Pflichtteilsrecht: Einmal Ausgleichung, immer Ausgleichung. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.
Pflichtteilsrecht: Einmal Ausgleichung, immer Ausgleichung
Wenn in einem Übergabevertrag der Eltern an die Kinder oder eines der Kinder eine Ausstattung zugewendet wurde oder eine Schenkung mit Ausgleichungsanordnung oder eine vorweggenommene Erbfolge durchgeführt wurde, hat dies möglicherweise Fernwirkungen auf das Pflichtteilsrecht. Gerade bei einer Vorweggenommenen Erbfolge liegt für die Rechtsprechung eine Ausgleichungsanordnung nahe, so dass die Zuwendung später nach dem Erbfall mit den nicht bedachten Geschwistern auszugleichen wäre. Dies kann dem Erblasser später gar nicht mehr so recht sein, zum Beispiel, weil er sich mit einem der anderen Kinder überworfen hat, das er enterben will. Aber auch hier wirkt die Ausgleichung zugunsten des bösen Kindes. Der Erblasser kann die Fernwirkung der Ausgleichung auf den Pflichtteil grundsätzlich nicht mehr rückgängig machen. Das wäre ein einseitiger Eingriff ins Pflichtteilsrecht, den das Gesetz nicht zulässt. Hierzu ein Fall als
Beispiel:
Eltern V und W haben drei Kinder K1 bis K3. Die Eltern sind ohne Ehevertrag, also normal, verheiratet. Nachlass wird sein 600. V weiß noch nicht, ob er Erben einsetzt oder es bei der gesetzlichen Erbfolge belässt. K1 soll von V 60 als Ausstattung erhalten. Es soll keine Schenkung sein. Sollte es zu einem Zerwürfnis mit K2 und K3 und infolgedessen zur Alleinerbensetzung der W oder Miterbeneinsetzung von W und K 1 kommen, sollen sich die Pflichtteile von K2 und K3 durch die Ausstattung des K1 aber nicht erhöhen. Ansonsten wäre V die Ausgleichung der Ausstattung angenehm. Kann V das überhaupt erreichen?
Lösung:
Bei Nachlass 600 beträgt der Pflichtteil von K2 und K3 ½ also 50
- Bei Ausstattung betragen die Pflichtteile K1 30, K2 und K3 je 60
- Grundsätzlich gilt: V kann die Ausgleichungswirkung einer Ausstattung (aber auch jeder anderen einmal angeordneten Ausgleichung) im Pflichtteilsrecht nachträglich nicht mehr einseitig beseitigen. Hier wäre immer ein (beschränkter) Pflichtteilsverzicht von K2 und K3 notwendig.
- Merke für das PT-Recht: Einmal Ausgleichung, immer Ausgleichung. Ausgleichungsaufhebung mit Empfänger kommt auch nicht in Betracht, denn das wäre ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter.
Lösung:
V ordnet bei der Ausstattung an, dass die Ausgleichungswirkung nur beim Eintritt der gesetzlichen Erbfolge gilt, nicht aber für die Berechnung der Pflichtteilshöhe bei Eintritt der gewillkürten. § 2316 Abs. 3 BGB steht dem nicht entgegen, da es im Ermessen des Erblassers steht, ob er überhaupt eine Ausgleichungspflicht trifft bzw. eine Ausstattung gewährt (ganz h.M., J. Mayer, Bamberger/Roth, § 2136 Rn. 17; Damrau/Riedel/Lenz Rn 8; MK/Lange Rn 8; Staudinger/Haas Rn 12; Planck/Greiff Anm 7).