12 Abs. 5 Höfeordnung; § 11 Badisches Hofgütergesetz; Art. 11 Abs. 1 , Abs. 2 Württembergisches ARG; § 21 Abs. 4 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung) sowie über Besonderheiten bei der Abfindung Minderjähriger (§ 12 Abs. 6 bis Abs. 8 Höfeordnung; Art. 11 Abs. 3 Württembergisches ARG) vor. Die Abfindungsansprüche sind vererblich, abtretbar und pfändbar. Das überkommene Anerbenrecht sah für die weichenden Erben neben oder anstelle der Abfindungsansprüche in Geld eine Reihe von Sonderansprüchen vor. Mit Rücksicht auf die veränderten Umstände, insbesondere die gewachsene Mobilität treten diese Sonderrechte in der neueren Gesetzgebung mehr und mehr zurück. Dem weichenden überlebenden Ehegatten steht neben dem Abfindungsanspruch vor allem ein Recht auf Verwaltung und Nutznießung am Anerbengut bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Anerben zu – teilweise allerdings nur, sofern dieser Abkömmling des Erblassers ist (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Höfeordnung; § 23 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung; Art. 13, 1 Württembergisches ARG: Nießbrauch, Miterbe neben Abkömmling des Erblassers; vgl. auch §§ 21, 22 LGO). Nach Übergang des Guts auf den Anerben hat der überlebende Ehegatte unter Umständen Anspruch auf angemessene Versorgung (Wohnung, Unterhalt) auf dem Gut (Altenteilsrecht, § 12 Abs. 2 Höfeordnung; Art. 13 Württembergisches ARG; § 23 Abs. 2, Abs. 3 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung).

Regelmäßig gewährt das Anerbenrecht den Abkömmlingen des Erblassers besondere Rechte. Mit Unterschieden in Einzelheiten handelt es sich dabei überall um den Unterhalt bzw. die Kosten des angemessenen Lebensbedarfs (§ 12 Abs. 6 Satz 2, 3 Höfeordnung; Art. 12, 4 Württembergisches ARG; § 24 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 LGO), um Wohnung bzw. Einsitz (§ 19 Abs. 1 LGO; § 24 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung), um Kosten der Berufsausbildung (vgl. § 12 Abs. 6 Satz 2, Satz 3 Höfeordnung; Art. 12, 1 Württembergisches ARG; § 19 Abs. 1 LGO; § 24 Abs. 1, 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung) und Aussteuer (§ 12 Abs. 6 Satz 2, 3 Höfeordnung; Art. 12, 1, 2 Württembergisches ARG; § 24 Abs. 1 Satz 1, 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Im Allgemeinen schuldet der Anerbe diese Sonderleistungen in Anrechnung begrenzt auf die Abfindungsansprüche und nur soweit nicht ein anderer dazu verpflichtet ist oder der Miterbe selbst ausreichendes sonstiges Vermögen hat (vgl. z. B. § 12 Abs. 6 Satz 23, Abs. 8, § 14 Abs. 2 Höfeordnung; Art. 12, 1 Württembergisches ARG).

Ob ein Pflichtteilsanspruch besteht bestimmt das allgemeine Erbrecht. Er beträgt – soweit die Anerbfolge betroffen ist – die Hälfte des (nach Anerbenrechtsregeln berechneten) Abfindungsanspruches (§ 16 Abs. 2 Satz 2, § 12 Abs. 10 Höfeordnung; § 15 Württembergisches ARG; § 20 Abs. 1 Satz 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung; anders § 24 Abs. 1 Bremisches Höfegesetz). Im Zusammenhang mit den Sonderansprüchen minderjähriger Miterben wird zum Teil die Fälligkeit der Pflichtteilsansprüche der Minderjährigen bis zu deren Volljährigkeit aufgeschoben (§ 12 Abs. 6, Abs. 10 Höfeordnung; vgl. auch § 24 Abs. 2 Bremisches Höfegesetz).

Abfindungsergänzung

Das allgemeine deutsche Erbrecht bietet keine Handhabe, um einen missbräuchlichen Verkauf von landwirtschaftlichen Grundstücken durch einen Anerben zu verhindern oder doch mit belastenden Folgen zu versehen. Dagegen verfügen das Anerbenrecht und das Zuweisungsverfahren nach dem Grundstücksverkehrsgesetz seit langem über das Instrument der Abfindungsergänzung (Nachabfindung). Dieses Instrument wurde im Laufe der Zeit erheblich verbessert und hat seine modernste Ausformung 1976 in der Novellierung der Höfeordnung erfahren. Die dort getroffene Reglung beruht auf folgendem Leitgedanken: Um den Hof vor Zersplitterung und Überschuldung zu bewahren, benachteiligt das Anerbenrecht die Miterben zu Gunsten des Hofübernehmers dadurch, dass ihre Abfindung nach dem gegenüber dem Verkehrswert erheblich niedrigeren Ertragswert berechnet wird. Dieser Zweck wird verfehlt, wenn der Hofinhaber den ganzen Hof oder erhebliche Teile in einem bestimmten Zeitraum nach dem Erbfall veräußert und der dabei erzielte Erlös den bei der Abfindung zu Grunde gelegten Wert erheblich übersteigt. Deshalb muss der Hofinhaber den Mehrerlös in eine Nachtragsauseinandersetzung einschießen. Im Einzelnen gilt: Nachabfindungsberechtigt sind die nach bürgerlichem Recht berufenen Miterben und Pflichtteilsberechtigten. Nachabfindungsansprüche entstehen bei folgenden Tatbeständen: – Veräußerung (Ausnahme: Übergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge), Zwangsversteigerung und Enteignung des gesamten Hofes (§ 13 Höfeordnung; siehe ferner § 23 Badisches Hofgütergesetz; Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Württembergisches ARG; § 29 Abs. 1, Abs. 4 Bremisches Höfegesetz; § 18 Abs. 1 Satz 1 LGO; § 26 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung); – Veräußerung, Zwangsversteigerung oder Enteignung von Hofgrundstücken, wenn der dadurch erzielte Erlös insgesamt 1/10 des Hofwertes übersteigt und die Veräußerung nicht zur Erhaltung des Hofes erforderlich war (§ 13 Höfeordnung; siehe ferner § 29 Abs. 3 Bremisches Höfegesetz; Art. 14 Abs. 2, Abs. 3 Württembergisches ARG; § 18 Abs. 1 Satz 1 LGO; § 26 Abs. 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung); – Veräußerung oder Verwertung wesentlicher Teile des Hofzubehörs mit erheblichem Gewinn, soweit dies nicht im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung geschieht (§ 13 Höfeordnung); land- oder forstwirtschaftsfremde Nutzung des Hofes oder von Hofteilen mit erheblichem Gewinn – z. B. durch Betreiben einer Kiesgrube (§ 13 Höfeordnung). Die Nachabfindungsfrist beläuft sich nach der Höfeordnung (§ 13 Abs. 1, seit 1976) auf 20 Jahre; d. h. der Nachabfindungstatbestand darf nicht später als 20 Jahre nach dem Erbfall eintreten, um eine Nachabfindung auszulösen. Die anderen Anerbengesetze sehen zehn Jahre (§ 23 Badisches Hofgütergesetz; § 29 Bremisches Höfegesetz) bzw. 15 Jahre (Art. 14 Württembergisches ARG; § 18 LGO; § 26 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung) als Frist vor. Rechtsfolge eines Nachabfindungstatbestands ist eine Berichtigungsauseinandersetzung. Nachdem der Anerbenzweck (ganz oder teilweise) weggefallen ist, sollen die weichenden Erben und Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich so gestellten werden, wie wenn insoweit keine Anerbfolge, sondern eine Erbfolge nach allgemeinem Recht eingetreten wäre, also der Anerbe die gewährten Vergünstigen nicht erhalten hätte. Berechnungsgrundlage des Nachabfindungsanspruches ist der vom Anerben durch die anerbenzweckwidrige Veräußerung erzielte Erlös (§ 13 Abs. 1, 5 Höfeordnung; § 23 Badisches Hofgütergesetz; Art. 14. Abs. 1 Württembergisches ARG; § 29 Abs. 1 Satz Bremisches Höfegesetz) oder der Verkehrswert im Zeitpunkt des Erbfalls bzw. Erwerbs (§ 18 Abs. 1 LGO; § 26 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Bei dieser Ausgangssumme sind in bestimmten Fällen Zu- bzw. Abschläge (z. B. Verbesserungsaufwand: § 29 Abs. 2 Bremisches Höfegesetz; Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Württembergisches ARG) vorzunehmen. Bemerkenswert erscheint insbesondere, dass der Hoferbe diejenigen Aufwendungen von dem Erlös absetzen kann, die er für einen gleichwertigen Ersatzerwerb (Ersatzhof, Ersatzgrundstücke) innerhalb von zwei Jahren nach der Veräußerung macht (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Höfeordnung; siehe auch § 29 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 Bremisches Höfegesetz; Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Württembergisches ARG). Nach § 13 Abs. 5 Satz 5 Höfeordnung kommt der Zeitablauf dem veräußernden oder verwertenden Hofeigentümer in Form einer Degression der Abfindung zu Gute: Tritt ein Abfindungstatbestand nach zehn Jahren ein, so ist ¼ des Erlöses abzusetzen, nach 15 Jahren beträgt die Ermäßigung die Hälfte des Erlöses. Entsprechende Regeln fehlen in den anderen Anerbengesetzen. Der zum Ausgleich verpflichtete Hofeigentümer hat den Berechtigten über eine Veräußerung oder Verwertung ohne schuldhaftes Zögern Mitteilung zu machen sowie auf Verlangen über alle für die Berechnung des Anspruchs erheblichen Umstände Auskunft zu erteilen (§ 13 Abs. 10 Höfeordnung). Die Abfindungsergänzungsansprüche sind vererblich und übertragbar (z. B. § 13 Abs. 9 Satz 1 Höfeordnung). Die Verjährung ist in den einzelnen Anerbengesetzen unterschiedlich geregelt (z. B. § 13 Abs. 9 Satz 2 Höfeordnung; Art. 14 Abs. 4 Württembergisches ARG; § 29 Abs. 6 Satz 1 Bremisches Höfegesetz).

Abwicklung des Nachlasses

Nachlassverbindlichkeiten

Wo das Anerbenrecht lediglich eine Erbteilungsvorschrift im Rahmen der Universalsukzession vorsieht (Badisches Hofgütergesetz; LGO) gilt selbstverständlich das allgemeine Recht. Aber auch im Recht der Anerbensondererbfolge bildet das Anerbengut für die Abwicklung der Nachlassverbindlichkeiten des Erblassers einen Bestandteil des Gesamtnachlasses (§ 4 Höfeordnung). Die anerbenrechtliche Nachlassspaltung wird im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern nicht aufrechterhalten, vielmehr im Außenverhältnis die Nachlasseinheit fingiert (haftungsrechtliche Nachlasseinheit). Grundsätzlich gilt daher für die Haftung der Erben auch im landwirtschaftlichen Sondererbrecht das für den Gesamtnachlass maßgebende Recht des BGB (§ 15 Abs. 4 Satz 1 Bremisches Höfegesetz). Manche Anerbenrechte (z. B. Württembergisches ARG) verzichten dementsprechend auch auf die Regelung des Außenverhältnisses. Soweit das anerbengutsfreie Vermögen und das Außenverhältnis beim Anerbengut betroffen sind, gilt das allgemeine Recht uneingeschränkt: Alle Miterben einschließlich des Anerben haften nach außen als Gesamtschuldner mit ihrem gesamten Vermögen (§ 2058 BGB) für die gesamten Nachlassverbindlichkeiten – gleichgültig, ob sie das Anerbengut oder das übrige Vermögen betreffen; dies gilt für den Anerben selbst dann, wenn er am anerbengutsfreien Nachlass nicht als Miterbe beteiligt ist (§ 15 Abs. 1 Höfeordnung; § 25 Abs. 1 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Als haftungsrechtlicher Nachlassbestandteil unterliegt das Anerbengut dem Zugriff aller Nachlassgläubiger. Eine etwaige Haftungsbeschränkung richtet sich nach den einschlägigen Bestimmungen des BGB (§§ 1975, 1990, 1992). Für das Innenverhältnis zwischen dem Anerben und den übrigen Miterben sehen die einzelnen Anerbengesetze dagegen teilweise vom allgemeinen Recht abweichende Regeln vor. Sie bezwecken, das Anerbengut lebensfähig zu erhalten. Dementsprechend sind im Innenverhältnis Nachlassverbindlichkeiten (einschließlich der auf dem Hof ruhenden Hypotheken-, Grund- und Rentenschulden, jedoch ohne die sonstigen auf dem Hof ruhenden Lasten) in erster Linie aus dem anerbengutsfreien Nachlass zu tilgen (§ 15 Abs. 2 Höfeordnung; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Württembergisches ARG; siehe auch § 17 Abs. 1 LGO und § 25 Abs. 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung; anders § 15 Bremisches Höfegesetz). Soweit eine Nachlassverbindlichkeit primär aus dem freien Nachlass zu berücksichtigen ist, kann der Anerbe von seinen Miterben Befreiung verlangen. Soweit der anerbengutsfreie Nachlass zur Tilgung der Nachlassschulden nicht ausreicht, hat der Anerbe sie im Innenverhältnis allein zu tragen und die Miterben davon zu befreien (§ 15 Abs. 2 Höfeordnung; Art.  5 Abs. 2 Württembergisches ARG; § 17 Abs. 2 LGO; § 25 Abs. 3 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung). Verbleibt hingegen nach Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten aus dem freien Nachlass ein Überschuss, so ist dieser auf die Miterben nach den Regeln des allgemeinen Rechts, d. h. entsprechend ihren Erbanteilen zu verteilen (§ 15 Abs. 4 Satz 1 Höfeordnung). Ist der Anerbe Miterbe nach allgemeinem Erbrecht, so kann er eine Beteiligung an dem Überschuss jedoch nur verlangen, wenn der danach auf ihn entfallende Anteil den Hofwert übersteigt (§ 15 Abs. 4 Satz 2 Höfeordnung)

Nachlassabwicklung

Einige Anerbengesetze sehen einen auf die Hoferbfolge beschränkten Erbschein (Hoffolgezeugnis) vor (§ 18 Abs. 2 Satz 3 Höfeordnung; § 31 Abs. 1 Bremisches Höfegesetz; § 30 Abs. 1 Satz 2 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung; Art. 10 Abs. 1 Württembergisches ARG: Nachfolgezeugnis).

Landwirtschaftliches Sondererbrecht im BGB

Die Bemühungen das landwirtschaftliche Sondererbrecht im BGB zu vereinheitlichen, sind bekanntlich gescheitert. Dementsprechend enthält das BGB nur wenige besondere Normen für die Vererbung eines Landgutes (§§ 98, 1376, 1515, 2049, 2312 BGB; Art. 137 EGBGB). Sie sind grundsätzlich anwendbar, soweit kein Anerbenrecht eingreift – sei es, dass es sich um ein anerbenrechtsfreies Gebiet handelt oder die Anwendungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Hier sind die §§ 2049, 2312 im Interesse: Hat der Erblasser angeordnet, dass einer der Miterben das Recht hat, ein zum Nachlass gehörendes Landgut zu übernehmen, so ist nach § 2049 Abs. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, dass das Landgut zum Ertragswert angesetzt werden soll. Dabei bestimmt sich der Ertragswert nach dem Reinertrag, den das Landgut nach seiner bisherigen Bestimmung bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig gewähren kann (§ 2049 Abs. 2 BGB). Übernimmt ein Miterbe oder Alleinerbe kraft ausdrücklicher Anordnung oder gemäß der Vermutung des § 2049 Abs. 1 BGB ein zum Nachlass gehörendes Landgut zum Ertragswert, so ist gemäß § 2312 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB der Ertragswert grundsätzlich auch für die Berechnung des Pflichtteils maßgebend. Jedoch ist diese ermäßigte Berechnung des Pflichtteils nur zulässig, wenn der das Anerbengut übernehmende Erbe zu den pflichtteilsberechtigten Personen gehört (§ 2312 Abs. 3 BGB).

Rechtstatsachen

Umfassende neuere rechtstatsächliche Untersuchungen über die Vererbung landwirtschaftlicher Besitzungen fehlen. Nach einer im Auftrag des Bundesjustizministeriums im Jahre 1971 durchgeführten Meinungsumfrage bejahten damals jedenfalls 70 % der bäuerlichen Bevölkerung das Prinzip der ungeteilten Vererbung. Dies dürfte auch heute noch der Fall sein.

Anerbensitte und Anerbengesetz

Das Gebiet der Anerbensitte deckt sich nicht völlig mit dem Geltungsbereich der Anerbengesetze. Realteilung herrscht in einem großen Teil von Baden-Württemberg, im Saarland, in Rheinland-Pfalz, in weiten Gebieten Hessens, sowie in einigen Bereichen von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. In den übrigen Gebieten herrscht Anerbensitte. Dementsprechend gibt es anerbengesetzfreie Gebiete mit Anerbensitte (so insbesondere in Bayern) und umgekehrt anerbensittenfreie Gebiete mit Anerbengesetzen (so insbesondere in Rheinland-Pfalz und im nördlichen Baden-Württemberg). Geltungsbereich von Anerbengesetz und Anerbensitte decken sich demgegenüber vor allem in Schleswig-Holstein und größtenteils in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

Statistik

Verlässliche aktuelle statistische Angaben über die Zahl der einem Anerbenrecht (kraft Gesetzes oder kraft Registereintragung) unterliegenden Höfe sind nicht vorhanden vorhanden.

Geltungsbereich der Höfeordnung: Hamburg: 1300 (1965), Nordrhein-Westfalen: 54138 (1974), Niedersachen: 94586 (1957), Schleswig-Holstein: 33387 (1953), Baden-Württemberg 1963: 13737, davon in Südbaden (Badisches Hofgütergesetz): 4501, Südwürttemberg-Hohenzollern (Württembergisches ARG): 9227, Nordwürttemberg (Württembergisches ARG): 9, Nordbaden (Württembergisches ARG): 0, Bremen (Bremisches Höfegesetz): 168, Hessen(Hessische Landgüterordnung): 132, Rheinland-Pfalz (Rheinland-Pfälzische Höfeordnung; 1978): 7859. Aus dieser Statistik lässt sich entnehmen, dass die höchsten Zahlen in Gebieten des unmittelbar (direkt oder kraft gesetzlicher Überleitung) geltendem Anerbenrecht erreicht werden (Höfeordnung, Badisches Hofgütergesetz; Südwürttemberg-Hohenzollern). Dagegen ist die Zahl der Anerbengüter in der Regel dort gering, wo Voraussetzung für die Anerbenrechtsgeltung ein fakultativer Eintrag des Eigentümers auf Eintragung in ein Register ist (Württembergisches ARG: Nordwürttemberg und Nordbaden; LGO: Hessen; Bremisches Höfegesetz: Bremen). Eine Ausnahme bildet die Rheinland-Pfälzische Höfeordnung, deren statistischer Erfolg auf die in § 13 Rheinland-Pfälzische Höfeordnung vorgesehenen staatlichen Förderungsmaßnahmen beruhen dürfte.

Reale Wirksamkeit des Anerbenrechts

Die Geltung eines Anerbengesetzes verbürgt noch nicht dessen Anwendung im Einzelfall. Dies ist zunächst im Bereich des sogenannten fakultativen Anerbenrechts, d. h. überall dort der Fall, wo die Geltung des Anerbenrechts kraft privatautonomen Aktes generell für einen Hof ausgeschlossen werden kann. Darüber hinaus sagt aber auch die (abstrakte) Geltung eines Anerbengesetzes für einen bestimmten Hof noch nichts darüber aus, ob sich die Erbfolge im Einzelfall tatsächlich nach den Regeln des Anerbenrechts vollzieht: Zum einen besteht nach allen Anerbengesetzen (mit Ausnahme der bundesrechtlichen Höfeordnung) die auf Art. 64 Abs. 2 EGBGB beruhende Möglichkeit, die Nachfolge testamentarisch oder erbvertraglich zu regeln; zum anderen werden sehr viele Höfe zu Lebzeiten übergeben (Hofübergabevertrag). Mit anderen Worten lässt sich aus den Zahlenangaben  über die einem Anerbenrecht unterliegenden Höfe noch nichts Sicheres über die reale Wirksamkeit (Effektivität) der Anerbengesetze, d. h. darüber entnehmen, ob sich der Hofübergang tatsächlich nach den Regeln des Anerbengesetzes vollzieht oder nicht. Die hauptsächlichen Funktionen des Anerbenrechts scheinen in vielen Gebieten darin zu bestehen, die Anerbensitte zu stützen und bei der privatautonomen Gestaltung der Hofübergabe unter Lebenden oder von Todes wegen als Regelungsvorbild und Rechtfertigungsargument für die Abwehr weitergehender Abfindungsansprüche weichender Erben zu dienen. Aus den genannten Gründen ist die Anerbengesetzgebung in der Gegenwart in manchen Bereichen nur von begrenzter realer Wirklichkeit.

Entwicklungstendenzen des Anerbenrechts

Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahre 1949 lässt sich in der Gesetzgebung eine Entwicklung feststellen, die durch das Bemühen gekennzeichnet ist, das Anerbenrecht an die Verfassung anzupassen und als Mittel der Agrarstrukturpolitik einzusetzen. Bei der Anpassung des Anerbenrechts an das Grundgesetz ging es insbesondere um die Berücksichtigung des Gleichberechtigungsprinzips (Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 sowie Art. 6 Abs. 5 Grundgesetz) sowie der Eigentums- und Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz). Der Gleichberechtigung von Mann und Frau fiel der Mannesvorzug bei der Bestimmung des Anerben zum Opfer. Damit wurde von Verfassung wegen eine zum Teil jahrhundertealte Tradition beendet. Dem verfassungswidrigen Ältestenvorzug dürfte das gleiche verfassungsrechtliche Schicksal bevorstehen. Der allgemeine Gleichheitssatz führte dazu, die Bevorzugung des Hoferben auf das Maß herabzusetzen, dass zur Fortsetzung des Hofes unter tragbaren wirtschaftlichen Bedingungen unerlässlich ist. Dies verbesserte die Stellung der weichenden Erben merklich. Mit dem Übergang vom zwingenden zum dispositiven bzw. fakultativen Anerbenrecht in der Höfeordnung (1976) wurde endlich der verfassungsrechtlichen Eigentums- und Erbrechtsgarantie Rechnung getragen. Der zweite kennzeichnende Zug der Entwicklung ist die Rationalisierung des Anerbenrechts. Diese Tendenz zeigt sich im Zurücktreten des früher herrschenden Leitbildes der bäuerlichen Familientradition zu Gunsten des agrarstrukturellen Postulats der Erhaltung existenzfähiger Höfe. Danach ist es nicht mehr entscheidend, dass der Hof in der Familie bleibt, sondern dass er ungeteilt und lebensfähig fortgeführt wird. Das Anerbenrecht scheint aus einem Eckpfeiler bäuerlicher Tradition und Sitte zu einem Instrument rationaler Agrarstrukturpolitik zu werden. Die Rationalisierung des Anerbenrechts mit Rücksicht auf verfassungsrechtliche und insbesondere agrarstrukturpolitische Gegebenheiten kann die in der bäuerlichen Familientradition liegende Wurzeln des landwirtschaftlichen Sondererbrechts gefährden.

Zukunft des Anerbenrechts

Unter diesen Umständen wird immer häufiger die Frage nach Daseinsberechtigung und Zukunft des Anerbenrechts gestellt. Die Beantwortung dieser Frage dürfte vor allem von der Zweckbestimmung des Anerbenrechts abhängen. Soll das Anerbenrecht primär agrarstrukturrelle  Ziele verfolgen, so dient es im Grunde dem öffentlichen Interesse daran, dass landwirtschaftliche Unternehmen nicht zerschlagen werden. Ob das Anerbenrecht ein geeignetes Instrument zur Erreichung dieses agrarstrukturrellen Zieles sein kann, mag dahinstehen; keinesfalls ist es hierfür erforderlich, da mit den §§ 1 ff. Grundstücksverkehrsgesetz ein funktionierendes öffentlich-rechtliches Instrumentarium zur Verfügung steht. Als agrarstrukturpolitisches Lenkungsrecht hätte das Anerbenrecht danach keine Daseinsberechtigung.

Somit kommt dem Anerbenrecht als Privatrecht jedenfalls primär die Aufgabe zu, private Interessen zu schützen. Bezogen auf das Erbrecht heißt dies zunächst, die verfassungsrechtlich geschützte Verfügungsfreiheit des Erblassers zu wahren (Art. 14 Grundgesetz; vgl. auch Art. 64 Abs. 2 EGBGB). Ein Bedürfnis, im Anerbenrecht von den entsprechenden Regelungen des allgemeinen Erbrechts abzuweichen, ist in der Regel zu verneinen; eines Intestat-Anerbenrechts bedarf es nicht. Ob ein Intestat-Anerbenrecht erforderlich ist hängt davon ab, ob die Regelung der gesetzlichen Erbfolge durch das allgemeine Recht im mutmaßlichen Willen des Erblassers von landwirtschaftlichen Besitzungen typischerweise entspricht oder nicht. Denn das Intestat-Erbrecht muss die herrschende Erbsitte, die Ausdruck des mutmaßlichen Erblasserwillens ist, kodifizieren, wenn es seine Funktion sachgerecht erfüllen will. Auf diese Weise wird die Erbfolge in Ermangelung einer letztwilligen Verfügung so geordnet, wie es dem mutmaßlichen Erblasserwillen entspricht. Aus dieser Sicht ist ein Bedürfnis für ein Anerbenrecht, in dem Umfang zu bejahen, in dem eine von der kodifizierten allgemeinen Erbsitte, d.h. dem allgemeinen Intestat-Erbrecht (BGB)abweichende (Sonder-)Erbsitte für landwirtschaftliche Güter festgestellt wird. Daher ist ein Intestat-Anerbenrecht überall dort zu befürworten, wo die Sitte besteht, einen landwirtschaftlichen Betrieb geschlossen (ungeteilt) – unter Lebenden oder von Todes wegen – an einen Familienangehörigen zu übergeben. Damit wird deutlich, dass der Untersuchung der tatsächlichen Art und Weise der Vererbung von landwirtschaftlichen Betrieben, d.h. der Rechtstatsachenforschung eine entscheidende Bedeutung für die Einführung eines Intestat-Anerbenrechts zukommt. Mit Rücksicht auf die verbreitete Übung, den Hof schon unter Lebenden oder doch kraft letztwilliger Verfügung ungeteilt zu übergeben, wird auch ein kraft Gesetz geltendes Intestat-Anerbenrecht nur verhältnismäßig selten zur Anwendung kommen. Wenn dies jedoch der Fall ist, dann entspricht die gesetzliche Regelung dem mutmaßlichen Erblasserwillen; dies ist die primäre Funktion eines gesetzlichen Erbrechts. Darüber hinaus kann ein Intestat-Anerbenrecht die bestehende Anerbensitte stützen, die vertragliche bzw. letztwillige Gestaltung der Übergabe inhaltlich beeinflussen oder legitimieren und damit befriedend wirken. Ob ein derartiges Anerbenrecht seine Rechtsgrundlage im Landesrecht, Bundesrahmenrecht, in einem Bundesanerbengesetz oder einem novellierten BGB finden sollte, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit und politischen Durchsetzbarkeit. Rechtstechnisch wäre wohl ein kraft Gesetz geltendes dispositives Intestat-Erbrecht zweckmäßig, das ein Übernahmerecht für den Anerben vorsieht. Auf diese Weise wäre das Anerbenrecht als Sondererbrecht organisch in das allgemeine Erbrecht einzufügen. Dies könnte die Lebenskraft des Anerbenrechts fördern.

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