3/4-Mehrheitserbe kann Nachlassforderung einziehen. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
BGH: 3/4-Mehrheitserbe kann Nachlassforderung einziehen
Frage:
Wir sind eine Erbengemeinschaft aus zwei Miterben. Ich habe einen Erbanteil von 1/4 und mein Miterbe von 3/4. Mit meinem Miterben habe ich immer Ärger. Er ist alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, die an die Erbengemeinschaft Mietrückstände von 15.000 Euro schuldete. Die GmbH wurde auf meine Klage nach § 2039 BGB verurteilt, an die Erbengemeinschaft 15.000 Euro zu zahlen. Mein Miterbe zu 3/4 hat jetzt unter der Kontobezeichnung „Erbengemeinschaft A.G.“ ein Bankkonto errichtet und auf dieses die ausgeurteilten Mietrückstände eingezahlt. Er hatte mich zuvor zur gemeinschaftlichen Einrichtung eines Kontos für die Erbengemeinschaft aufgefordert. Damit war ich nicht einverstanden. Die GmbH (hinter der natürlich dieser Miterbe steht) klagte jetzt auf Herausgabe des Schuldtitels (Urteils) und die Erklärung der Zwangsvollstreckung für unzulässig. Das kann doch nicht richtig sein, wenn er nach § 2039 BGB an die Miterben gemeinschaftlich leisten muss, oder?
Antwort:
Ihr Miterbe hat mit seiner Klage gegen die Zwangsvollstreckung (sogenannte „Vollstreckungsgegenklage“) nach Auffassung des Bundesgerichtshofs leider recht. Die Urteilsforderung ist erloschen, weil die GmbH die Forderung bezahlt hat.
Richtig ist zwar, dass Ihr Miterbe nicht an alle Erben gemeinschaftlich geleistet hat, wie das § 2039 BGB vorsieht. Aber die Zahlungen hatten Erfüllungswirkung (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB). Ihr Miterbe konnte sich aufgrund seiner 3/4-Mehrheit zur Einziehung der Forderung ermächtigen. Damit war er zur Entgegennahme der Zahlung auf das von ihm eröffnete Konto befugt. Zur Verwaltung einer gemeinschaftlichen Forderung nach § 2038 Abs. 1 BGB kann auch deren Einziehung gehören. Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung können aber mit Stimmenmehrheit beschlossen werden, was für Ihren Miterben mit 3/4-Anteil kein Problem war.
Ihr Miterbe war von seiner Stimmrechtsausübung auch nicht durch eine etwa bestehende Interessenkollision in entsprechender Anwendung von § 34 BGB ausgeschlossen. Es ging für die Erbengemeinschaft ausschließlich um ein rechtlich vorteilhaftes Geschäft durch die Empfangnahme einer Leistung nach rechtskräftiger Verurteilung.
Er hat Sie sogar angehört, als Sie ihn aufforderten gemeinsam ein Konto für die Erbengemeinschaft einzurichten.
Der 3/4-Miterbe hat außerdem das eingerichtete Konto auch ausdrücklich mit der Zweckbestimmung „Erbengemeinschaft A.G.“ versehen, es dadurch als Treuhandkonto bestimmt und von seinem sonstigen Vermögen getrennt gehalten.
Tipp: Lesen Sie bitte BGH vom 19.11.2012, XII ZR 151/10 in BeckRS 2012, 23085