Ist ein Verschaffungsvermächtnis auszugleichen? Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Ist ein Verschaffungsvermächtnis auszugleichen?

Das Gesetz regelt das Verschaffungsvermächtnis folgendermaßen:

§ 2170 BGB Verschaffungsvermächtnis
(1) Ist das Vermächtnis eines Gegenstands, der zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erbschaft gehört, nach § 2169 Abs. 1 wirksam, so hat der Beschwerte den Gegenstand dem Bedachten zu verschaffen.
(2) Ist der Beschwerte zur Verschaffung außerstande, so hat er den Wert zu entrichten. Ist die Verschaffung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich, so kann sich der Beschwerte durch Entrichtung des Wertes befreien.

Bürgerliches Gesetzbuch für Deutschland

Es ist dem Erblasser also möglich, in seinem Testament zu verfügen, dass die Erben dem Vermächtnisnehmer einen Gegenstand verschaffen müssen, der sich gar nicht in seinem Nachlass befindet, ja der dem Erblasser nie in seinem ganzen Leben gehörte. Zum Beispiel kann er gegenüber seiner Lebensgefährtin Annalena als Alleinerbin anordnen, dass sie ihrer Tochter Miriam einen „Mini Clubman, den sich Miriam immer so wünschte verschaffen“ muss. Nimmt Miriam das Vermächtnis an, muss ihr ihre Mutter den Mini mit Mitteln des Nachlasses verschaffen. Reichen die Nachlassmittel hierzu nicht aus, ist die Mutter dennoch als Alleinerbin verpflichtet, den Mini zu verschaffen und die Mittel hierzu aus ihrem Eigenvermögen aufzuwenden, sofern sie die Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten nicht auf den Nachlass beschränkt oder die Überschwerungseinrede nach § 1992 BGB erhebt.

Sind mehrere Erben mit einem Verschaffungsvermächtnis beschwert, kann es Ärger geben, weil einer der Miterben für das Verschaffungsvermächtnis mehr „hergeben“ muss als der andere. Hierzu einige

Beispiele:
Beispiel 1

Erblasser E ist Präsident des örtlichen Bikerclubs. Er setzt seine beiden Stellvertreter Vize A und Vize B zu Miterben zu je 1/2 ein. E hinterlässt ein Reinvermögen von 300 Euro. Er hat dem A die Bikerjacke „Big Rebel“, die noch beim örtlichen Bikershop zu kaufen ist, im Wert von 200 Euro vermacht. A nimmt das Vorausvermächtnis an. Im Ergebnis erhält A die Rebellenjacke im Wert von 200 Euro. Das restliche Vermögen von 100 Euro ist entsprechend den Erbquoten von 1/2 zwischen A und B aufzuteilen, so dass jeder der beiden noch 50 Euro erhält. B ist zwar Miterbe zu 1/2 erhält aber im Ergebnis nur 50 Euro. Einen Ausgleich kann er nicht verlangen.

Beispiel 2

Erblasser E hat im Beispielsfall zwei Verschaffungsvermächtnisse ausgesetzt. A soll – wie oben – die Jacke „Big Rebel“ im Wert von 200 Euro verschafft werden und B die Jacke „Smal Rebel“ im Wert von 100 Euro. Nehmen A und B die ausgesetzten Vermächtnisse an, erhält A die Jacke im Wert von 200 Euro und B die Jacke im Wert von 100 Euro. Der Nachlass ist damit erschöpft und es ist nichts mehr unter den Erben zu teilen. Da Vorausvermächtnisse vorliegen besteht auch keine Ausgleichspflicht. Auch hier kann B keinen Ausgleich verlangen, weil er wirtschaftlich zwar 150 Euro geerbt hat, ihm nach Erfüllung der Vermächtnisse aber nur eine Jacke im Wert von 100 Euro verbleibt.

Beispiel 3

Wie im Beispiel 2. Der Nachlass ist aber durch die sonstigen Nachlassverbindlichkeiten erbschöpft. Beide Vermächtnisnehmer haben die Jacken-Verschaffungsvermächtnisse angenommen. Erheben die Erben keine Überschwerungseinrede müssen sie ein jeder 150 Euro aus seinem Eigenvermögen in den Nachlass einschießen, damit die Vermächtnisgegenstände verschafft werden können. A erhält dann die große Jacke im Wert von 200 Euro und B die kleinere Jacke im Wert von 100 Euro. B kann keinen Ausgleich dafür verlangen, dass er 150 Euro in den Nachlass geben musste im Gegenzug aber nur eine Jacke im Wert von 100 Euro erhält.

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