Aussteuer auf Pflichtteil „anrechnen“ lassen?

Aussteuer auf Pflichtteil „anrechnen“. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen. 

Aussteuer auf meinen Pflichtteil „anrechnen“

Frage:

Muss ich mir meine Aussteuer auf meinen Pflichtteil „anrechnen“ lassen?

Antwort:

Ja, wenn sich die Zuwendung als Ausstattung erweist und nicht als bloße Schenkung.

Hat ein Pflichtteilsberechtigter vom Erblasser zu dessen Lebzeiten eine größere Geldzuwendung erhalten, die als Ausstattung (im Volksmund „Aussteuer“) zu betrachten ist, wird diese Summe auf seinen Pflichtteilanspruch „angerechnet“.  Diese „Anrechnung“ ist rechtstechnisch eine sog. Ausgleichung, die nach §§ 2050 Abs. 1, 2316 BGB erfolgt.

Beispiel

Der Sohn war von seinen Eltern als Schlusserbe eingesetzt worden. Nach dem Tod der Eltern klagte seine Nichte, die als Enkelkind der Erblasser pflichtteilsberechtigt ist, auf ihren Pflichtteil in Höhe von einem Achtel des Gesamterbes. Zu ihren Lebzeiten hatten die Großeltern ihrer Enkelin jedoch erhebliche Geldbeträge zukommen lassen, vor allem für das Haus, das die junge Frau in dieser Zeit erwarb. Außerdem sicherten sie durch eine Bürgschaft den Kredit ihrer Enkelin für den Hauskauf ab.

In zweiter Instanz kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass es sich bei den großelterlichen Zuwendungen um eine so genannte Ausstattung gehandelt habe. Ausstattungen würden auf den Pflichtteil angerechnet, weswegen die Klägerin keinen Anspruch mehr darauf habe.
Ausstattung sei das, was Vater oder Mutter – oder in diesem Fall die Großeltern – einem Kind zur Begründung oder Erhaltung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit zukommen ließen. Anlass für eine solche Ausstattung könnten außer einer Heirat auch finanzielle Hilfen sein. Als solche seien auch die Zuwendungen der Großeltern für das neue Haus ihrer Enkelin zu betrachten.

Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. April 2011 (AZ: 6 U 137/09)

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