Die Beschwerde im Erbscheinsverfahren erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Die Beschwerde im Erbscheinsverfahren
Wer im Erbscheinsverfahren die Überprüfung einer Entscheidung des Amtsgerichts (Nachlassgerichts) durch die höhere Instanz (Oberlandesgericht) möchte, muss Beschwerde einlegen.
Einführung
Der Erbschein ist beim Amtsgericht als Nachlassgericht zu beantragen. Hierbei kann es zu gegenerischen Parteien kommen, z.B. will A gerne Alleinerbe sein und B möchte das nicht, er will dass A und B Miterben zu je 1/2 sind.
- Lehnt das Amtsgericht die Erteilung des von A beantragten Alleinerbscheins durch Beschluss ab, kann A gegen diesen ablehnenden Beschluss Beschwerde beim Amtsgericht einlegen. Ziel der Beschwerde ist hier die Anweisung des Oberlandesgerichts an das Nachlassgericht den beantragten Erbschein zu erteilen. Das Nachlassgericht kann nunmehr entweder der Beschwerde von A abhelfen und den Beschluss abändern oder aber auf seiner Entscheidung beharren (nicht abhelfen) und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorlegen.
- Erfreulich für den Antragsteller ist es, wenn das Amtsgericht den von A beantragten Alleinerbschein erteilen möchte. Hält das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag für zulässig und begründet, erlässt es einen Beschluss, in dem es die Tatsachen, die für die Erteilung eines Alleinerbscheins für A sprechen, für festgestellt erachtet sog. Feststellungsbeschluss gem. § 352e FamFG).
Die zur Erteilung des Erbscheins gemäß Antrag vom 23.10.2024 erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.
Die Gebühren des Verfahrens auf Erteilung eines Erbscheins einschließlich der Gutachterkosten und Zeugenauslagen sowie die eigenen notwendigen Auslagen trägt die Antragstellerin. Der Antragsgegner trägt seine notwendigen Auslagen selbst.
Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird ausgesetzt.
Die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.
Das freut A und missfällt B. Aus Sicht des A stellt dieser Feststellungsbeschluss die stattgebende Entscheidung über seinen Erbscheinsantrag dar. Dennoch ist der Feststellungsbeschluss erst die letzte faktische Stufe vor Erteilung des Erbscheins für A. Gegen diesen Feststellungsbeschluss kann nämlich der „Gegner“ B Beschwerde beim Amtsgericht einlegen. Ziel der Beschwerde ist hier die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Das Nachlassgericht kann nunmehr entweder der Beschwerde von A abhelfen und den Beschluss abändern oder aber auf seiner Entscheidung beharren (nicht abhelfen) und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorlegen. Wird innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist keine Beschwerde eingelegt, ist der Feststellungsbeschluss formell rechtskräftig und der Erbschein wird ausgestellt. - Schließlich kann Ziel einer Beschwerde in Erbscheinsachen noch sein, dass das Oberlandesgericht das Nachlassgericht anweisen soll, einen bereits erteilten Erbschein einzuziehen.
Was im Beschwerdeverfahren zu beachten ist, will dieser Beitrag näher beleuchten.
Die Beschwerde kann nur beim Amtsgericht als Nachlassgericht eingelegt werden, also nicht beim Oberlandesgericht und schon gar nicht beim Landgericht. Sie wird aber von OLG oder LG an das AG weitergeleitet werden.
Erbscheinsverfahren
Mit „Erbscheinsverfahren“ „sind hier alle Verfahren gemeint, die einen Erbschein zum Gegenstand haben, also
- das Verfahren auf Erteilung eines beantragten Erbscheins (s.o. Liste 1. und 2.)
- Verfahren zur Einziehung eines falschen Erbscheins oder (s.o. Liste 3.)
- Verfahren zur Kraftloserklärung eines Erbscheins, wobei zu beachten ist, dass gegen eine öffentlich bekannt gemachte Kraftloserklärung eines Erbscheins keine Beschwerde möglich ist, § 353 Abs. 1 FamFG
Streitiges Erbscheinsverfahren
Feststellungsbeschluss
Ein Erbschein wird nur auf Antrag erteilt.
Beispiel: Es wird beim Nachlassgericht von A der Antrag gestellt, einen Erbschein zu erteilen, wonach A Alleinerbe ist.
Gibt es aber noch einen anderen Erbkandidaten (z.B. „Beteiligter“ B) und widerspricht dieser dem Antrag von A, erlässt das Nachlassgericht einen Feststellungsbeschluss. Will das Nachlassgericht den beantragten Alleinerbschein für A erteilen, erklärt es in diesem Feststellungsbeschluss die für die Erbscheinserteilung erforderlichen Tatsachen für festgestellt. Es kündigt damit sozusagen die von ihm beabsichtigte Erteilung des Alleinerbscheins für A an. Der Feststellungsbeschluss wird auch B, der mit der Erteilung des Erbscheins für A nicht einverstanden ist, vom Nachlassgericht zugestellt. B hat nun einen Monat Zeit gegen den Feststellungsbeschluss Beschwerde einzulegen.
- Legt B keine Beschwerde ein wird der Feststellungsbeschluss nach einem Monat rechtskräftig und es wird der Alleinerbschein für A erteilt.
- Legt B aber Beschwerde ein, muss zunächst der Ausgang des Beschwerdeverfahrens abgewartet werden. Im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht wird geklärt, ob der Erbschein für A erteilt werden darf oder nicht.
All dies ist in § 352e FamFG geregelt.
§ 352e FamFG Entscheidung über Erbscheinsanträge
(1) Der Erbschein ist nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Der Beschluss wird mit Erlass wirksam. Einer Bekanntgabe des Beschlusses bedarf es nicht.(2) Widerspricht der Beschluss dem erklärten Willen eines Beteiligten, ist der Beschluss den Beteiligten bekannt zu geben. Das Gericht hat in diesem Fall die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses auszusetzen und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückzustellen.
(3) Ist der Erbschein bereits erteilt, ist die Beschwerde gegen den Beschluss nur noch insoweit zulässig, als die Einziehung des Erbscheins beantragt wird.
Zurückweisungsbeschluss
Hält das Amtsgericht als Nachlassgericht den Erbscheinsantrag von A für unzulässig oder unbegründet, weist es ihn durch Beschluss zurück. Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss kann jetzt A Beschwerde zum Oberlandesgericht einlegen.