von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen
Die baden-württembergischen Bediensteten bei der Justiz können einem leid tun. Personell unterbesetzt arbeiten sie bei Betreuungs– und Nachlassgerichten bis zum Anschlag und werden der Aktenflut kaum Herr. Ich bin Fachanawalt für Erbrecht und habe in den letzten Wochen mit vielen Nachlassrichtern gesprochen.
Dort klagt man über die E-Akte, die die Arbeit verdoppelt, denn die Handakte aus Papier (aus solchem bestehen Testamente eben) muss weiter geführt werden. Was beim Handelsregister gut funktioniert, ist für Nachlassgerichte nicht unbedingt das Ei des Kolumbus.
Hinzu kommt die Pensionierung bewährter Kräfte, die aufgrund Personal- und Qualifikationsmangel kaum aufgefangen werden kann. Viele Gerichte hängen mit hunderten Akten bzw. Erbscheinsverfahren dem früheren Zeitfenster für Bearbeitungen um Monate hinterher. „Wir eröffnen jetzt zum Jahresende die Testamente vom März“ berichtet in Nachlassrichter. Die Arbeitsflut ist für die fleißigen Menschen bei Nachlass- und Betreuungsgerichten nicht mehr stemmen. Der Unmut der Rechtssuchenden ist groß. Aber Beschwerden oder gar Beschimpfungen nützen nichts. Sie halten die Arbeitenden nur noch zusätzlich von der Arbeit ab. Eine ähnliche Situation hatten wir in Baden-Württemberg bei der Umstellung der Grundbuchämter. Hier funktioniert es mittlerweile. Das macht Hoffnung auch für die Nachlassgerichte, nützt den aktuell Betroffene aber für das kommende Jahr reichlich wenig.
Dauerte früher – in goldenen Zeiten – ein Erbscheinsverfahren drei bis vier Monate muss man sich heute auf 9 oder 12 Monate einstellen. Und ohne Erbschein kommt man nicht ans Erbe, also weder an das geerbte Geld noch kann man Grundstücke auf die Erben umschreiben, Sorge macht auch die Einstellungspraxis. Die Justiz nimmt, wen sie bekommen kann. Ob das zu Lasten der Qualifikation geht, wird die Zukunft zeigen.
Was kann man tun?
Am Sinnvollsten erscheint mir eine Vollmacht über den Tod hinaus für die Erben. Mit dieser können die Erben bei Einvernehmen über Gelder und Grundstücke verfügen. Dazu muss sie allerdings von der Betreuungsbehörde (kostengünstig für 10 Euro) oder einem Notar (deutlich teurer) beglaubigt sein. Der Erblasser sollte auch immer bei seinen Banken Bankvollmachten über den Tod hinaus ausstellen. Mit solchen Vollmachten arbeiten die Banken am Liebsten.
Hilfreich kann auch ein notarielles Testament sein, in dem die Erben eindeutig bestimmt sind. Das ist bei einem Berliner Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, aber schon nicht der Fall. Nur bei absolut zweifelsfreier Erbenbestimmung kann ein notarielles Testament gegenüber dem Grundbuchamt einen Erbschein ersetzen.
Um ein Erbscheinsverfahren überhaupt in Gang zu setzen, sollte man aktuell nicht auf einen Erbscheinsantrag beim Nachlassgericht selbst setzen, sondern diesen über einen Notar einreichen. Nachlassgerichte sind – wie gesagt – überlastet und wenn Sie überhaupt einen Termin zur Stellung des Erbscheinsantrags bekommen, kann das sehr lange dauern, was zu weiteren Verzögerungen führt. Ich schätze, dass landesweit 5 Fachanwälte für Erbrecht auf einen Nachlassrichter kommen. Das macht die Arbeit des Nachlassrichters viel zeitaufwändiger als früher zu Zeiten vor der Fachanwaltsschwemme.
Kommt es im Erbscheinsverfahren zu Auseinandersetzungen mit anderen Erbanwärtern, empfiehlt es sich, nicht im langwierigen Erbscheinsverfahren weiter zu argumentieren, sondern beim Prozessgericht eine Erbenfeststellungsklage einzureichen. Ein solches Urteil liegt in der Regel nach 12 Monaten vor und bindet das Nachlassgericht.