Was ist eine Nacherbschaft?
Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Baden-Württemberg, Deutschland.
Bei Vor- und Nacherbschaft wird der Erblasser zweimal beerbt, einmal vom Vorerben und nach Eintritt des Nacherbfalls (meist der Tod des Vorerben) vom Nacherben. Obwohl der Nacherbe zivilrechtlich unmittelbarer Rechtsnachfolger des Erblassers ist und somit nur ein Erbfall vorliegt, wird erbschaftsteuerlich (nur) falls Nacherbfall der Tod des Vorerben ist, von zwei Erbfällen ausgegangen, nämlich vom Erbfall und vom Nacherbfall. Der Nachlass wird also grundsätzlich doppelt besteuert, § 6 Abs. 2 ErbStG.
Was ist zu beachten, wenn zunächst meine Freundin und dann meine Tochter erben soll?
Hier handelt es sich um die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft. Sie werden zwei mal beerbt, einmal durch die Freundin als Vorerbin und ein zweites Mal durch die Tochter als Nacherbin. Nacherbfall ist der Tod der Freundin als Vorerbin, wenn sie im Testament nichts anderes bestimmen. Ihre Freundin muss das Vorerbe der Tochter im Normalfall ungeschmälert erhalten und darf deshalb die Vorerbschaft nicht verbrauchen und auch nicht über sie verfügen; es sei denn ihre Tochter stimmt zu. Sie können aber auch eine befreite Vorerbschaft im Testament anordnen. Dann darf die Freundin die Vorerbschaft verbrauchen.
Steuerlich ist folgendes zu beachten: Zunächst erbt die Vorerbin vom Vater (das sieht das Steuerrecht wie das Erbrecht). Aber: anders als im Erbrecht sieht das Steuerrecht den Erwerb der Tochter (Nacherbin) als von der Freundin (Vorerbin) und nicht vom Vater kommend an.
Im Steuerrecht werden also aus einem Erbfall, zwei Erbfälle gemacht (damit man doppelt Erbschaftsteuer kassieren kann). Beim Nacherbfall hat die Tochter zunächst also nur einen Freibetrag von 20.000 Euro nach der nicht verwandten Freundin des Vaters und muss den Erwerb mit mindestens 30 % versteuern.
Gott sei Dank, hat die Tochter aber die Möglichkeit, der Besteuerung die persönlichen Verhältnisse zum Erblasser, also zum Vater, zugrunde zu legen. Sie muss dies aber beim Finanzamt beantragen. Stellt sie diesen Antrag hat sie den Freibetrag von 400.000 Euro nach dem Vater und versteuert den darüber hinaus gehenden Erwerb in der günstigsten Steuerklasse, nämlich I.
Achtung: Dieses Wahlrecht gibt es aber nur, wenn der Nacherbfall durch den Tod des Vorerben eintritt!!!