Was man vom Erbrecht und Erbschaftsteuerrecht wissen muss. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht
Was man vom Erbrecht und Erbschaftsteuerrecht wissen muss
1. Das Erbrecht regelt
- wer das Vermögen eines Verstorbenen erhält
- und wie das Vermögen auf den Erben übergeht.
In der Sekunde des Todes tritt der Erbe oder die Erbengemeinschaft automatisch in die Fußstapfen des Erblassers.
Es kommt zur Gesamtrechtsnachfolge: Alle Vermögenswerte aber auch die Schulden gehen auf den oder die Erben über.
2. Wer wird Erbe?
Der Wille des Erblassers entscheidet.
In seinem Testament kann der Erblasser zum Erben bestimmen, wen er will. Dies kann eine beliebige Person oder Organisation sein.
Nicht erbfähig sind aber Tiere.
Selbst nahe Verwandte kann der Erblasser grundlos enterben. Zum Ausgleich gibt es für enterbte Kinder und enterbte Ehegatten das Recht auf den Pflichtteil.
Hat der Erblasser keinen Erben durch Testament (oder Erbvertrag) bestimm, so kommt es zur gesetzlichen Erbfolge.
Es erben der Ehegatte und die Verwandten.
3. Wie sieht die gesetzliche Erbfolge aus?
War der Verstorbene verheiratet, so erhält sein Ehegatte seinen Erbteil. Die Höhe hängt von zwei Faktoren ab:
- Welcher Güterstand galt? (Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung oder Gütergemeinschaft?)
- Welche Verwandte gibt es noch neben dem Ehegatten?
Naben Kindern erbt der Ehegatte beim gesetzlichen Güterstand (Zugewinngemeinschaft, gilt ohne notariellen Ehevertrag, d.h. in 95 % der Fälle) 1/2 und die Kinder die andere Hälfte. Sind keine Kinder vorhanden erbt der überlebende Ehegatte neben den Geschwistern des Erblassers 3/4 und die Geschwister 1/4.
Die Verwandten sind in Erbordnungen eingeteilt:
1. Ordnung: Kinder und deren Abkömmlinge
2. Ordnung: Die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also z.B. Geschwister des Verstorbenen
3. Ordnung: Die Großeltern des Verstorbenen und deren Abkömmlinge usw.
Gibt es auch nur einen Erben in einer besseren Erbordnung (= mit der niedrigeren Zahl), so schließt dieser die Erben der späteren (zahlenhöhreren) Erbordnungen aus.
4. Was ist der Pflichtteil?
Hat der Erblasser seinen Ehegatten oder nahe Angehörige im Testament enterbt, so erhalten die Enterbten als Ausgleich für ihr entgangenes gesetzliches Erbrecht den Pflichtteil:
Pflichtteilsberechtigt sind:
- der Ehegatte des Verstorbenen
- seine Kinder (anstelle eines schon verstorbenen Kindes dessen Kinder)
- (nur) bei kinderkosen Erblassern auch die noch lebenden Eltern.
Andere Personen haben keinen Pflichtteil, z.B. auch nicht die Geschwister.
Der Pflichtteil ist eine Geldforderung in Höhe von 1/2 des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Zur Berechnung muss der gesamte Nachlass bewertet werden. Darum ist der Pflichtteil sehr streitträchtig. Zudem gibt es für die Erben das Liquiditätsproblem, wie sie den Pflichtteil aufbringen können, vor allem wenn der Nachlass aus Immobilien oder Betriebsvermögen besteht.
Zu Lebzeiten kann der Erblasser mit Pflichtteilsberechtigten einen Pflichtteilsverzicht vereinbaren. Dieser Vertrag muss notariell beurkundet werden. Meist fließt eine Ausgleichszahlung. Eine einseitige Pflichtteilsentziehung ist hingegen nur selten möglich. Hierfür muss der Pflichtteilsberechtigte ein gravierendes Fehlverhalten gezeigt haben.
Damit der Pflichtteil nicht durch Schenkungen an den Wunscherben umgangen wird, gibt es den Pflichtteilsergänzungsanspruch: Solche Schenkungen werden bei der Berechnung des Pflichtteils mitberücksichtigt.
5. Was ist vorweggenommene Erbfolge?
Häufig möchte man Vermögenswerte den vorgesehenen Erben, meist den Kindern oder anderen nahen Verwandten, schon „von warmer Hand“ zukomme lassen. Bei solchen Schenkungen spricht man von vorweggenommener Erbfolge.
Oft empfiehlt es sich, dass der Schenker Gegenleistungen oder Absicherungen vereinbart.
Typisch sind:
- der Vorbehalt des Nießbrauchs oder des Wohnungsrechts bei einer Immobilienschenkung;
- die Vereinbarung einer lebenslangen Rentenzahlung an den Übergeber;
- die Vereinbarung eines Rückforderungsrechts; das kann ein freies Rückforderungsrecht oder eines für unvorhergesehene Fälle sein, z.B. für den Fall, dass der Beschenkte vor dem Schenker stirbt.
6. Wann muss man Erbschaftsteuer zahlen?
Im Prinzip besteuert der Staat jede unentgeltliche Bereicherung. Erfolgt diese von Todes wegen, dann verlangt der Staat Erbschaftsteuer, bei Schenkungen unter Lebenden verlangt der Staat Schenkungsteuer.
Es gibt einen Katalog von Zuwendungen, die steuerbefreit sind. Die beiden wichtigsten Steuerbefreiungen sind:
- übliche Gelegenheitsgeschenke, wobei es im Gesetz keine feste Wertgrenze gibt;
- die Schenkung oder Vererbung der selbst genutzten Immobilie an den Ehegatten oder (nur im Erbfall) an Kinder, wobei die Einzelheiten kompliziert sind.
Zudem gibt es Freibeträge, die alle zehn Jahre neu genutzt werden können:
- 20.000 Euro sind für jedermann frei
Für nahe Verwandte sind die Freibeträge höher, nämlich z.B.
- 500.000 Euro für den Ehegatten
- 400.000 Euro für jedes Kind
- 200.000 Euro für jedes Enkelkind
Werden die Freibeträge durch die Schenkung oder Erbschaft überschritten, so betragen die Steuersätze je nach Verwandtschaftsgrad:
- 7 bis 30 % für Ehegatten, Kinder, Enkelkinder
- 15 bis 40 % für Geschwister, Neffen, Nichten
- 30 bis 50 % für entferntere Verwandte.